Equal Pay Day Was tun gegen die Lohnlücke?
Kein gleicher Lohn trotz gleicher Arbeit: Darauf macht der Equal Pay Day aufmerksam. Frauen in Deutschland verdienen bei gleicher Stundenzahl und Tätigkeit im Durchschnitt sieben Prozent weniger als Männer.
Der männliche Kollege bekommt mehr Gehalt, obwohl er erst seit Kurzem im Unternehmen ist und in einer vergleichbaren Position arbeitet. Für viele Frauen in Deutschland ist das Realität, auch für viele Kundinnen von Karriere-Coach Tanja Herrmann-Hurtzig. Sie berät vor allem Führungskräfte, auch zu Gehaltsverhandlungen. "Häufig müssen Frauen sich noch mehr anstrengen, um auf das Karriere-Level der Männer zu kommen. Es ist einfach so, hinter den Kulissen. Und wenn sie dann das Gefühl haben, dass sie viel mehr geben, aber ein geringeres Gehalt bekommen, dann nagt das am Selbstbewusstsein."
Lohndifferenz liegt unbereinigt bei 18 Prozent
Herrmann-Hurtzig hat viele Jahre lang als Personalleiterin gearbeitet. Zu Beginn habe sie gedacht, einen Gender Pay Gap - also eine Lücke zwischen dem Lohn von Männern und Frauen - gebe es in ihrer Firma nicht. "Dann habe ich die Gehaltsdaten ausgewertet und gesehen, dass die Frauen wesentlich weniger bekommen haben als die Männer." Eine ernüchternde Erkenntnis sei das gewesen.
Der Equal Pay Day, zu Deutsch "Tag der gleichen Bezahlung", wird jedes Jahr neu festgelegt. Es ist der Tag, bis zu dem Frauen in einer Volkswirtschaft seit Jahresbeginn rein rechnerisch im Vergleich zu Männern unentgeltlich gearbeitet haben. Der Tag soll auf diesen Missstand aufmerksam machen. Seit Jahren tut sich wenig bei der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, das zeigen die Daten des statistischen Bundesamtes. 18 Prozent weniger haben Frauen 2022 pro Stunde brutto verdient. Das liegt auch daran, dass viele Frauen in schlechter bezahlten Berufen und häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten.
Klammert man diese Faktoren aus, also vergleicht man den Lohn von Männern und Frauen mit vergleichbarer Tätigkeit, haben Frauen 2022 immer noch sieben Prozent weniger verdient. Hier spricht man vom bereinigten Gender Pay Gap.
Pflege schlechter bezahlt als Industriejob
Für Yvonne Lott, Expertin für Arbeitszeit- und Genderforschung am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, ist der unbereinigte Gender Pay Gap jedoch der interessantere. Denn dieser spiegele wider, dass es eine strukturelle Unterbewertung von Berufen gebe, in denen vor allem Frauen arbeiten. "Jobs in der Pflege und Erziehung - also dort, wo viele Frauen tätig sind - werden schlechter bezahlt als Jobs in der Produktion, die eher von Männern dominiert sind", so Lott.
Lott hat für eine Untersuchung anlässlich des Equal Pay Day Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit für 2022 ausgewertet. Das Ergebnis: In 45 von 46 Branchen liegen Frauen bei der Bezahlung hinten. "Der Gender Pay Gap reicht von vier Prozent im Personen- und Güterverkehr bis zu 32 Prozent in der Rechts- und Steuerberatung", sagt Lott. Nur in den Postdiensten lag der Bruttostundenlohn der Frauen 2022 höher, nämlich um zwei Prozent.
Neues Gesetz stärkt Frauen den Rücken
Bislang haben sich nur wenige Frauen in Deutschland rechtlich gegen Ungleichbehandlung beim Lohn zur Wehr gesetzt, oft aus Angst vor Repressalien. Ihnen hat das Bundesarbeitsgericht nun den Rücken gestärkt. Unternehmen dürfen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht mehr mit "besserem Verhandlungsgeschick" des Mannes begründen, so das Urteil. Eine Frau hatte geklagt, als sie herausfand, dass sie weniger verdient als ihr direkter Kollege.
Für den Gelsenkirchener Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Arndt Kempgens ist es ein wegweisendes Urteil. "Dieses Urteil sagt klar: 'Arbeitgeber, ihr müsst in eure Gehaltsbücher gucken, ihr müsst die Ungleichbehandlung rechtfertigen.' Im Grunde genommen ist das eine Art Beweislastumkehr." Allerdings, so Kempgens, sollte man sich gut vorbereiten, bevor man seinen Arbeitgeber konfrontiert und konkrete Zahlen kennen. In vielen Unternehmen gibt es eine Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Arbeitsverträge. Hier könne man sich auch an den Betriebsrat wenden.
Verhandlungsgeschick gefragt
Für Coach Herrmann-Hurtzig wäre eine Klage trotz des neuen Urteils nicht das erste Mittel der Wahl, da diese das Vertrauensverhältnis nachhaltig schädigen könne. Die Ex-Personalerin erklärt sich das höhere Gehalt vieler Männer mit mehr Chuzpe beim Verhandeln. "Meine Erfahrung zeigt mir, dass viele Frauen sich tatsächlich unter Wert verkaufen im Vorstellungsgespräch, während viele Männer noch eine Schippe drauflegen."
Doch Verhandeln könne man lernen, und die Zeiten dafür seien gut: "In vielen Branchen können Bewerberinnen und Bewerber derzeit höher pokern, weil viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, gute Mitarbeiter zu finden."