EU-Staaten streiten über Entflechtung der Stromkonzerne Wettbewerb verzweifelt gesucht
Der Wettbewerb auf dem Energiemarkt funktioniert nicht, wie er sollte. Die EU-Kommission will den Stromerzeugern deshalb die Leitungsnetze wegnehmen, um mehr Konkurrenz zu schaffen. Doch die Bundesregierung ist gegen diesen Vorschlag. Heute wird in Luxemburg erneut verhandelt.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Strom und Gas sind zu teuer - zumindest teurer als nötig, davon ist die EU-Kommission in Brüssel überzeugt. Und sie meint auch einen Weg gefunden zu haben, daran etwas zu ändern: Mehr Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt soll dafür sorgen, dass die Preise fallen.
In Brüssel sieht man dabei vor allem ein Problem: Die Konkurrenten der großen Energiekonzerne in Deutschland, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, haben keinen wirklichen Zugang zum Strom- und Gasnetz - und deshalb wäre es das Beste, den Konzernen ihre Netze wegzunehmen. In anderen EU-Ländern, wie in Großbritannien und den Niederlanden, hat man das schon hinter sich. Und die Rechnung sei aufgegangen, argumentiert man in Brüssel.
Widerstand aus Berlin und Paris
Allerdings sehen das nicht alle so: Deutschland, Frankreich und eine handvoll anderer EU-Länder stemmen sich mit aller Macht dagegen, den Energiekonzernen ihre Versorgungsnetze wegzunehmen. "Ich bin schon der Meinung, dass die Entflechtung in manchen Ländern viel gebracht hat und den Wettbewerb befördert hat, aber nicht das einzige Allheilmittel ist", meint auch Angelika Niebler, CSU-Expertin für das Thema im Europa-Parlament.
Ihr Parteifreund, Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, wird heute in Luxemburg erneut für die deutsche Position kämpfen. Und er ist entschlossen, die Verhandlungen über die Öffnung des Strom- und Gasmarktes notfalls auch platzen zu lassen, wenn den deutschen Bedenken nicht Rechnung getragen wird.
Ein bisschen Ausgliederung
Das heißt: Deutschland besteht darauf, dass die Versorgungsnetze weiterhin Eigentum der Stromkonzerne bleiben dürfen. Man ist lediglich bereit, sie in einer mehr oder minder unabhängigen Gesellschaft aus dem Konzern auszugliedern. Wenn das nicht als gleichberechtigte Alternative zur Zerschlagung der Energiekonzerne akzeptiert wird, will Glos die Marktöffnung nicht mitmachen.
"Wenn kein Kompromiss gefunden wird, dann erreichen wir für die Verbraucher gar nichts", warnt die Europa-Abgeordnete Angelika Niebler. "Ich denke schon, dass die Bundesrepublik – genau so wie Frankreich – ein Interesse daran hat, ihre Stromkonzerne nicht tutti completti zu zerschlagen".
Konzerne reagieren
Das größte Problem der deutschen Verhandlungsposition ist, dass die Energiekonzerne ihrerseits der EU-Kommission schon angeboten haben, sich von ihren Netzen zu trennen. E.on würde sein Stromnetz verkaufen, um langfristigen Streit mit Brüssel zu vermeiden. Und RWE will sich von seinem Gasnetz trennen. Die Energiekonzerne haben die Bundesregierung also kalt im Regen stehen lassen. Wirtschaftsminister Glos wird man darauf heute am Verhandlungstisch sicherlich hinweisen.