Buhlen um Fachkräfte Biete Job mit iPad, Rückenschule, SUP
Wegen des Fachkräftemangels müssen sich manche Betriebe inzwischen viel einfallen lassen, um trotzdem Beschäftigte anzuwerben. Doch selbst Kreativität hilft nicht immer.
Von der Website der S&P Sahlmann Planungsgesellschaft gelangt man schnell zu den Jobangeboten des Unternehmens. Überschrieben sind sie mit "Willkommen in der Familie. Wir freuen uns, dass Sie ein Teil der S&P-Gruppe werden." Und dann folgt eine ganze Liste: Projektassistenz, Fassadengutachter, Bauleiter, Bauingenieur (mehrfach), Architekt (zweifach), Tragwerksplaner und viele mehr - jeweils mit dem Zusatz (m/w/d) versehen, also männlich, weiblich, divers. Das Bauplanungsunternehmen mit rund 400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sucht ständig neues Personal.
Früher Arbeitslosigkeit, heute "Kopfgeld"
Lange vorbei ist die Zeit, als sich solche Unternehmen vor Angeboten kaum retten konnten. Geschäftsführer Timo Jacob erinnert sich noch gut: "Circa 2002, 2003, da suchten wir jemanden fürs Sekretariat beziehungsweise die Assistenz, da konnten wir uns vor Bewerbungen kaum retten. Darunter waren viele Akademiker, vor allem Architekten. Wir bekamen auch ständig Initiativbewerbungen."
Das ist heute komplett anders. Heute müssen sich die Unternehmen um Arbeitskräfte bemühen. "Manche Firmen zahlen sogar eine Art Kopfgeld für neue Mitarbeiter", weiß Jacob. Da fließen schon mal einige Tausend Euro. Das mache er selbst nicht so - aber dass jemand aus der Belegschaft sich im Freundeskreis umhört, ob da irgendwer Lust hat, den Arbeitgeber zu wechseln: das werde gern gesehen. Jedenfalls ist seine Firma quasi im Dauereinsatz auf der Suche nach neuen Kolleginnen und Kollegen.
Freizeit- und Pausenspaß für die Belegschaft
Dabei ist es günstig, wenn man etwas vorzuzeigen hat, was eine gute Unternehmenskultur repräsentiert. Die Firma S&P Sahlmann liegt am Griebnitzsee in Potsdam-Babelsberg, da lockt es auch die Belegschaft mal ins Wasser. Paddelboote und SUP-Boards fürs Stehpaddeln hat die Firma eigens dafür angeschafft, ein Grill steht bereit, und eine Tischtennisplatte hilft, den Kopf frei zu kriegen.
Zweimal in der Woche kommt ein Physiotherapeut, berichtet Jacob. Dann gibt es Übungen und Massage - gut gegen zu langes Sitzen.
Je früher die Akquise, desto besser
Schon Neuntklässler und -klässlerinnen können bei den Planungsgesellschaft ein Praktikum machen. Damit ist häufig schon ein Grundstein gelegt für einen späteren Arbeitsvertrag. Betriebsangehörige besuchen Schulen, Fachhochschulen, Universitäten, um sich vorzustellen und für eine Beschäftigung zu werben.
Maria Kohlemann ist studentische Hilfskraft bei S&P, zugleich studiert sie an der FH Potsdam Bauingenieurwesen. Gut möglich, dass sie nach dem Studium ganz hierher kommt. Janis Tschöpel, 22 Jahre alt, hat gerade sein Bauingenieurszertifikat bekommen. Er hatte im Unternehmen eine Praktikumsarbeit gemacht, und auch für seine Diplomarbeit hat er viel Unterstützung bekommen: Da geht es um die Konstruktion von Holzdecken durch neuartige Baustoffe.
Tschöpel hat seinen Arbeitsvertrag schon unterschrieben. "Ich mache einen Handstandüberschlag, wenn solche Leute hier bei uns landen", sagt Jacob. Diejenigen, die quasi mit dem Unternehmen ihre Diplomarbeiten geschrieben hätten, seien dann auch bei ihnen geblieben.
Elektroroller und iPads für Auszubildene
Doch alle Anstrengungen bei der Anwerbung reichen nicht: Auch S&P musste schon Projekte ablehnen, weil das Unternehmen dafür nicht genug Mitarbeiter hatte. Mehr Werbung für die Handwerksberufe, für die Naturwissenschaften und Mathematik, gute Förderung für Migrantinnen und Migranten: Das alles müsse geschehen, so Jacob, um den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu verringern.
Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) weiß, wie sehr seine Mitgliedsfirmen um Personal kämpfen - auch angesichts zurückgehender Ausbildungszahlen. Wenn Auszubildende gewonnen wurden, dann gilt es, sie zu überzeugen, dabei zu bleiben. Eine Firma stellt Elektroroller bereit - für die oft erst 16-Jährigen, die noch kein Auto fahren dürfen. Auch ein iPad gehört immer häufiger zur Grundausstattung der Berufsanfänger und Anfängerinnen.
Erst bauen, dann lernen
Und so berichtet Jörg Friedrich, Leiter der Ausbildungsabteilung beim VDMA, dass die Form der Ausbildung verändert werde. In einigen Unternehmen bekommen die jungen Menschen erstmal ein Projekt, ohne dass sie viel können müssen. So hatten Mechatronik-Azubis die Aufgabe, innerhalb von sechs Wochen für ein Seniorenheim eine besonders große Fernbedienung für ein Radio herzustellen. Das ist lebensnah und zeigt, wie sinnvoll ihr Können ist.
Dennoch seien die Nöte groß, so Friedrich. 8000 Ausbildungsplätze blieben im letzten Jahr unbesetzt, auch weil Schülerpraktika oder Tage der Offenen Tür in Coronazeiten nur noch schwer möglich sind. Und seit Jahren ist es auch üblich, dass Firmen sich gegenseitig Mitarbeiter abjagen.
Sorge um das Betriebsklima
Also müssten sich die Arbeitgeber einfach viel mehr anstrengen, sagt Friedrich - auch um für ein gutes Betriebsklima zu sorgen. Wem es gut geht, der geht nicht weg.
Laut Kununu, dem Internetportal für die Beurteilung von Arbeitgebern, sind Beschäftigten die Möglichkeiten zum Arbeiten im Homeoffice, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Aber es spielen auch sogenannte "Benefits", also Zusatzleistungen, eine große Rolle - vor allem bei den Jüngeren.
Sie sollten der Diversität der Mitarbeiterschaft entsprechen, so Kununu-Chefin Nina Zimmermann: "Für den einen ist die Subventionierung des Fitnessstudios wichtig, für den anderen ein Mobilitätsbudget oder die Weiterbildungsmöglichkeiten."