Telekom-Markt EU-Kommission plant umstrittene Aufsichtsbehörde
Die EU-Kommission will den Wettbewerb in der Telekom-Branche mit neuen Auflagen beleben. So sollen die nationalen Aufsichtsbehörden Firmen künftig dazu zwingen können, ihre Netze von den damit angebotenen Diensten zu trennen. Die Kommission erhofft sich davon einen leichteren Marktzugang für neue Anbieter. Zugleich soll eine neue EU-Aufsichtsbehörde die Auflagen für die Telekom-Konzerne koordinieren. Die Kommission einigte sich damit auf ein entsprechendes Vorschlagspaket von EU-Medienkommissarin Reding.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Vivane Reding, die Medienkommissarin in Brüssel gilt als entschlossene Frau. Erst vor wenigen Monaten hatte sie unter Beweis gestellt, dass sie ihre Ziele ausgesprochen hartnäckig verfolgt.
Da ging es darum, die Handytarife für Auslandsgespräche zu senken. Die Verbraucher würden unnötig zur Kasse gebeten - davon war Reding überzeugt. Tatsächlich gelang es ihr, die Mobilfunkbetreiber zu verpflichten, ihre Tarife für Handygespräche im Ausland zu senken.
In der Telekom-Branche hat sich längst herumgesprochen, dass mit der EU-Kommissarin aus Luxemburg nicht gut Kirschen essen ist. Dementsprechend groß sind die Befürchtungen, dass sie ein weiteres Projekt ebenso unerbittlich durchsetzen wird - ein echtes Megaprojekt. Sie will den Telekom-Markt in den EU-Ländern unter Brüsseler Aufsicht stellen.
Telekom-Konzerne sollen Hoheit übere Netze verlieren
Die Pläne erinnern sehr an das, was zur Zeit für den Energiemarkt diskutiert wird. Um mehr Wettbewerb zu erreichen – und damit günstigere Preise für die Verbraucher – sollen die Netze organisatorisch von den angebotenen Dienstleistungen getrennt werden.
Die EU-Kommissarin will den Telekom-Konzernen in Europa die Hoheit über ihre Netze wegnehmen. Bisher stehen die Telekom-Märkte unter Aufsicht von nationalen Regulierungsbehörden. Sie entscheiden, unter welchen Bedingungen Konkurrenten der alteingesessenen Telekom-Konzerne – in unserem Fall der Deutschen Telekom – Zugang zu den Telekommunikationsnetzen bekommen.
Dabei hat Brüssel gerade Deutschland schon lange im Visier: vor allem wegen des neuen Breitbandnetzes VDSL der Telekom für superschnelles Internet. Die Bundesregierung hat per Gesetz festgelegt, dass die Deutsche Telekom über Jahre die Preise für den Netzzugang diktieren darf – und auf diese Weise ihre Investitionen in Höhe von drei Milliarden Euro wieder hereinholen kann.
Europäische Aufsichtsbehörde soll gesamten Markt regulieren
Der Medienkommissarin in Brüssel passt das gar nicht. Sie will eine europäische Aufsichtsbehörde installieren, die den gesamten Telekom-Markt in Europa reguliert. Kosten: 22 Millionen Euro im Jahr, unter anderem für die geplanten 110 Mitarbeiter.
Der Widerstand hat sich allerdings längst organisiert: Wer den Telekomkonzernen die Netze wegnimmt, der werde erleben, dass niemand mehr in die Modernisierung dieser Netze investiert, argumentieren die Kritiker. Auch die nationalen Regulierungsbehörden haben sich zu Wort gemeldet: Man brauche keine Superbehörde in Brüssel – schließlich habe die Senkung der Handy-Auslandsgebühren innerhalb der EU ja gerade erst gezeigt, dass es auch ohne eine solche Behörde funktioniere.
Kritik kommt auch von der Bundesregierung: In Deutschland und einigen anderen EU-Ländern will man von den Plänen nichts wissen, und die Zustimmung der EU-Länder braucht Medienkommissarin Reding. Insofern steht noch in den Sternen, ob sie sich auch dieses Mal durchsetzen wird.