Gleisarbeiten werden auf der Riedbahnbaustelle am Bahnhof Gernsheim ausgeführt.

Marodes Schienennetz Bahn-Generalsanierung verzögert sich wohl um Jahre

Stand: 18.06.2025 13:13 Uhr

Bis Anfang der 2030er-Jahre wollte die Bahn Dutzende vielbefahrene Strecken umfassend sanieren. Aus Politik und Verbänden hieß es oft, der Zeitplan sei zu ambitioniert. Nun könnte die Sanierung deutlich länger dauern.

Die Modernisierung von rund 40 vielbefahrenen Bahnstrecken in Deutschland könnte deutlich länger dauern als bisher vorgesehen. Die Deutsche Bahn plant, sämtliche Projekte bis Mitte der 2030er-Jahre statt wie bisher Anfang des kommenden Jahrzehnts abzuschließen.

Die Zahl der jährlichen Korridorsanierungen will sie dafür reduzieren. Das geht aus einem Schreiben der für die Infrastruktur zuständigen Tochter DB InfraGo an andere Verkehrsunternehmen hervor, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. 

Karte Deutschland  mit den Bahnstrecken, die general saniert werden.

Diese Strecken werden in den kommenden Jahren generalsaniert.

Erst Mitte der 2030er-Jahre fertig?

Es sei wichtig, dass bei den sogenannten Generalsanierungen ein Gleichgewicht zwischen Kapazitätsbeschränkung, Leistungsfähigkeit der Bauindustrie und dringenden Investitionsbedarfen ins Flächennetz gewahrt werde, heißt es darin.

"In Absprache mit der neuen Bundesregierung planen wir daher die Anzahl der Generalsanierungen auf vier bis fünf pro Jahr anzupassen." Das bedeute, dass die Generalsanierungen erst Mitte der 2030er-Jahre abgeschlossen sein werden.

 

InfraGo erarbeitet anderen Plan

Derzeit erarbeite die InfraGo einen Anpassungsvorschlag, "der auch eine zeitliche Streckung der Korridore beinhalten kann". Über diesen Vorschlag werde mit der Bahnbranche, den Verbänden und Ländern beraten. Danach sollen weitere Gespräche mit dem Bund geführt werden, dem die finale Entscheidung obliege.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte dazu: "Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, schauen wir uns das Korridorsanierungskonzept genau an und schärfen wo nötig nach."

Vollsperrung und Sanierung von rund 40 Abschnitten

Die Modernisierung Dutzender stark befahrener Streckenkorridore gilt als zentraler Baustein, um das marode Schienennetz nach und nach wieder auf Vordermann zu bringen. Die Strecken werden dafür für jeweils rund sechs Monate vollgesperrt und rundum saniert.

Den Anfang machte im vergangenen Jahr die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. In diesem Jahr ist die Strecke zwischen Hamburg und Berlin dran. 

Zuletzt war geplant, im Jahr 2031 mit allen Strecken fertig zu sein. In den kommenden Jahren sollten bislang jährlich bis zu neun Strecken saniert werden - nicht alle so groß und komplex wie die Riedbahn oder Hamburg-Berlin.

Insbesondere die Union hat Zweifel am Zeitplan

Dennoch hatte insbesondere die Union schon früh Zweifel an dem Zeitplan geäußert. Schließlich bedeuten die Vollsperrungen monatelange und erhebliche Einschränkungen für Fahrgäste und den Gütertransport. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist vereinbart, das Konzept zu überprüfen und möglicherweise anzupassen. 

Auch die Wettbewerber der Deutschen Bahn im Güterverkehr hielten eine Überarbeitung für notwendig und den bisherigen Zeitplan für zu ambitioniert. "Die ursprüngliche Zielmarke 2030 war politisch motiviert, nicht fachlich - und ist an den Realitäten des Systems vorbeigeplant worden", sagt etwa Neele Wesseln, Geschäftsführerin des Verbands Die Güterbahnen.

Entsprechend positiv bewerten die Wettbewerber nun die Ankündigung der Bahn: "Die Verschiebung ist keine Niederlage, sondern eine notwendige Korrektur." Schon früh habe die Branche gewarnt, die Sanierungen einfach durchzuziehen, ohne Umleiterstrecken vorzubereiten und Layoutstandards umzusetzen. 

Ein Projekt der Ampel-Regierung

Die Generalsanierungen sind ein Projekt der alten Bundesregierung und insbesondere vom damaligen Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos). Mit der umfassenden Modernisierung der vielbefahrenen Strecken soll ein wichtiger Teil des maroden und überlasteten Schienennetzes nach und nach wieder fit gemacht werden.

Wissings Nachfolger im Amt, der CDU-Politiker Patrick Schnieder, will am Grundkonzept allerdings festhalten. "Gerade auf überlasteten Strecken besteht einfach Handlungsbedarf", sagte der neue Bundesverkehrsminister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Aber wir schauen genau hin, welche Auswirkungen es hat." Die Bahnkunden dürften nicht überfordert werden. Daher stelle sich die Frage, "ob bis zu neun Streckensanierungen in einem Jahr realistisch und sinnvoll sind".

Zunächst erhebliche Einschränkungen

Die Bahn hofft im Anschluss an die Arbeiten auf eine jahrelange Baufreiheit auf den Abschnitten. Das soll dazu beitragen, dass sich die mangelhafte Pünktlichkeit der Bahn verbessert und die Zuverlässigkeit auf der Schiene wieder zunimmt. 

Was langfristig also eine Verbesserung für die Fahrgäste bringen soll, bedeutet zunächst jedoch erhebliche Belastungen für Reisende und Eisenbahn-Unternehmen. Die Strecken werden für die Bauzeit jeweils über Monate voll gesperrt. Fern- und Güterverkehr werden mit deutlich längeren Fahrzeiten umgeleitet. Im Regionalverkehr fahren Ersatzbusse, die ebenfalls erheblich länger brauchen.

Generalsanierung langfristig im Interesse aller

Fahrgäste dürften gleichwohl ein Interesse daran haben, dass die Bahn bei der Sanierung des Netzes schnell vorankommt. Ein Großteil der hohen Verspätungsquote liegt an dem umfangreichen Baugeschehen auf dem maroden Netz. Mit jeder sanierten Strecke hofft die Bahn auf eine Verbesserung.

Schon bis 2027 will die Bahn im Fernverkehr wieder eine Pünktlichkeit von 75 bis 80 Prozent erreichen. Der Fahrgastverband Pro Bahn hat daran indes seine Zweifel: "Auch das ist ein ambitioniertes Ziel, bei dem ich den Realismus dahinter durchaus anzweifle", sagte der Bundesvorsitzende, Detlef Neuß.