KI-Boom Warum kauft Google jetzt Mini-Atomkraftwerke?
Um seinen rasant steigenden Energiebedarf zu decken, setzt Google auf Mini-Atomkraftwerke. Der hohe Stromverbrauch ist eine Schattenseite des KI-Booms - doch ist Atomenergie die einzige Lösung?
Was ist die Ausgangslage?
Die Alphabet-Tochter Google hat gestern nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen weltweit einen Vertrag mit dem Unternehmen Kairos Power über den Kauf von kleinen modularen Atom-Reaktoren unterzeichnet. Das erste Mini-Atomkraftwerk soll 2030 in Betrieb genommen werden, weitere sollen bis 2035 folgen. Insgesamt gehe es um sechs oder sieben Kraftwerke, sagte Google-Manager Michael Terrell der Financial Times.
Warum macht Google das?
Wie andere große Tech-Konzerne hat sich auch Google zur Klimaneutralität verpflichtet: Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß unterm Strich bei null liegen. Dessen ungeachtet waren die CO2-Emissionen des Konzerns zuletzt jedoch wieder gestiegen - allein im vergangenen Jahr um 13 Prozent. "Wir sind der Meinung, dass Kernenergie eine wichtige Rolle spielen kann, um unseren Bedarf rund um die Uhr auf saubere Weise zu decken", erklärte Michael Terrell, Senior Director für Energie und Klima bei Google.
Welche Rolle spielt dabei der KI-Boom?
Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) hat den Strombedarf der Technologiekonzerne drastisch in die Höhe getrieben. Der Betrieb der dafür nötigen Rechenzentren frisst Energie in bislang unbekannten Ausmaßen. Das zeigt allein schon das Beispiel ChatGPT: Eine Anfrage bei der KI-Maschine verbraucht 0,003 Kilowattstunden Energie - und damit rund zehn Mal so viel wie eine Google-Suche.
Dem Electric Power Research Institute zufolge könnten Datenzentren bis zum Ende des Jahrzehnts bis zu neun Prozent der gesamten Stromerzeugung der USA verbrauchen. Damit würde sich ihr Verbrauch mehr als verdoppeln. Schätzungen von Goldman Sachs fallen noch krasser aus: Laut Berechnungen der US-Investmentbank wird sich der Stromverbrauch von US-Rechenzentren zwischen 2023 und 2030 in etwa verdreifachen.
Wer ist Kairos Power?
Kairos Power ist ein US-Start-up mit Sitz in Alameda, Kalifornien. In Albuquerque, New Mexiko, betreibt Kairos zudem ein Forschungszentrum. Das 2016 gegründete Unternehmen entwickelt nach eigenen Angaben fortschrittliche Kernkrafttechnologien, um kostengünstige, sichere und saubere Energie im Kampf gegen den Klimawandel bereitzustellen.
Bislang hat Kairos allerdings noch keinen einzigen Reaktor in Betrieb genommen. Das Google-Mini-Atomkraftwerk, das 2030 an den Start gehen soll, wäre das erste seiner Art. Erst im vergangenen Jahr hatte Kairos die Genehmigung zum Bau eines ersten Testreaktors im US-Bundesstaat Tennessee bekommen.
Was ist das Besondere an den Kairos-Reaktoren?
Zum Kühlen seiner Mini-Reaktoren setzt Kairos Power nicht wie herkömmlicherweise auf Wasser, sondern auf flüssige Fluorid-Salze. Solche Flüssigsalzreaktoren (Liquid Fluoride Thorium Reactor, LFTR) werden auch als Kernreaktoren der "vierten Generation" bezeichnet; weltweit forschen daran zahlreiche Unternehmen.
Flüssigsalzreaktoren sollen nicht nur effizienter, sondern auch sicherer sein, argumentieren Befürworter. Das Salz würde nämlich bei einem Unfall verhärten - dadurch würde eine Kernschmelze unwahrscheinlicher. Zudem würde bei einem GAU der Druck im Inneren des Reaktors verhältnismäßig gering bleiben, wodurch das Sicherheitsrisiko deutlich verringert werden könne. Denn es ist die schlagartige Freisetzung des kontaminierten Wassers, die bei einem GAU in einem Druck- oder Siedewasserreaktor für die höchste Strahlenbelastung der Umgebung sorgt.
Ziel von Kairos Power ist es, mit seinen Kernreaktoren der "vierten Generation" auf dem US-amerikanischen Strommarkt preislich mit Erdgas konkurrenzfähig zu sein und eine langfristige Kostensenkung zu ermöglichen.
Ist Kernenergie wirklich "sauber"?
Ein Problem ist weltweit ungelöst: das der Atommüll-Entsorgung. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung weist darauf hin, dass zwar bei der Stromerzeugung durch Kernspaltung keine direkten CO2-Emissionen entstehen. Allerdings entstehen beim Betrieb langlebige und hochradioaktive Abfälle, zudem werden "entlang der kompletten Wertschöpfungskette (Uranabbau, Anreicherung, Transporte, Zwischen- und Endlagerung) sowie dem Bau und Rückbau des Kraftwerkes selbst CO2 emittiert".
Was machen die anderen Tech-Konzerne?
Auch andere Tech-Giganten wie Amazon und Microsoft setzen auf Kernenergie, um den wachsenden Energiebedarf ihrer KI-Rechenzentren zu decken und gleichzeitig ihre hochgesteckten Klimaziele zu erfüllen.
Erst Ende September war bekannt geworden, dass ein vor fünf Jahren stillgelegter Atomreaktor im US-Kraftwerk Three Mile Island wieder hochgefahren werden soll, um Rechenzentren des OpenAI-Partners Microsoft zu versorgen. Der Software-Riese sagte zu, die produzierte Energie 20 Jahre lang abzunehmen. Der Reaktor gehört dem US-Energiekonzern Constellation.
Gibt es Alternativen zur Kernenergie?
Tatsächlich sehen einige Branchenkenner und auch die Technologiekonzerne selbst in Atomenergie nicht die einzige Lösung, um den hohen Energiebedarf der KI-Rechenzentren zu decken. So investierte etwa jüngst Microsoft zusammen mit dem KI-Unternehmen G24 aus Dubai eine Milliarde Dollar in ein Azure-Rechenzentrum für Ostafrika in Kenia, das vollständig mit sauberer Energie aus Geothermie betrieben werden soll.
Und das grüne Energie-Start-up Exowatt zählt auch OpenAI-Chef Sam Altman zu seinen Investoren. Das Unternehmen verspricht, KI-Unternehmen mit modularen Solarsystemen zu beliefern, die nahezu kostenlos Energie bereitstellen. Dazu hat Exowatt Solarmodule in der Größe von Schiffscontainern entwickelt, die Sonnenenergie in Wärme umwandeln, welche wiederum bis zu 24 Stunden gespeichert werden kann.