
Luftfahrt Wie sich das Geschäftsmodell der Airlines verändert
Seit der Pandemie profitiert die Luftfahrt vor allem von der Reiselust der Deutschen. Um das Geschäft mit dem Tourismus noch weiter auszubauen, hat Eurowings nun sogar einen eigenen Reiseveranstalter.
Ab in den Süden - so könnte man die Präferenz der Deutschen überschreiben, wenn es um die Planung des Sommerurlaubs geht. Laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) sind in diesem Jahr vor allem Pauschalreisen in die Urlaubsländer rund ums Mittelmeer gefragt. Viele Deutsche zieht es in die Türkei, nach Spanien oder nach Griechenland. So ist es auch nicht verwunderlich, dass beim Reiseveranstalter TUI auch in diesem Jahr wieder Mallorca und Antalya um den Platz als beliebtestes Reiseziel konkurrieren, wie Konzernsprecher Aage Dünhaupt im Gespräch mit tagesschau.de sagte.
Und der DRV betont: "Die Lust auf Reisen lassen sich die Deutschen trotz aller Krisen und ökonomischen Herausforderungen nicht nehmen." Für die Luftfahrt in Deutschland sind das gute Nachrichten, denn die Privatreisen sind es auch, die seit der Pandemie der Wachstumstreiber für den Flugverkehr sind. "Vor der Pandemie waren rund 60 Prozent unserer Flüge Geschäftsreisen und 40 Prozent touristische Reisen. Das hat sich mittlerweile umgekehrt", sagte Eurowings-Chef Jens Bischof beim Mediennetzwerk LPC.
"Ferienflug als Rundum-sorglos-Paket"
In Deutschland zeigt sich der Bedeutungsverlust für Geschäftsreisen für alle Airlines besonders auf den Inlandsstrecken: Wie der Flughafenverband ACI Europe in dieser Woche mitteilte, sieht der Verband eine "teilweise Verlagerung auf die Bahn" in Deutschland. Im Vergleich zu 2019 sank das Fluggastaufkommen auf Inlandsflügen um 6,3 Prozent. "Weil viele Geschäftsreisende nach der Pandemie nicht wieder zurückgekommen sind, verlagern etwa Lufthansa-Töchter zunehmend ihr Geschäft und bieten viel stärker touristische Ziele an", sagt ARD-Luftfahrtexperte Michael Immel.
So plant Eurowings etwa im Sommerflugplan dieses Jahres 412 Strecken zu rund 142 Zielen in 36 Ländern anzubieten - vornehmlich touristische Ziele. Und die Airline geht sogar noch einen Schritt weiter: Seit dieser Woche hat die Lufthansa-Tochter einen eigenen Reiseveranstalter. Eurowings Holidays geht zum 1. April als Reiseveranstalter an den Start und kombiniert dann Flugreisen mit anderen touristischen Angeboten wie Übernachtungen, Transfers oder Mietwagen. Eurowings-Chef Bischof will damit den Fokus auf touristische Reisen noch weiter erhöhen: "Die 20 Millionen Fluggäste, die wir haben, können nun direkt bei uns ihre ganze Reise buchen."
Immel hält das für folgerichtig: "Eurowings als kompletter Reiseanbieter ist ein konsequenter Schritt." Kundinnen und Kunden bekämen nun den "Ferienflug als Rundum-sorglos-Paket". Und mit Blick auf das, was die Kunden nachfragen, scheint das durchaus sinnvoll: Rund die Hälfte der Ausgaben für Urlaubsreisen dürften in diesem Jahr auf Pauschal- und Bausteinreisen von Reiseveranstaltern entfallen, schätzt der DRV.
Personal und IT-Systeme werden übernommen
Alles aus einer Hand - das ist nicht neu. Dass Airlines auch als Reiseveranstalter agieren und damit profitabel sein können, macht Easyjet mit Easyjet Holidays erfolgreich vor. Und auch Eurowings Holidays gibt es bereits länger, bisher allerdings nicht als eigene Firma. Betreiber der Reisewebseite unter dem Eurowings-Brand war bislang die HLX-Gruppe von Karlheinz Kögel, Eurowings war an den verkauften Pauschalreisen nur anteilig beteiligt.
Um Eurowings Holidays an den Start zu bringen, werde mehr als die Hälfte der Beschäftigten von Kögel übernommen, ebenso IT-Systeme des Medien- und Touristikunternehmers. "Anders hätte die Airline das Projekt auch nicht so schnell auf Flughöhe gebracht. Das ist ein cleverer Schachzug", urteilt Michael Immel.
Bislang vor allem Last Minute Angebote
Die HLX-Gruppe hatte seit 2020 die Marke Eurowings Holidays aufgebaut - und profitabel gemacht, wie Jens Bischof beim Mediennetzwerk LPC betont: "An Spitzentagen konnte Eurowings Holidays bis zu 2.000 Reisen pro Tag verkaufen." Bei rund 250.000 Kunden pro Jahr bedeutete das einen Umsatz von etwas weniger als 300 Millionen Euro im Jahr 2024.
Bislang konzentrierte sich Eurowings Holidays dabei vor allem auf Last Minute Angebote, um Restplätze in Fliegern und Hotels zu füllen. Nun soll Eurowings Holidays zum Anbieter individueller Bausteinreisen mit den eigenen Digitalexperten weiterentwickelt werden. Ein Vorteil dabei: Urlaube werden gerne mit zeitlichem Vorlauf gebucht - für Eurowings sichert das die Auslastung der Flugzeuge. Und auch die Margen solcher Pakete sind oft höher.
Reiseveranstalter mit eigener Airline: TUI
Alles aus einer Hand: Dieses Modell verkauft auch der Reiseveranstalter TUI, der mit seiner Airline TUI Fly Touristen zu ihren Urlaubszielen befördert. Der Unterschied zu Eurowings Holidays: Neben einer eigenen Airline hat TUI auch eigene Hotels.
"Der Vorteil, als Reiseveranstalter eine eigene Airline zu haben, ist, dass wir sicherstellen können, dass die Zielgebiete unserer Hotels auch tatsächlich angeflogen werden. Gerade bei den Kanaren, den Kapverden oder den griechischen Inseln ist es für uns strategisch sinnvoll, eine eigene Airline zu haben, da wir sonst die Hotels nicht optimal füllen könnten", erklärt Aage Dünhaupt im Gespräch mit tagesschau.de. So seien bei den Kapverden etwa 90 Prozent der Passagiere einer TUI Fly-Maschine Gäste, die auch eine Pauschalreise bei TUI gebucht haben.
Für TUI als Reiseveranstalter sei der "Betrieb einer eigenen Airline aber auch ein Trade off", so Aage Dünhaupt: Man sei weniger der Preispolitik der Wettbewerber ausgeliefert, "wenn wir selbst fliegen. Würde eine Fluggesellschaft wegfallen, eröffnet das Spielräume für andere Airlines, die Preise zu erhöhen." Allerdings betont er auch: "Würden die Kosten im Vergleich zu anderen Anbietern zu hoch sein, dann kippt gegebenenfalls die Kalkulation und das Geschäftsmodell lohnt sich finanziell nicht mehr."
Ticketpreise dürften weiter steigen
Zumal Airlines gerade in Deutschland derzeit mit den hohen Standortkosten zu kämpfen haben. Diese seien durch "die Kostenexplosion" zuletzt auf 4,5 Milliarden Euro im Jahr gestiegen, wie der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in dieser Woche mitteilte. Damit gehöre Deutschland zu den teuersten Standorten in Europa.
Gerade ausländische Airlines haben daraus bereits Konsequenzen gezogen. So zieht sich die Billigairline Ryanair ab dem kommenden Sommer aus Dortmund, Dresden und Leipzig ganz zurück und reduziert ihr Angebot in Berlin und Hamburg. Und Ryanair ist nicht die einzige Airline - auch Condor, WizzAir und Easyjet wollen ihr Angebot auf dem deutschen Markt reduzieren.
Für Eurowings ergebe sich zwar eine Chance, wenn sich Airlines zurückziehen, so Jens Bischof. Er betont aber auch: "Auch wir müssen die hohen Standortkosten in Deutschland tragen und versuchen, profitabel zu sein." Für Fluggäste heißt das vor allem: Die Flugtickets dürften eher noch teurer werden.
In einer ersten Version des Textes war von einem Umsatz von "etwas weniger als 300 Milliarden Euro im Jahr 2024" die Rede. Es muss Millionen heißen. Der Text wurde entsprechend korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen