Industriekonferenz in Berlin Habeck sieht Chance für Industriestrompreis bei 50:50
Wie kann die deutsche Industrie klimafreundlicher produzieren und dabei wettbewerbsfähig bleiben? Ein Baustein wäre ein günstigerer Strompreis für Unternehmen. Wirtschaftsminister Habeck, die Industrie und die IG Metall dringen darauf.
Vergangene Woche hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine neue Industriestrategie vorgestellt - heute trifft er Vertreter von Unternehmen und Gewerkschaften zur sechsten Industriekonferenz. Wichtige Themen sollen etwa die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, der Klimaschutz, die Versorgung mit Rohstoffen oder die Digitalisierung sein.
Zum Auftakt drangen Habeck, der Bund Deutscher Industrie (BDI) und die IG Metall auf einen schnellen Beschluss für einen verbilligten Strompreis der Betriebe. Habeck sagte, die Hängepartie sei schlecht für die Unternehmen: "Ich bin auch nicht zufrieden damit." Vielleicht würden die Beratungen über den Bundeshaushalt 2024, die nun auf die Zielgerade einbiegen, eine gewisse Klarheit schaffen. "Aber versprechen kann ich das auch nicht." Habeck bezifferte die Chancen, dass es einen Industriestrompreis gibt, erneut auf 50:50.
Die Regierungskoalition diskutiert bereits seit Monaten über einen verbilligten Strompreis für besonders energieintensive Industriezweige. Grüne und SPD-Fraktion sind dafür, die FDP dagegen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich wiederholt skeptisch.
IG Metall: Entscheidung ist überfällig
Der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Jürgen Kerner, kritisierte mit Blick auf im internationalen Vergleich hohe Strompreise, die Bundesregierung führe seit Monaten eine öffentliche Debatte über einen "Brückenstrompreis", ohne dass ein Ergebnis in Sicht wäre. Eine Entscheidung sei überfällig. "Wir nehmen heute schon wahr, dass in der energieintensiven Industrie Produktion verlagert und eingestellt wird", sagte Kerner.
Für einen günstigen Industriestrompreis hatte sich im Vorfeld der Konferenz auch die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi eingesetzt. "Ohne wettbewerbsfähige Energiepreise läuft die energieintensive Grundstoffindustrie gegen die Wand. Die Unternehmen brauchen jetzt Planungssicherheit. Deshalb muss die Bundesregierung endlich liefern und einen Brückenstrompreis einführen, bis die Erneuerbaren Energien massiv ausgebaut sind und die Strompreise von alleine wieder sinken", sagte Fahimi der Nachrichtenagentur dpa.
"Den Industriestandort resilient machen"
BDI-Präsident Siegfried Russwurm sagte, er biete der Bundesregierung die Zusammenarbeit bei der Industriestrategie an. Das Land müsse stark bleiben angesichts der derzeitigen Krisen und mit Blick auf die "drei D" - Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel.
Es gehe darum, den "Industriestandort Deutschland resilient zu machen" und zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Industrie sei "überfällig" gewesen. Gefordert sei jetzt die richtige Rahmensetzung und nicht kleinteilige Regulierungen.
Steuererleichterungen und Fördermittel für Investitionen
Habeck will Deutschland mit der neuen Strategie wieder als starken Industriestandort positionieren und "in seiner ganzen Vielfalt erhalten", wie er vergangene Woche erklärt hatte. Seinem Papier zufolge soll auch langfristig in Deutschland etwa Glas, Zement und Papier produziert werden. Der Grünen-Minister plädierte für Steuererleichterungen und Fördermittel für Unternehmensinvestitionen. Außerdem soll es Anreize geben für Menschen, die im Rentenalter weiter arbeiten möchten. Wer länger im Job bleibe, könne etwa den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung direkt ausbezahlt bekommen.
Streitthema Schuldenbremse
Die Schuldenbremse, auf die Finanzminister Christian Lindner pocht, stellte er in diesem Zusammenhang infrage. Es sei nötig, "zu überprüfen, ob die finanzpolitischen Spielregeln, die wir uns gegeben haben, noch zu dieser Zeit passen", sagte Habeck. Für diese Legislatur gelte zwar der Koalitionsvertrag inklusive der Schuldenbremse - man dürfe aber ja auch darüber hinaus denken.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach sich für eine Reform der Schuldenbremse aus. "Wer die Transformation der Industrie erfolgreich gestalten will, muss jetzt investieren - das gilt für öffentliche Haushalte wie die Privatwirtschaft", sagte DGB-Chefin Fahimi der dpa. Die Schuldenbremse werde dabei zunehmend zur Zukunftsbremse. Sie müsse endlich reformiert werden.