Rüstungsindustrie Rheinmetall und Leonardo gründen Panzer-Hersteller
In Europas Rüstungsbranche entsteht ein neues Schwergewicht. Das Joint Venture von Rheinmetall und dem italienischen Konzern Leonardo soll unter anderem Kampfpanzer bauen. Der milliardenschwere erste Auftrag winkt bereits.
Rheinmetall und der italienische Rüstungskonzern Leonardo haben ihr Gemeinschaftsunternehmen zum Bau von Panzern auf den Weg gebracht. Die beiden Partner sollen je 50 Prozent der Anteile an dem neuen Unternehmen Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV) mit Hauptsitz in Rom halten, wie sie gemeinsam mitteilten. Das operative Zentrum soll im norditalienischen La Spezia liegen, wo Leonardo bereits ein Werk hat.
Mit der formellen Genehmigung durch die Behörden rechnen die Partner bis Anfang 2025. Das bereits im Juli angekündigte Gemeinschaftsunternehmen dürfte auf zweistellige Milliardenumsätze kommen. Den Schwerpunkt werden zunächst Panzer-Aufträge der italienischen Armee bilden.
Milliardenaufträge in Sicht
"Das Hauptziel des Joint Ventures ist die industrielle Entwicklung und anschließende Vermarktung des neuen italienischen Kampfpanzers (MBT) und der neuen 'Lynx'-Plattform", teilten die Konzerne mit. Die Basis für die neuen Systeme sollen der Kampfpanzer "Panther" und der Schützenpanzer "Lynx" von Rheinmetall legen, die Leonardo mit eigenen Techniken ergänzen wird.
Neben dem klassischen Schützenpanzer seien auch Flugabwehr-, Aufklärungs- und Panzerabwehrversionen geplant. "Beide Partner erwarten zudem umfangreiche Absatzchancen für ihre gemeinsamen Produkte auf internationalen Märkten", hieß es weiter. "Der erste Auftrag für das Joint Venture sollte entweder noch Ende des Jahres oder im ersten Quartal 2025 vergeben werden", hatte Rheinmetall-Chef Armin Papperger im August erklärt. "Wir reden dabei über 20 bis 25 Milliarden Euro."
Integriertes Verteidigungskonzept als Ziel
Die Herausforderung, so meint Leonardo-Chef Roberto Cingolani, bestand darin, sich auf eine neue Generation von Kampffahrzeugen einzustellen und damit auch auf ein neues Konzept der Verteidigung. "Man muss bedenken, dass verschiedene Plattformen wie ein Flugzeug, ein Hubschrauber oder ein Kampfpanzer oder was auch immer in dem komplexen Szenario des Schlachtfeldes miteinander kommunizieren."
Ähnlich äußerte sich Rheinmetall-Chef Pappberger: "Es ist es ist nicht mehr ausreichend, einfach nur ein Panzer hinzustellen und zu sagen: 'Hier, versucht mal, damit zu schießen, sondern es wird ein Gesamtsystem sein.'"
Erster Schritt zu europäischem Konzern?
Papperger sieht das Gemeinschaftsunternehmen als einen ersten Schritt hin zu einer Konsolidierung der Branche. Beide Unternehmen schafften gemeinsam ein neues Schwergewicht im europäischen Panzerbau, sagte er. "Dies ist ein bedeutender Schritt in Richtung der Schaffung eines europäischen Verteidigungssystems", erklärte Cingolani. "Wir sehen dieses Abkommen als eine der wichtigsten an in der jüngsten Geschichte von Leonardo."
Beide Firmenchefs traten Spekulationen entgegen, dass mit LRMV Konkurrenz für das deutsch-französische Konzept "Main Ground Combat System" (MGCS) entstehe, das in fernerer Zukunft die Kampfpanzer Leopard 2 und Leclerc ablösen soll. Cingolani brachte dagegen eine mögliche Beteiligung Leonardos an MGCS ins Spiel, bei deren Anbahnung LRMV helfen könne.
Neue Allianzen in der Branche
Der russische Überfall auf die Ukraine hatte für westliche Rüstungskonzerne wie Rheinmetall eine Wende gebracht. Die Branche wird für die Stärkung der Bundeswehr und der Truppen der NATO-Staaten sowie der Ukraine gebraucht. In der europäischen Rüstungsindustrie werden auch deshalb neue Allianzen gebildet. Leonardo ist auch mit 22,8 Prozent am deutschen Rüstungselektronik-Konzern Hensoldt beteiligt.
Leonardo hat im vergangenen Jahr mit über 53.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 15,3 Milliarden Euro erzielt und zählt damit zu den größten Rüstungskonzernen Europas. Rheinmetall setzte in diesem Zeitraum knapp 7,2 Milliarden Euro um. Beide Unternehmen hatten Ende 2023 einen Auftragsbestand von knapp 40 Milliarden Euro in den Büchern.
An Leonardo hält der italienische Staat rund 30 Prozent der Anteile. Rheinmetall ist seinerseits bereits in Italien vertreten und erwirtschaftet mit drei Tochtergesellschaften und insgesamt rund 1.500 Mitarbeitern an fünf Standorten einen Umsatz von etwa einer Milliarde Euro.
Mit Informationen von Elisabeth Pongratz, ARD-Studio Rom