Online-Handel im Lockdown Starthilfe durch die Konkurrenz
Als Reaktion auf die Lockdowns bauen immer mehr Einzelhändler einen Online-Vertrieb auf. Viele kooperieren dabei mit einem großen Konkurrenten: dem Online-Versandhändler Zalando.
Nicole Wildhardt betreibt seit 15 Jahren ihr Modegeschäft in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Und zum ersten Mal in diesen 15 Jahren verkauft sie ihre Waren jetzt auch online. Lockdown hieß für sie: mehr Arbeit als je zuvor. "Wir haben richtig viel Werbung gemacht, in den sozialen Medien", erzaählt sie. "Es sind viele neue Kunden auf uns aufmerksam geworden und wir haben über Instagram wirklich unsere Outfits verkauft, die wir täglich posten."
Jedes einzelne Stück hat sie mit ihrem Sohn Benedikt fotografiert und online gestellt. Und damit liegen die Wildhardts voll im Trend. Kleine und mittelständische Händler bauen während der Corona-Pandemie ihre digitalen Vertriebswege massiv aus. Nach einer Umfrage des Handelsverbands HDE unter 1300 Unternehmen sind mittlerweile 84 Prozent der Händler digital aktiv. Vor der Krise waren es gerade mal 40 Prozent.
Zalando hilft bei der Digitalisierung - und kassiert
Doch nicht jedes Unternehmen schafft den Weg ins Digitale ganz allein, viele brauchen einen Partner. Und dieser heißt oft Zalando. Der eigentliche Konkurrent des stationären Handels bietet ein Programm an, mit dem die eigenen Produkte über die Plattform des Online-Giganten verkauft werden können. Der Aufbau einer eigenen digitalen Infrastruktur fällt damit für die Verkäufer weg.
Die Zahl der Partner, die dieses Angebot nutzen, hat sich allein seit Anfang 2021 auf mehr als 3000 verdoppelt. Prominentestes Beispiel: die Modekette C&A. Da Zugriffe auf den eigenen Web-Shop nicht die gewünschten Dimensionen erreichten, bietet auch C&A ab sofort die eigenen Kleidungsstücke im Online-Shop von Zalando an.
Zalando punktet mit Produktfotos und Shop-Infrastruktur
Auch der Präsident des Handelsverbands Hessen, Jochen Ruths, ist mit seinem Modegeschäft in das Programm eingestiegen. Auf drei Etagen verkauft er normalerweise in Friedberg rund 300.000 Kleidungsartikel. Für ihn ist es schlicht nicht leistbar, sein gesamtes Sortiment zu fotografieren und in einem eigenen Online Shop einzupflegen.
Grund genug für ihn, bei Zalando einzusteigen: Das Unternehmen verfügt über Bildmaterial aller gängigen Marken und Artikel. Durch die Partnerschaft kann Ruths seinen Vertragspartnern gegenüber treu bleiben und die von ihm bestellten Waren abnehmen. "Für uns war die Frage, wie wir Liquidität schaffen können, über die Ladenschließung hinweg. Und dann war das eine einfache Sache, ich brauche keine Fotos zu machen, das arbeitet alles Zalando für uns ab."
Online-Handel bringt kurzfristige Liquidität
Die Kehrseite der Medaille: Retourenquoten bis zu 70 Prozent. Und Versand- und Retourenkosten trägt Jochen Ruths komplett. Eine Milchmädchenrechnung? "Ob wir damit Geld verdienen, wird sich erst mit der Zeit zeigen", sagt er. Auf jeden Fall habe es aber erstmal Liquidität gebracht. "Insofern war es eine Hilfe. Aber auf Dauer fühlen wir uns mit unserem Geschäftsmodell Beratung vor Ort, Kontakt mit den Kunden wesentlich wohler."
Wann dieser direkte Kontakt für Jochen Ruths und all die anderen Einzelhändler wieder möglich sein wird, weiß er nicht. Aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen wird er zunächst wieder maximal Click&Collect anbieten können.