Hintergrund

Griechenlands geplanter Anleihetausch So funktioniert der Schuldenschnitt

Stand: 08.03.2012 00:19 Uhr

Mit einem Tausch von Staatsanleihen gegen neue Papiere mit geringerem Wert will Griechenland den Schuldenschnitt organisieren. Ob sich genügend private Gläubiger daran beteiligen, entscheidet sich heute Abend. Doch was wäre die Alternative? Und was erwartet die Gläubiger? Ein Überblick von tagesschau.de.

Von David Rose, tagesschau.de

Ein zentrales Element bei der Rettung Griechenlands vor der drohenden Pleite ist ein Schuldenschnitt. Die privaten Gläubiger erklärten sich nach langen Verhandlungen bereit, der Regierung in Athen Schulden in Höhe von bis zu 107 Milliarden Euro zu erlassen. Dies soll in Form eines Tauschs von Staatsanleihen gegen neue Papiere mit geringerem Wert, längerer Laufzeit und niedrigerer Verzinsung geschehen. Jeder Gläubiger muss aber selbst entscheiden, ob er sich daran beteiligen will oder nicht. Den einzelnen Gläubigern wurde bis zum Abend des 8. März 2012 (21 Uhr MEZ) Zeit gegeben, um zu erklären, ob sie den angebotenen Tausch mitmachen und damit zum Schuldenerlass für Griechenland beitragen.

W. Landmesser, WDR Brüssel, 08.03.2012 07:00 Uhr

Schuldenschnitt könnte erzwungen werden

Nach Ablaufen der Frist gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten: Wenn genügend Gläubiger ihre Bereitschaft bekundet haben, kommt es zum freiwilligen Schuldenschnitt. Andernfalls will Griechenland einen Schuldenschnitt erzwingen. Das ist jedoch nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Falls sich dieser Schritt nicht durchsetzen lässt, wäre der Schuldenschnitt gescheitert. Damit entfiele auch die Voraussetzung für das zweite Rettungspaket der Euro-Staaten. Viele Experten fürchten für diesen Fall eine ungeordnete Insolvenz Griechenlands - also eine Staatspleite.

Die Regierung in Athen will den freiwilligen Schuldenschnitt durchführen, wenn mindestens 90 Prozent der privaten Gläubiger mitmachen. Bei Beteiligungsquoten zwischen 75 und 90 Prozent ist offen, ob es zum freiwilligen Anleihetausch oder zum erzwungenen Schuldenschnitt kommt. Falls weniger als 75 Prozent ihre Bereitschaft zum Anleihetausch erklären, will Griechenland den Schuldenerlass erzwingen. Das soll mit Hilfe von Umschuldungsklauseln geschehen (Collective Action Clauses, kurz CAC), die vor kurzem nachträglich per Gesetz beschlossen worden waren. Allerdings kommt diese Möglichkeit nur in Betracht, wenn mindestens 50 Prozent der Gläubiger überhaupt auf das Angebot des freiwilligen Anleihetauschs reagieren.

Ohne Zustimmung der Gläubiger geht nichts

Ein erzwungener Schuldenschnitt lässt sich nicht ohne Weiteres durchsetzen. Denn auch dafür ist die Unterstützung vieler Gläubiger erforderlich. Mindestens 50 Prozent von ihnen, genauer gesagt Vertreter von mindestens 50 Prozent der betroffenen griechischen Schulden, müssten sich am Votum beteiligen, ob der Schuldenerlass erzwungen werden soll. Bei dieser Abstimmung wäre wiederum die Unterstützung einer Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, um die anderen Gläubiger zum Mitmachen zwingen zu können. Sollten sich also deutlich weniger als 66 Prozent der privaten Gläubiger freiwillig am Anleihetausch beteiligen, wäre dies ein Indiz dafür, dass es Griechenland schwer haben dürfte, den Schuldenerlass durch die gesetzlich verankerten Umschuldungsklauseln herbeizuführen.

Darüber hinaus werden bei einem erzwungenen Schuldenschnitt voraussichtlich auch Kreditausfallversicherungen (CDS) fällig. Die ausstehenden CDS für griechische Staatsanleihen summieren sich aber nur noch auf etwa 2,5 Milliarden Euro. Die Folgewirkungen auf den Finanzmärkten wären nach Meinung von Experten daher überschaubar. Läge die Summe der fraglichen Kreditausfallversicherungen wesentlich höher, wäre eine Kettenreaktion zu befürchten gewesen.

Mehrere Papiere im Tausch gegen Staatsanleihen

Griechenland zeigte sich aber bis zuletzt optimistisch, dass der freiwillige Schuldenerlass von genügend Banken, Fonds und anderen Investoren mitgetragen wird, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. Das Angebot der Regierung in Athen sieht vor, dass die privaten Gläubiger formal auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Unter dem Strich sind es aber mehr als 70 Prozent, weil die im Zuge des geplanten Anleihetauschs ausgegebenen Papiere auch deutlich längere Laufzeiten und eine schlechtere Verzinsung haben. Allerdings besteht die Hoffnung, dass die Unterstützung durch den Euro-Rettungsschirm EFSF diesen Tausch attraktiver macht.

Im Zuge des Anleihetauschs sollen Gläubiger einerseits neue griechische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren erhalten. Es handelt sich genauer gesagt um ein ganzes Paket griechischer Anleihen, das im Tausch angeboten wird und deren Tilgung 2023 beginnen soll. Der Wert liegt bei 31,5 Prozent des Nennwerts der alten Papiere. Für die neuen Staatsanleihen ist bis 2042 eine durchschnittliche jährliche Verzinsung von 3,65 Prozent vorgesehen. Bis 2015 sollen es zunächst zwei Prozent sein, zwischen 2016 und 2020 drei Prozent, 2021 dann 3,65 Prozent und ab 2022 jedes Jahr 4,3 Prozent. Die eingetauschten alten Staatsanleihen waren jeweils höher verzinst.

EFSF-Unterstützung soll Gläubiger überzeugen

Neben den griechischen Staatsanleihen sollen Gläubiger die als sicher geltenden EFSF-Anleihen in Höhe von 15 Prozent ihrer Forderungen bekommen. Diese Papiere laufen nur ein oder zwei Jahre. Beide Wertpapiere zusammen summieren sich in ihrem Wert auf 46,5 Prozent des Geldes, das Griechenland den Gläubigern zurückzahlen müsste. Umgekehrt verzichten diese also auf 53,5 Prozent. Einen kleinen Teil dieser Verluste könnten sie aber noch durch ein drittes Element des Anleihetauschs zurückbekommen: Denn sie erhalten auch weitere Wertpapiere mit einer maximalen Verzinsung von einem Prozent pro Jahr. Diese Zahlungen fließen aber nur dann, wenn bestimmte Schwellenwerte beim Wirtschaftswachstum Griechenlands übertroffen werden. Derzeit steckt das Land in einer tiefen Rezession. Das vierte Element des Anleihetauschs sind neue Schuldverschreibungen im Gegenwert der aufgelaufenen Zinsen.