Widerstand gegen Brüssel EU-Staaten pochen auf Etat-Hoheit
Die EU-Kommission stößt auf erheblichen Widerstand mit ihrem Plan, die Haushalte der Mitgliedsstaaten strenger zu überwachen. Bundesaußenminister Westerwelle sieht darin einen Eingriff in die Etat-Hoheit. Bundeskanzlerin Merkel äußerte sich dagegen zustimmend.
In den EU-Staaten gibt es massiven Widerstand gegen den Plan von Währungskommissar Rehn, die nationalen Haushalte strenger zu kontrollieren. Unter anderem Frankreich und Deutschland sehen darin einen Eingriff in ihre Etat-Hoheit. Ob der Vorschlag eine Mehrheit im Europäischen Parlament und im EU-Rat findet, erscheint fraglich.
Die Idee ist nicht neu - schon früher hat die EU-Kommission versucht, Einfluss auf die nationalen Haushalte zu nehmen. Doch bis jetzt wurde das als Tabubruch abgelehnt. Auch Deutschland verwahrte sich dagegen, dass die Bundesregierung ihren Haushalt von Brüssel absegnen lassen soll. Angesichts der Griechenland-Krise startete die EU-Kommission einen neuen Vorstoß - mit dem Argumennt, die Trickserei im griechischen Haushalt wäre wahrscheinlich aufgeflogen, wenn Brüssel ihn hätte prüfen können.
Doch auch jetzt gibt es dagegen erbitterten Widerstand. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte: "Nicht die Europäische Union beschließt den deutschen Haushalt, sondern der Bundestag. Dort sitzen die Volksvertreter." Das Haushaltsrecht gehöre zum Kernbereich der Souveränität. Auch der Finanzexperte der FDP im Europaparlament, Alexander Alvaro, warnte vor einer Kräfteverschiebung. Eine stärkere fiskalische Kontrolle dürfe nicht auf Kosten der demokratischen Grundsätze durchgeboxt werden.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ruderte inzwischen zurück. Es sei kein Eingriff in das Budgetrecht geplant. Brüssel werde nach Prüfung der Haushalte nur Empfehlungen abgeben. Doch ob der Vorschlag eine Mehrheit im EU-Parlament und im EU-Rat findet, scheint fraglich. Verstimmung löste er jedenfalls über die Euro-Zone hinaus aus. Der schwedische Regierungschef Frederik Reinfeldt nannte es "befremdlich", dass sich auch sein Land der Haushaltskontrolle unterwerfen solle, obwohl es den Euro gar nicht eingeführt habe.
Merkel: "Schritt in die richtige Richtung"
In Deutschland bahnt sich offenbar Streit innerhalb der Koalition an. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich dezidiert anders als Westerwelle. Sie verwies darauf, dass die Etatpläne schon heute nicht geheim seien. Also könne die EU-Kommission sie auch einsehen, bevor die Parlamente darüber abstimmen. Das müsse man ja nicht gleich als Entmachtung interpretieren, so Merkel. Das Budgetrecht sei dadurch nicht in Frage gestellt. Insgesamt nannte sie die Vorschläge einen Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht ausreiche. Ein wirklich starker Stabilitätspakt sei im Rahmen der EU-Verträge nicht möglich - deshalb müssten die Verträge geändert werden.
Defizitverfahren gegen weitere vier EU-Staaten
Im Zusammenhang mit der Krise gab die EU-Kommission auch bekannt, dass sie gegen weitere vier Mitgliedsstaaten Defizitverfahren eingeleitet hat, weil ihre Neuverschuldung über der Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Es sind Bulgarien, Zypern, Dänemark und Finnland. Damit laufen solche Verfahren jetzt gegen 24 der 27 EU-Staaten, und es ist kürzer, diejenigen aufzuzählen, die noch keinen Verweis bekommen haben: Schweden, Luxemburg und Estland.
Der baltischen Republik bescheinigte die Kommission heute sogar, sie habe alle Kriterien für die Einführung des Euro erfüllt. Damit kann Estland im nächsten Jahr zum 17. Staat werden, in dem der Euro gilt.