Ausländische Lehrkräfte Keine Anerkennung, keine Anstellung
Sie haben ein abgeschlossenes Studium und mehrjährige Berufserfahrung. Trotzdem werden in Deutschland Tausende Lehrer aus dem Ausland nicht eingestellt.
Fadi Alnaamat-Scheer breitet einen Stapel Papier auf dem Tisch vor sich aus. "Bachelor in englischer Sprache und Literatur, Master in englischem Sprachunterricht, Master in Demographie und ein Diplom in Pädagogik. Sie sind alle anerkannt von der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen." Dazu weitere Zertifikate und fünf Jahre Berufserfahrung als Lehrer in seinem Herkunftsland Syrien.
Aber all das reicht nicht aus, um im Saarland an einer Schule Kinder im Fach Englisch zu unterrichten. Seine Abschlüsse sind nicht mit einem deutschen Lehramtsstudium gleichzusetzen, heißt es sinngemäß im negativen Anerkennungsbescheid des Bildungsministeriums. "Ich müsste noch einmal neu studieren. Das möchte ich eigentlich nicht", sagt der 33-Jährige.
Ein geringer Prozentsatz schafft es ins Lehramt
"Mit der Ablehnung der Anerkennung wird letztendlich den Lehrern signalisiert, dass das Studium in ihrem Land weniger wert ist", sagt Arianna Erario vom Leitungsteam des Bundesausschusses Migration, Antidiskriminierung, Diversity der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Von bundesweit rund 2500 Anträgen von zugewanderten Lehrkräften, die ihren Studienabschluss im Ausland erworben haben, werden pro Jahr nur etwa 500 anerkannt - also gerade einmal 20 Prozent, wie es in einer kürzlich veröffentlichten GEW-Studie heißt.
"Bei keinem anderen Beruf ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Anerkennung so gering wie beim Lehramt", erklärt Roman George, Referent für Bildungspolitik der GEW in Hessen und Autor der Studie. "In Gesundheitsberufen wird über die Hälfte der Abschlüsse sofort anerkannt. Negative Bescheide sind hier fast nicht vorhanden." Sachlich sei dies schwer zu begründen. Vieles hänge mit dem Bildungsföderalismus zusammen. Dabei haben EU-Bürger eigentlich einen Rechtsanspruch auf die Anerkennung ihres in einem anderen Land der Union erworbenen Berufsabschlusses, sofern er vergleichbar mit dem deutschen ist. Für Menschen aus Nicht-EU-Ländern ist die Lage schwieriger.
Laut der Studie müssen sich Lehrerinnen und Lehrer aus dem Ausland in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland auf besonders hohe Hürden einstellen. "Viele nördliche Bundesländer haben Konzepte entwickelt, um migrierten Lehrkräften den Berufseinstieg zu ermöglichen", erklärt der Studienautor. In Schleswig-Holstein beispielsweise gebe es das Qualifizierungsangebot "InterTeach", in Nordrhein-Westfalen "Lehrkräfte Plus".
Ein Studienfach reicht nicht aus
Fast überall gibt es eine Ein-Fach-Ausbildung für Lehrer. In Deutschland unterrichtet eine Lehrkraft zwei Schulfächer, manche haben sogar drei. Dieser Unterschied ist eines der größten Probleme. Neben seinen Abschlüssen bringt auch die Befähigung, Kinder mit Migrationshintergrund in Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten, Fadi Alnaamat-Scheer nicht weiter.
2019 hat sich der Damaszener selbstständig gemacht, seitdem arbeitet er als Sprachlehrer für Englisch und Deutsch für Migranten in verschiedenen Einrichtungen und als Sprachmittler bei der Polizei. "Mit Erwachsenen zu arbeiten macht mir Spaß. Aber ich wollte immer Kinder unterrichten. Das ist ein Teil von mir, meines Daseins. Momentan fühle ich mich unvollständig." Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland hat der 33-Jährige ehrenamtlich als Integrationslehrer an Schulen im Saarland gearbeitet. Laut der GEW-Studie arbeiten viele unterhalb ihres Qualifikationsniveaus und verdienen damit auch weitaus weniger.
Gewerkschaft fordert den Abbau von Hürden
Dazu wird in einigen Bundesländern sehr früh ein C2-Zertifikat verlangt, also Deutsch auf fast muttersprachlichem Niveau - teilweise schon bei der Antragsstellung. Das ist für viele nicht zu leisten, auch fehlt es an berufsbezogenen Sprachkursen. In der GEW-Studie wird außerdem bemängelt, dass die Behörden akribisch die erbrachten Studienleistungen prüften - anstatt mehr auf die Berufserfahrung zu achten. "Das wird teilweise als absurd wahrgenommen", sagt George.
Die Gewerkschaft fordert deshalb, dass Anträge wohlwollender geprüft werden und Betroffene Unterstützungsangebote bekommen. In den kommenden zehn Jahren rechnet sie mit einem Mangel von 250.000 Lehrkräften in Deutschland. Ausländische Lehrer könnten diesen zwar nicht allein ausgleichen, aber zumindest dazu beitragen. Außerdem seien diese Menschen Vorbilder und Brückenbauer, sagt die GEW-Expertin Erario: "Sie tragen mit ihren mehrsprachigen Biografien zur Gestaltung von inklusiven und interkulturell orientierten Bildungsprozessen bei. Und sie sind eine Lösung für mehr Teilhabe und Schulerfolg migrantischer Schüler."
Wie es für Fadi Alnaamat-Scheer weitergeht, weiß er noch nicht. In ein anderes Bundesland zu ziehen, kommt für ihn weniger in Frage. "Ich habe hier meine Freunde, ich fühle mich wohl. Ich fühle mich wie ein Saarländer. Ich bin hier zu Hause." Er hofft auf die Landtagswahl im kommenden März - und dass die nächste Regierung bessere Regelungen schafft.