E-Scooter in den Städten Fahrspaß oder Müllproblem?
Auch gut zwei Jahre nach ihrer Einführung scheiden sich an E-Scootern die Geister. Die einen finden sie praktisch, den anderen stehen sie im Weg. Ein wachsendes Problem ist Vandalismus.
Am helllichten Tag steht ein junger Mann mit Kapuzenpulli auf einer Brücke. Unter ihm der Fluss. In beiden Händen hält er einen grün-weißen E-Scooter. Sein Freund hält das Handy. Gelächter, ein kurzer Blick in die Kamera, und schon fliegt der Elektroroller über das Brückengeländer und mit einem lauten Platsch hinein in den Fluss.
Vandalismus und Unfälle schaden dem Ruf
Auf diese Weise wurden vermutlich mehrere Hundert E-Roller im Rhein versenkt. Sie liegen seit mehreren Monaten dort. Ihre Bergung ist für Anfang September angesetzt. Solche Bergungsaktionen sollen in Zukunft regelmäßig durchgeführt werden. Darauf haben sich die Stadt und Verleiher geeinigt. Die Kosten der Bergung würden die Verleiher selbst übernehmen. Wie hoch sie ausfallen werden, sei aber noch nicht klar.
Solcher Vandalismus und die zunehmende Zahl an Unfällen brachten die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker dazu, ein Ultimatum zu stellen: Entweder, die E-Scooter-Verleiher verpflichten sich zu einem freiwilligen Nachtfahrverbot, oder ihnen droht die Verbannung aus der viertgrößten Stadt Deutschlands. Die Vertreiber reagierten mit Ablehnung. Über den Verband "Plattform Shared Mobility" sprachen sie sich klar gegen ein Nachtfahrverbot aus. Die Maßnahme sei ein Schnellschuss und würde die große Mehrheit der unauffälligen Nutzerinnen und Nutzer mitbestrafen.
Wachsendes Angebot
Sowohl für Tier als auch den Scooter-Verleiher Lime läuft das Geschäft nach eigenen Angaben trotzdem gut. Lime zeigt sich mit der Auslastung der Scooter "sehr zufrieden", und Tier hat nach eigener Auskunft bereits investiert, um das Angebot im nächsten Jahr auszubauen. Erst im letzten Jahr hatte sich das Unternehmen in einer weiteren Finanzierungsrunde 250 Millionen Dollar gesichert.
"Investoren sind für die meisten E-Scooter-Verleiher derzeit die einzige Möglichkeit, ihr Wachstum zu finanzieren", heißt es von Friedemann Brockmeyer. Er hat sich in einem Datenprojekt der Beratungsfirma Civity bereits 2019 mit den E-Scootern beschäftigt. Damals lautete die Prognose: "Die E-Scooter sind ein Hype." Und weiter: "Hier scheinen insgesamt die Medienpräsenz sowie die Aufmerksamkeit in den Ministerien und Kommunen etwas überhöht."
Nur eine Nische im Verkehr
Der Verkehrsexperte Tobias Kuhnimhof von der RWTH Aachen sieht das ähnlich. Für ihn besetzen die Scooter eine Nische im Stadtverkehr. Dabei sollten die E-Roller in Kombination mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eigentlich eine Alternative zu den zahlreichen Autos in den Städten bieten. "Das ist bisher nicht eingelöst worden", sagt Kuhnimhof. Von den in Deutschland gefahrenen Kilometern würden weniger als ein Prozent mit einem geteilten Fahrzeug - dazu zählen auch Bike- und Carsharing - zurückgelegt. Die gefühlte Omnipräsenz in den Innenstädten sei trügerisch. "Das führt zu einer gewissen Überschätzung dieses Phänomens. In der Mobilitätsnachfrage ist es in der Form eigentlich nicht angekommen", meint Kuhnimhof.
Einer der Gründe aus seiner Sicht: zu hohe Kosten. Während ein Kilometer auf einem Scooter durchschnittlich ein Euro bis 1,50 Euro koste, lägen die öffentlichen Verkehrsmitteln bei zehn bis zwölf Cent. "Es scheint unter diesen preislichen Rahmenbedingungen kaum vorstellbar zu sein, dass jemand eine längere Strecke mit dem Roller zur Bahn zurücklegt." Laut Kuhnimhof werden die Roller überwiegend für "Erlebnisfahrten" genutzt. Tier registriert eine vermehrte Nutzung zu Berufsverkehrszeiten.
Transport zur Bushaltestelle?
Wer das Auto stehen lässt und den Scooter zur Arbeit nimmt, muss zwar mehr zahlen. Gleichzeitig sei dies aber, so das Umweltbundesamt, tatsächlich die umweltfreundlichere Lösung. Den Scooter zu nutzen anstatt zu Fuß zu gehen ist es wiederum nicht. Dabei stecken die Anbieter viel Arbeit in ihre umweltfreundliche Außenwirkung. Besonders Tier wirbt mit Klimaneutralität. Nach Angaben der Verleiher beträgt die durchschnittliche Lebensdauer eines Tier-Scooters 36 Monate, Lime gibt sie mit 24 Monaten an. Die ausgemusterten Roller würden zerlegt, die noch brauchbaren Teile für Reparaturen verwendet und der Rest recycelt. Emissionen, die im Produktionsverlauf nicht reduziert werden könnten, würden durch Kompensationszahlungen ausgeglichen.
Trotzdem: Einen solchen Produktionsprozess komplett klimaneutral zu gestalten, ist derzeit laut Umweltbundesamt nicht möglich. Aus Sicht der Behörde läge das viel größere Potenzial der E-Scooter darin, einen autolosen Transport bis vor die Haustür zu ermöglichen. Daher sei es sinnvoll, sie an Endhaltestellen von Bus oder S-Bahn zur Verfügung stellen. Aktuell stehen die Roller allerdings in den Hotspots der Innenstädte. Einschränkungen wie ein Nachtfahrverbot oder ein Abstellverbot in bestimmten Gebieten könnten es laut Verkehrsexperte Kuhnimhof für die Scooter Vertreiber erschweren, sich dauerhaft zu etablieren.