Beschwerde eingereicht Missachten Edeka und Rewe das Lieferkettengesetz?
Hilfsorganisationen werfen den Supermarktketten Rewe und Edeka vor, gegen das Lieferkettengesetz zu verstoßen. In einer Beschwerde ist von Hungerlöhnen und fehlendem Arbeitsschutz auf Plantagen die Rede.
Mehrere Hilfsorganisationen haben beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz gegen Edeka und Rewe eingereicht. Beide Supermarktbetreiber arbeiteten mit Zulieferern zusammen, denen die Organisationen schwere Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, heißt es in einer heute veröffentlichten Mitteilung.
Getragen wird die Beschwerde unter anderem von Oxfam, der ecuadorianischen Gewerkschaft der Plantagenarbeiter (Astac), dem katholischen Hilfswerk Misereor sowie dem European Center for Constitutional and Human Rights. Die Handelsketten weisen die Anschuldigungen zurück.
Ananas- und Bananenplantagen im Fokus
Bei der Beschwerde gehe es um Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananasplantagen von Zulieferern in Ecuador und Costa Rica, so die Organisationen. So sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter dort zu Hungerlöhnen beschäftigt worden sein. Zudem hätten sie arbeiten müssen, während die Plantagen mit potenziell giftigen Pestiziden eingesprüht wurden.
Den Organisationen zufolge wurden Gewerkschaftsmitglieder entlassen oder sogar misshandelt, wenn sie sich gegen die Missstände wehrten. Die Beschwerde stützt sich dabei auf Erfahrungsberichte von Plantagenarbeitern und Gewerkschaften sowie eigene Recherchen in den Produktionsländern.
Edeka kann "Vorwürfe nicht nachvollziehen"
"Wir können bestätigen, dass wir von Oxfam über unsere Meldeplattform entsprechende Hinweise erhalten haben", teilte Edeka tagesschau.de mit. Nach einer Prüfung hätten sich diese mit Bezug auf die Partnerfarmen, von denen das Unternehmen Bananen bezieht, nicht bestätigt. "Somit können wir die aktuell erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehen", hieß es weiter.
Vorwürfe, man sei nicht ausreichend gesprächsbereit, weise Edeka "deutlich zurück", so der genossenschaftlich organisierte Handelskonzern. "Wir distanzieren uns grundsätzlich von jeglichen Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen und sind sehr daran interessiert, dass uns etwaige Missstände zur Kenntnis gebracht werden, um diesen umfassend nachzugehen."
Rewe hat "bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen"
Auch Rewe widerspricht "den Aussagen von Oxfam entschieden", wie der Konzern tagesschau.de mitteilte. Er habe gemeinsam mit den Lieferanten "bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen" und stehe dazu auch mit Oxfam im Austausch. "Unsere Position ist eindeutig: Menschenrechte sind nicht verhandelbar."
Daher fordere Rewe schon seit 2019 "nachweislich verbindliche Rahmenbedingungen zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten, die entlang der gesamten Lieferkette gleiche Voraussetzungen schaffen". Eine rein nationale Gesetzgebung reiche dabei nicht aus: "Wir wünschen uns eine zumindest europäische Harmonisierung - besser noch eine internationale Lösung", so der Supermarktbetreiber.
"Praxistest" für das Lieferkettengesetz
Nach Angaben von Oxfam hatte die Hilfsorganisation die beiden Ketten Edeka und Rewe bereits im Sommer über vier Vorfälle informiert. Zur Sorgfaltspflicht der Supermärkte gehöre nach dem Lieferkettengesetz, dass sie sich informieren, unter welchen Bedingungen die Produkte hergestellt werden. Doch einige Anbieter machten weiter wie bisher. Vor Ort habe sich kaum etwas geändert.
Die Konzerne verwiesen den Angaben zufolge auf Qualitätssiegel für die Waren, die die Wahrung der Menschenrechte bei Ernte und Produktion sichern sollen. Die Organisationen werfen den Zulieferern jedoch Manipulation bei den Betriebskontrollen vor - etwa dadurch, dass nur von den Plantagenbesitzern zuvor ausgewählte Arbeiter befragt würden.
Die Einreichung der Beschwerden sei gleichzeitig ein "Praxistest", wie effektiv die Umsetzung des am 1. Januar in Kraft getretenen Lieferkettengesetz in Deutschland ist, erklärte Oxfam. Dieses zwingt Konzerne ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, auf der gesamten Lieferkette für die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsschutzstandards zu sorgen.
Bundesamt muss den Hinweisen nachgehen
Das Lieferkettengesetz verpflichte die deutschen Unternehmen zwar, ihren Einfluss zur Wiedergutmachung von Schäden in den Produktionsländern zu nutzen, sagte der Misereor-Wirtschaftsexperte Armin Paasch. "Es verpflichtet sie aber nicht ausdrücklich zur Wiedergutmachung von Schäden. Es verbessert auch die Erfolgsaussichten von Betroffenen in Schadenersatzklagen nicht wesentlich." Diese Lücken müssten durch das derzeit diskutierte EU-Lieferkettengesetz geschlossen werden, forderte Paasch.
Die Leiterin des Bereichs Gerechtes Wirtschaften bei Oxfam, Franziska Humbert, sagte, das Bundesamt müsse den Hinweisen der Beschwerde nun nachgehen und den Supermärkten konkrete Anweisungen geben, was sie dagegen unternehmen sollen.
Beschwerde beim BAFA einreichen können deutsche Organisationen oder Gewerkschaften. Je nach Schwere eines Verstoßes kann ein Bußgeld von bis zu acht Millionen Euro oder zwei Prozent des Jahresumsatzes verhängt oder das Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.