Pläne des EU-Parlaments Mehr Gerechtigkeit beim Musikstreaming
Das EU-Parlament will das Musikstreaming reformieren. Ziel einer neuen Resolution ist es, die Verteilung der Einnahmen, die die Dienste generieren und an die Urheber ausschütten, zu verändern.
Ob Apple Music oder Spotify - es ist so einfach. Man bezahlt etwa zehn Euro im Monat - das Abo läuft im Hintergrund - und hört und hört. Und es ist ja auch bequem: Die Playlists bringen jedem Vielfalt ins Ohr. Scheinbar jedenfalls. Was im Hintergrund der Streamingdienste wirklich läuft - wie sie ihre Playlists zusammenstellen, so und nicht anders - ist Betriebsgeheimnis, bisher zumindest noch.
Ungerecht findet der Europaabgeordnete Niklas Nienaß, wie das Geld an die verteilt wird, die die Musik gemacht haben. Er hat den Entstehungsprozess der Resolutionen für die Grünen im Europaparlament begleitet.
Unterstützt wird sie von einer breiten Mehrheit von konservativ bis links: "Momentan wird das ganze Geld in einen Topf geschmissen und nach Streamingzahlen verteilt. Stattdessen wollen wir gucken - ähnlich, wie das früher mit den CDs lief -, was hört die einzelne Person? Und wenn die Person einmal im Monat nur einen einzelnen Song hört, dann ist dieses Lied der Person anscheinend doch zehn Euro wert, und dann kriegt der Künstler dafür auch seine zehn Euro."
Jetzt ist es anders, sagen die Europaabgeordneten, die den Musikstreamingmarkt verändern wollen. Wer zehn Euro Abo zahlt, aber nur einmal in der Woche hingebungsvoll einen Jazzpianisten mit einem langen Stück hört und sonst nichts, könnte nicht mit der eigentlich logischen Konsequenz rechnen - dass der Künstler dann nämlich auch einen großen Teil dieser zehn Euro überwiesen bekommt. Das sei jetzt nicht so - während kurze Popstückchen, die Tausende täglich dutzendfach hören, mit unverhältnismäßig üppigen Tantiemen rechnen könnten, heißt es.
Viele Urheber bekommen wegen zu wenig Klicks gar nichts
Tatsache sei, dass viele Urheber sogar gar nichts bekämen, weil sie weniger als 1.000 Mal im Jahr angeklickt werden. Quantität zählt - Qualität bleibt auf der Strecke, warnen die Europaabgeordneten.
Für den Parlamentarier Nienaß müsste in Zukunft auch klar sein, wie die beliebten Playlists zusammengebaut werden, die einzelne Songs natürlich deutlich aufwerten können: "Das ist ein komplettes Mysterium. Das wollen wir erst mal öffnen. Und dann auch noch eine Gerechtigkeit reinbringen: Das heißt, kleinere Künstler, europäische Musiker, regionale Musiker fördern, denen die Möglichkeit geben, auf den Plattformen gefunden zu werden, denn häufig gehen die einfach unter."
Bedeutet: Die Streaminganbieter sollen ihre Algorithmen öffnen. Angebote an die Urheber wie: "Du verzichtest auf einen Teil deiner Einnahmen und wir bringen dich dafür schneller auf eine Playlist" lehnt auch Christopher Annen, Musiker bei AnnenMayKantereit, ab, weil sie zu einem Verdrängungswettbewerb führen würden und weil nicht klar sei, ob Musiker dann wirklich schneller dort landen, wo sie hin wollen - oder am Ende doch wieder mit weniger Einnahmen dastehen.
Balbina Jagielska von der Akademie für populäre Musik Polyton sieht noch andere Nachteile durch die Songpolitik der Streamingdienste: "Wir kommen ohne Reformen in eine Zukunft, in der es keine Vielfalt mehr gilt, sondern nur eine Speerspitze, und das was bleibt, repräsentiert eben dann nur noch das Interesse der Plattformen, die die Musik einstellen. Qualitativ hochwertige Angebote wird es dann weniger geben."
Ein Prozent der Künstler erhält 90 Prozent der Einnahmen
Digitale Plattformen wie Apple Music oder Spotify halten bis zu 100 Millionen Songs und Instrumentalstücke abrufbereit. Rund zwei Drittel der jährlichen Einnahmen - weltweit gut 18 Milliarden Euro nach Angaben des Europaparlaments - werden mit Streaming verdient. Deutschland ist nach Großbritannien der größte europäische Markt für Streamingdienste. Ein Fünftel davon wird nach Angaben der Dienste an die Künstler ausgeschüttet, 90 Prozent davon gehen aber nur an ein Prozent der Musiker.
Die Streamingdienste kennen das Problem, verweisen aber auf eine durchdachte Strategie, die am Ende Kleinen und Großen helfen soll - und verweisen auf die Schwierigkeit von Alternativen, die dann wiederum an anderer Stelle Ungerechtigkeiten nach sich ziehen könnten. Gleichwohl sind sie offen für Debatten.
Das gilt auch für Matthias Hornschuh. Der Komponist ist Sprecher der Kreativen in der "Initiative Urheberrecht": "Die Streamingdienste haben verglichen mit der Zeit, in der es sie noch nicht gab, auch viele Vorteile. Aber sie müssen für die Urheber gerechtere Formen der Teilhabe bringen, die sich auch am Gebot der kulturellen Vielfalt orientiert und dafür sorgt, dass es viele unterschiedliche Musiker und Stilrichtungen auch in Zukunft gibt, die auch ihre Zuhörerschaft und ihr Auskommen finden."