CO2-Fußabdruck Das grüne Gewissen konsumiert mit
Mehr als elf Tonnen CO2-Ausstoß verursacht jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Einige Banken und Finanzdienstleister zeigen ihren Kunden nun, wie stark welche Einkaufsentscheidung dazu beiträgt.
Einkaufen im Jahr 2021: Ein Klick und das neue T-Shirt ist im Warenkorb. Wohl nie war Onlineshopping so beliebt und so nötig wie aktuell. Der Einkauf übers Internet boomt, der Umsatz im deutschen Onlinehandel kletterte laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel während des Pandemie-Jahres 2020 auf 83 Milliarden Euro und stieg damit um knapp 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
CO2-Fußabdruck wird angezeigt
Praktisch ist der Kauf per Klick, doch für die Umwelt verheißt er oft nichts Gutes. Deshalb bietet das schwedische Fintech-Unternehmen Klarna seinen Kundinnen und Kunden jetzt die Möglichkeit, beim Einkauf sofort zu sehen, was der eigene Konsum für die Umwelt bedeutet. Durch einen Zusatz in der App wird der individuelle CO2-Fußabdruck im Warenkorb angezeigt.
Das wertvollste nicht-börsennotierte Fintech Europas hat inzwischen rund 90 Millionen Nutzerinnen und Nutzer und dient als Bezahlsystem für viele verschiedene Onlineshops. Das Prinzip: jetzt shoppen, später bezahlen. Einkäufe können später oder in Raten bezahlt werden.
Oft wurde das Unternehmen in der Vergangenheit kritisiert, junge Menschen zum Kauf auf Kredit zu animieren. Ab sofort möchte das schwedische Fintech aber positive Schlagzeilen schreiben und "das Bewusstsein für den Klimawandel stärken."
Sogar Banken denken um
Und damit ist Klarna nicht alleine. Immer mehr Finanzdienstleister und sogar Banken bieten Klimaübersichten an. Das plant auch die Hamburger Bank Tomorrow von Juni an - die Information zu den Klimafolgen soll dann neben jeder Transaktion auf dem Konto angezeigt werden. Dies sei ein weiterer Schritt der Online-Bank, sich für ein "besseres Morgen" einzusetzen, verspricht Gründer Inas Nureldin.
Er wolle nachhaltiges Banking aus der Nische holen und sieht "Finanzen als einen riesigen Hebel, um einen Wandel herbeizuführen." Im Gegensatz zu klassischen Banken verspricht Tomorrow, die Kundeneinlagen nicht in Branchen wie Rüstung, Massentierhaltung oder Kohlekraft zu investieren. Vielmehr sollen durchweg nachhaltige Projekte finanziert werden.
Kompensationsmodell im Angebot
Für jede Transaktion zahlen Händler dabei eine gewisse Gebühr - die sogenannte Intercharge Fee - an die Bank. Einen Teil dieser Gebühren investiert Tomorrow dann in den Schutz des Regenwaldes. Wer das Premiummodell der Bank für 15 Euro im Monat nutzt, dem wird gar versprochen, jährlich 11,3 Tonnen CO2 zu kompensieren. Das entspricht dem durchschnittlichen CO2-Fußabdruck, den jeder Einwohner Deutschlands pro Jahr hinterlässt.
Glaubt man Noureldin, werden soziale Projekte unterstützt - beispielsweise die nachhaltige Aufbereitung von Trinkwasser in Entwicklungsländern. Bei der Auswahl ihrer Kompensationsprojekte arbeite die Bank mit unabhängigen Dienstleistern zusammen, heißt es.
Kompensation ist wichtig
Doch bisher hat die Bank nur rund 68.000 Kundinnen und Kunden, und davon nutzen nur knapp zehn Prozent das Premiumkonto. Außerdem fließen nur etwa 20 Prozent der Tomorrow-Einlagen wirklich in nachhaltige Projekte; der Rest wird als neutrale Reserve bei der Bundesbank verwahrt.
Trotzdem: Für den Nachhaltigkeitsexperten Jens Gröger vom Öko-Institut in Berlin schlägt die Bank mit ihrem Modell den richtigen Weg ein. Er sieht die Unternehmen klarer in der Pflicht als die einzelnen Verbraucherinnen und Verbraucher.
Bei der Kompensation von CO2 gebe es unterschiedlich zuverlässige und qualitativ hochwertige Projekte, so Gröger. Speziell aufgestellte Kriterienkataloge dienten der Orientierung: Wichtig sei, dass die Projekte nicht schon bestünden, sondern durch die Kompensation zusätzlich und auch langfristig entstünden. Bei Wiederaufforstungsprojekten könne es beispielsweise passieren, dass "der wieder aufgeforstete Wald nachher wieder abgebrannt wird. Und dann habe ich überhaupt kein CO2 eingespart, sondern nur zwischengespeichert", so der Experte.