Eröffnung der "Gamescom" Computerspiele als Krisengewinner
Mehr als jeder Zweite spielt Computerspiele. Die Branche hat in der Corona-Krise einen gewaltigen Schub erlebt. Deutsche Entwickler profitieren bislang allerdings wenig von den Milliardenumsätzen.
Schon die nackten Zahlen sind beeindruckend: 30 Prozent Wachstum im Corona-Jahr 2020. In den ersten Monaten dieses Jahres kam ein weiteres Plus von 20 Prozent oben drauf. Sechs von zehn Deutschen spielen digital. Sie geben für Spiele und alles, was dazu gehört, etwa 4,6 Milliarden Euro aus. Der Umsatz der Computerspiele-Industrie ist damit größer als bei Film- und Musikbranche zusammen.
Deutschland wichtigster Markt in Europa
Trotzdem ist eine leichte Unzufriedenheit zu hören, wenn Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbandes game, diese Zahlen präsentiert: "Wir sind auf Platz fünf auf der Welt, was die Umsätze angeht. Der wichtigste Markt in Europa", so Falk. "Aber nur fünf Prozent der Umsätze landen am Ende auch bei deutschen Spiele-Entwicklern, es kommen also tatsächlich zu wenig Spiele aus Deutschland. Da müssen wir noch dran arbeiten."
"Es kommen zu wenig Spiele aus Deutschland" - game-Geschäftsführer Falk.
Die heute beginnende "Gamescom" sei da ein ganz wichtiger Faktor, so Falk. Denn die Spielemesse sei jedes Jahr der Moment, "wo alle nach Deutschland schauen".
"Gamescom" sieht sich als Vorreiter
Tatsächlich schauen zum zweiten Mal die Games-Fans vor allem ins Netz, denn Corona-bedingt findet die "Gamescom" nicht wie früher als Publikumsmesse in den Hallen der Kölner Messe statt, sondern ausschließlich im Internet. Damit fühlen sich die Organisatoren allerdings auch als Vorreiter - und die digitale Premiere im vergangenen Jahr scheint ihnen recht zu geben.
Statt in Besucherzahlen denkt Kölns Messe-Chef Oliver Frese jetzt in Reichweiten. 50 Millionen Menschen hätten bei der vergangenen Gamescom die digitalen Inhalte abgerufen, berichtet er. "Und alleine zwei Millionen Menschen haben sich gleichzeitig die rein digitale übertragene Eröffnungsshow angesehen." Dieses Jahr sollen es noch mehr werden, hoffen die Veranstalter.
Streaming als wichtiges Thema
Die "Gamescom" will gerade beim Thema Streaming Akzente setzen - denn inzwischen werden Spiele nicht mehr nur gespielt, sondern es gibt auch sehr viele, die anderen beim Spielen zuschauen wollen. Auf Online-Plattformen wie Twitch haben die Stars der Szene Millionen Menschen, die ihnen beim Spielen zusehen - und auch bei anderen Dingen.
So wird zur "Gamescom" in einem eigens aufgebauten Streaming-Studio nicht nur gespielt, sondern auch gekocht, Poker gespielt und ein Fußball-Turnier präsentiert. Bekannte Streamer wie Gronkh, Trymacs oder Papaplatte sollen aus dem 3000 Quadratmeter großem Studio heraus das "Gaming-Gefühl" in die Welt tragen.
Games als Phänomen der Alltagskultur
Es geht eben nicht mehr nur um Spiele - das machen Branchenvertreter wie Felix Falk sehr deutlich. Sie sehen Games als ein Phänomen, das die gesamte Alltagskultur erfasst: "Games sind überall präsent: zu Hause, am Arbeitsplatz, in den Schulen und im Gottesdienst", so Falk. "Es ist nicht mehr die Frage, ob wir das Potential von Games nutzen, sondern nur noch wie." So könnten sich 34 Prozent aller Deutschen vorstellen, einen Museumsbesuch auch über ein Computerspiel virtuell zu erleben, berichtet Falk von einer Umfrage seines Verbandes.
Gerade beim Thema Bildung habe die Corona-Krise deutlich gemacht, wie groß das noch ungenutzte Potenzial von digitalen Spielen sein könne, sagt Falk: "Im Elternhaus sind Vokabelspiele und ähnliches schon weitverbreitet, nur in den Schulen ist das noch nicht angekommen. Nur sieben Prozent derjenigen, die sich mit digitaler Bildung befassen, nutzen tatsächlich auch Spiele. Wir müssen dieses Potenzial nutzen, da es ja auch der Medienrealität der Kinder entspricht."
Internationale Branchengrößen
Ob deutsche Hersteller und Spiele-Entwickler diese Möglichkeiten nutzen können, hänge allerdings auch von den politischen Rahmenbedingungen ab. Die aktuelle Bundesregierung hat erst viele Jahre nach anderen Ländern eine Games-Förderung auf den Weg gebracht. Noch sind die Branchengrößen in anderen Ländern zu finden. Und auch die "Gamescom" orientiert sich stark global. Die meisten Shows und Streaming-Angebote finden auf Englisch statt, die Kölnmesse hat inzwischen auch chinesische Partner, um "Gamescom"-Inhalte auf diesem Markt anbieten zu können.
Und doch hofft Kölns Messe-Chef, dass trotz allem eine "Gamescom" mit Publikum in Köln irgendwann wieder möglich sein wird. "Es macht einfach mehr Spaß", sagt Frese und denkt dabei sicherlich auch an die Ticketverkäufe, die ihm beim rein digitalen Format entgehen.