Infrastruktur für E-Autos "Überangebot an Lademöglichkeiten"
Kommt der Ausbau der Lade-Infrastruktur für Elektroautos in Deutschland zu langsam voran? Der Branchenverband BDEW hält das derzeitige Angebot an öffentlichen Ladesäulen für mehr als ausreichend.
Nach Einschätzung des Branchenverbands Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) verfügt Deutschland aktuell über mehr als ausreichend Ladesäulen für Elektroautos. "Die gute Nachricht ist: Wir haben ein Überangebot an Lademöglichkeiten", sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae. Zum 1. Juli standen Fahrerinnen und Fahrern von Elektroautos nach einer Erhebung des Verbands 100.838 öffentliche Ladepunkte mit einer Leistung von insgesamt 4,5 Gigawatt zur Verfügung.
Die öffentlichen Ladepunkte waren laut BDEW im Durchschnitt zu 11,6 Prozent der Zeit belegt. Je nach Landkreis ergab sich demnach eine Belegung zwischen 3 und maximal 25 Prozent des Tages (über 24 Stunden). Selbst tagsüber, zwischen 9 und 20 Uhr, lag die durchschnittliche Belegung laut BDEW nie über 20 Prozent. Der Verband erhob diese Zahlen erstmals, weshalb ein Vergleich mit Vorjahreswerten nach Angaben des Verbands nicht möglich war.
Technologischer Sprung bei der Ladeleistung
Andreae wertete die Zahlen als Beleg dafür, dass das Ziel der Bundesregierung von einer Million öffentlich zugänglicher Ladepunkte bis 2030 technisch veraltet sei, da es "den technologischen Sprung bei der Ladeleistung" nicht einrechne. "Seit 2019 hat sich die Ladeleistung bei Fahrzeugen und Ladesäulen verdreifacht, und es können deutlich mehr Fahrzeuge je Ladesäule versorgt werden."
Es gebe keine Ausreden mehr, warum die Elektromobilität im Sinne der Klimaziele nicht stärker wachsen solle. Es brauche jetzt eine 15-Millionen-E-Auto-Strategie, die gezielt auf die Fahrzeugseite ausgerichtet sein sollte, forderte sie.
Vor kurzem hatte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, noch einen Mangel an öffentlichen Lademöglichkeiten beklagt. "Um das gesteckte Ziel zu erreichen, müsste die Ausbaugeschwindigkeit der letzten zwölf Monate etwa vervierfacht werden", hatte sie dem "Spiegel" gesagt.
Kaufprämie wird weiter heruntergefahren
Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos auf Deutschlands Straßen rollen. Dieses Ziel wird nach Einschätzung des Branchenexperten Stefan Bratzel "bei weitem" verfehlt. Es sei ein "Realitäts-Check notwendig", so der Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach kürzlich. Die politischen Ziele müssten mit den erforderlichen Maßnahmen in Einklang gebracht werden.
Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer geht davon aus, dass der Marktanteil der Batterieautos bei den Neuzulassungen ab September auf zwölf Prozent abrutscht. "Grund hierfür ist die chaotische Subventionspolitik des Bundeswirtschaftsministeriums." Der Prognose zufolge dürften dieses Jahr nur noch 440.000 Elektroautos zugelassen werden, 31.000 weniger als im Vorjahr. Auch die höheren Zinsen bremsten das Geschäft, weil Elektroautos stärker im Leasing genutzt werden. Die Zinsen machten derzeit 25 Prozent der Leasingraten aus, sagte der Leiter des CAR-Center Automotive Research.
Der Bund fördert den Kauf eines E-Autos im Moment noch mit bis zu 4.500 Euro. Ab 1. September bekommen gewerbliche Käufer keinen Zuschuss mehr. Sie machen zwei Drittel der Neuzulassungen aus. Ab kommenden Januar senkt der Bund den Zuschuss auf maximal 3000 Euro.