Wirtschaftspläne der US-Republikaner "Deutliche Steuersenkungen für Unternehmen in Aussicht"
Auf dem Parteitag der US-Republikaner präsentierte sich J.D. Vance, Trumps Vize-Kandidat, als Vertreter der Arbeiter. Politikwissenschaftlerin von Daniels hält das für ein Wahlkampfmanöver. Profitieren dürften vor allem Unternehmen.
tagesschau.de: Es war zuletzt ein ungewohnter Anblick. J.D. Vance, Trumps Vize für die Präsidentschaftskandidatur, hat sich auf dem Parteitag der Republikaner fast als Arbeiterführer präsentiert. Erwartet uns ein Wandel in der US-Wirtschaftspolitik?
Laura von Daniels: Ich denke, das ist Wahlkampftaktik. Vance kommt zwar aus einfachen Verhältnissen aus dem Rust Belt, einer wirtschaftlich abgehängten Region in den USA, und er hat sich hochgearbeitet. Seine Karriere gründet aber im Silicon Valley, er wird unterstützt von superreichen Milliardären wie Peter Thiel und Co.
Auch was seine und Trumps bisherige Politik betrifft, gibt es wenige Hinweise, dass in Zukunft die wirtschaftlichen Interessen ärmerer Schichten besonders im Fokus stehen werden. Ich rechne mit einer Politik, die vor allem Erleichterungen für Unternehmen bringen wird.
tagesschau.de: Gleichzeitig war ja auch ein Gewerkschaftsführer vor Ort beim Parteitag der Republikaner. Ist das nicht paradox?
Von Daniels: Die Gewerkschaften sehen Trumps Politik auf der einen Seite sehr kritisch. Sie kritisieren Trumps Forderung nach fortgesetzten Steuersenkungen für besonders große Unternehmen und Menschen mit hohen Einkommen. Auf der anderen Seite halten sich die Gewerkschaften in Teilen etwas mehr, als man es erwarten könnte, zurück, weil sie durchaus mit der protektionistischen Linie mitgehen können.
Laura von Daniels leitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) die Forschungsgruppe Amerika. Sie ist spezialisiert auf die Themen Wirtschaft und Handel. Das SWP gehört zu den einflussreichsten deutschen Forschungseinrichtungen für außen- und sicherheitspolitische Fragen.
"Deutliche Steuersenkungen für Unternehmen in Aussicht"
tagesschau.de: Welchen wirtschaftspolitischen Kurs erwarten Sie von einem Team Trump/Vance?
Von Daniels: Wirtschaft spielt generell eine wichtige Rolle in diesem Wahlkampf. Trump wirbt massiv mit der Fortsetzung seiner Steuererleichterungen von 2017 für alle und damit auch für wohlhabende Privatleute.
Der amtierende demokratische US-Präsident Joe Biden will Steuererleichterungen für sie dagegen auslaufen lassen. Trump hat im Wahlkampf zudem weitere, deutliche Steuersenkungen für Unternehmen in Aussicht gestellt. Wie hoch genau, dazu hat er keine Zahlen genannt.
Unterstützung auch aus dem Silicon Valley
tagesschau.de: Vance hat sich in Sachen Steuererleichterungen für Großkonzerne in der Vergangenheit ambivalent gezeigt. Immer wieder kritisierte er Steuerschlupflöcher für große Unternehmen. Wird das Einfluss auf den Kurs haben?
Von Daniels: Ich nehme Trump und Vance wirtschaftspolitisch nicht so weit voneinander entfernt wahr, wie es manchmal wirkt. Was auffällt: Das Kandidatenduo wird finanziell massiv von Großkonzernen und inzwischen auch von den früher mal als links geltenden Digitalunternehmen im Silicon Valley unterstützt.
Ich denke, dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass bei einem Sieg Trumps eben jene 15 Prozent Mindestbesteuerung von besonders großen Unternehmen wie Google und Apple wieder abschafft werden, die der amtierende US-Präsident Joe Biden im Zuge des Inflation Reduction Acts eingeführt hat.
"Staatsausgaben könnten massiv ansteigen"
tagesschau.de: Wie sollen weitere Steuererleichterungen finanziert werden?
Von Daniels: Das ist ein guter Punkt. Der US-Think-Tank Brookings hat berechnet, dass alleine durch eine Verlängerung der Steuererleichterungen für Privatleute, wie Trump sie plant, die Staatsausgaben massiv ansteigen würden - um fast vier Billionen Dollar über die nächsten zehn Jahre.
Trump hat aber auch angekündigt, die Zölle auf chinesische Produkte zu erhöhen auf bis zu 60 Prozent und zudem auf mehr Warengruppen als jetzt. Aber das dürfte als Gegenfinanzierung nicht ausreichen.
tagesschau.de: Apropos Zölle: Auch Biden hat handelspolitisch protektionistisch agiert - etwa gegenüber China. Wo unterscheidet sich Trump von ihm?
Von Daniels: Biden war tatsächlich gegenüber China robust. Unter ihm galt allerdings die außenwirtschaftspolitische China-Maxime: "Small yard, high fence" (zu Deutsch: kleines Grundstück, hoher Zaun). Das heißt, dass nur kleine, klar definierte Sektoren durch Handelssanktionen abgeschottet wurden, dann aber sehr stark.
Das betrifft etwa Spitzentechnologien aus der Halbleiterindustrie. Da denke ich, dass Trump und Vance die Maßnahmen, die Biden eingeführt hat, übernehmen und vor allem ausweiten werden - etwa durch weitere Exportkontrollen oder das Verbot, in bestimmte Branchen in China zu investieren.
"Druck auf die westlichen Partner, mitzuziehen"
tagesschau.de: Was kommt da auf uns in Deutschland zu?
Von Daniels: Für uns hat das natürlich deutliche Folgen. Wenn ein US-Präsident handelspolitische Restriktionen, Export- oder Investitionskontrollen oder sogar Finanzsanktionen erlässt, gibt es Druck auf die westlichen Partner wie die Bundesregierung, mitzuziehen. Ich denke da nur an Huawei und das 5G-Netz.
Das könnte sich auch auf unsere handelspolitischen Beziehungen zu China und auf Investitionen auswirken. Die sollten allerdings auch aus eigenem europäischem Interesse auf den Prüfstand.
tagesschau.de: Einige deutsche Firmen haben zuletzt ihre Produktionsstätten in den USA ausgeweitet - können die sich in Sicherheit wiegen?
Von Daniels: Nein. Die Vorstellung, man könnte einigen Risiken entgehen, weil man vor Ort produziert - das ist ein Trugschluss. Wenn zum Beispiel die Autobauer in ihren Werken in den USA chinesische Vorprodukte verbauen, könnten schärfere Importbestimmungen für sie problematisch werden - und die Kosten massiv steigern.
Inflation Reduction Act "unter anderem Namen"
tagesschau.de: Wie geht es beim Inflation Reduction Act (IRA) weiter? Trump will als eine seiner ersten Amtshandlungen die darin vorgesehenen Energiesteuergutschriften abschaffen. Auf der anderen Seite hat der IRA wie es scheint, ja durchaus positive ökonomische Effekte.
Von Daniels: Es ist schon etwas paradox. Tatsächlich geht ein Großteil der IRA-Subventionen in Wahlbezirke, in denen republikanisch gewählt wird. Und erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das tatsächlich positiv auf Arbeitsplätze und die Wirtschaft auswirkt. Trotzdem ist die Zustimmung zu der Politik nicht so gut, wie sich das die Demokraten erhofft hatten.
Dennoch denke ich, dass Trump an einem ähnlichen industriepolitischen Projekt festhalten wird. Allerdings dann unter anderem Namen und dann nicht mit einem Fokus auf klimafreundliche Technologien, sondern auf fossile Energieträger und Co.
Das Interview führte Alina Leimbach, ARD-Finanzredaktion