Rückzahlung von Corona-Hilfen Von der Finanznot wieder eingeholt
In der Pandemie zahlte der Staat vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen Hilfsgelder. Jetzt laufen die Fristen für die Rückzahlung aus - für viele neue existenzielle Probleme.
Wenn sie gewusst hätte, dass sie die Corona-Hilfen würde zurückzahlen müssen, dann hätte Marcella Manz sie vermutlich nie beantragt: "Es wurde anders kommuniziert, als es jetzt im Nachgang ausgelegt wird", sagt die Friseurin aus dem oberschwäbischen Weingarten. Wie sie gingen viele Selbstständige oder Inhaberinnen mit kleinem Geschäft und wenigen Angestellten im Jahr 2020 davon aus: Es gibt unverbindliche, schnelle und unbürokratische Hilfe. Jetzt soll sie 15.000 Euro zurückzahlen.
Muss eine Buchhändlerin dichtmachen?
In Baden-Württemberg ist gerade die Rückzahlungsfrist für Corona-Hilfen aus dem Jahr 2020 abgelaufen, in anderen Bundesländern ist sie teilweise noch einmal verlängert worden. Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise den 30.11.2023 zum Stichtag erklärt. Mit Hilfe einer Anwältin hat Friseurin Manz Einspruch gegen die Rückzahlung eingelegt. Notfalls, sagt sie, würde sie auch dagegen klagen.
Einer Buchhändlerin aus Mannheim droht sogar die Schließung: Wenn sie die Hilfen wirklich zurückzahlen soll, wisse sie nicht, ob sie ihren Laden überhaupt weiter betreiben könne, sagt Barbara Waldkirch im SWR. Nach der Zwangsschließung in der Pandemie stapelte sich im Jahr 2020 die gerade erst bestellte Ware - wie bei vielen Geschäften im ganzen Land. Als sie dann wenigstens aus dem Fenster heraus Bücher verkaufen durfte, brachte das vorübergehend Unterstützung durch die Kundschaft und so Erleichterung in der Pandemie. Doch ausgerechnet das könnte ihrem Laden nun zum Verhängnis werden.
Warum müssen die Hilfen zurückgezahlt werden?
Denn die Corona-Hilfen waren nur dafür gedacht, Insolvenzen zu verhindern. Haben Unternehmen in der Zeit Einnahmen erzielt, wurden diese nachträglich mit den Fördergeldern verrechnet. In dem Fall der Buchhändlerin haben die Einnahmen den Anspruch auf Förderung rückwirkend verringert. Die staatliche Unterstützung hatte sie aber zu diesem Zeitpunkt bereits bis zum letzten Cent ausgegeben.
Doch warum muss das Geld aus dem "Soforthilfeprogramm Corona" überhaupt zurückgezahlt werden? Hatte die Politik nicht ursprünglich schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen? Auf der Webseite des dafür zuständigen Wirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg hieß es damals: "Die Soforthilfe muss grundsätzlich nicht zurückbezahlt werden, soweit die relevanten Angaben im Antrag richtig und vollständig waren und wahrheitsgemäß gemacht wurden." Im nächsten Absatz heißt es aber auch: "Sollte sich der beantragte erwartete Liquiditätsengpass […] rückwirkend als zu hoch erwiesen haben, ist der entstandene Überschuss zurückzuzahlen."
Ein Drittel reagiert nicht auf Zahlungsforderung
Das Geld sei für Liquiditätsengpässe bestimmt gewesen. Geschäfte oder Selbstständige sollten es also nur verwenden, wenn vorübergehend die Zahlungsunfähigkeit drohte - nicht etwa für andere laufende Kosten, was gerade bei Selbstständigen schwer abzugrenzen ist. Außerdem sei klar gewesen, "dass die Programme weder geeignet waren, die wirtschaftlichen Auswirkungen vollständig abzufedern, noch die entstandenen persönlichen oder auch unternehmerischen Herausforderungen vollständig aufzuwiegen", sagt Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.
Allein in Baden-Württemberg wurden laut Ministerium rund 85.000 Unternehmerinnen und Selbstständige aufgefordert, die Corona-Hilfen zurückzuzahlen. Noch nicht einmal die Hälfte ist dieser Aufforderung nachgekommen, obwohl die Frist inzwischen abgelaufen ist. Gut ein Drittel hat sich gar nicht zurückgemeldet. Und 11.000 Betroffene haben den Zahlungen widersprochen, so wie Friseurin Manz.
Förderzeitraum hätte flexibler sein müssen
Von einer Irreführung will jedenfalls die Industrie- und Handelskammer nicht sprechen. Die IHK Heilbronn-Franken ist in Baden-Württemberg für das Thema zuständig. "Bereits zu Beginn des Programms wurde kommuniziert, dass es um die Förderung eines zunächst zu prognostizierenden und dann zu prüfenden Liquiditätsengpasses geht", heißt es auf Anfrage. Die Kammern hätten sich beim Wirtschaftsministerium dafür eingesetzt, dass die Corona-Hilfen möglichst spät zurückgezahlt werden müssen. Auch die Bundesregierung hatte die Fristen für die Abrechnung ihrer Überbrückungshilfe verlängert.
Was die Handelskammern aber nicht erreichen konnten: eine Flexibilisierung des Förderzeitraums. So hätten Unternehmen den Förderzeitraum genau auf tatsächliche Liquiditätsengpässe anpassen können und die Hilfen nicht mit Einnahmen verrechnen müssen. Für Friseurin Marcella Manz steht jedenfalls fest: Sollte es eine Notlage wie in der Pandemie noch einmal geben, dann würde sie keine staatliche Unterstützung mehr beantragen. Sie würde schauen, dass sie es irgendwie aus eigener Kraft schafft.