EU-Gesetze sollen Finanzmärkte sicherer machen Ratingagenturen und Spekulanten im Visier
Die EU will die Schuldenkrise auch mit schärferen Gesetzen in den Griff bekommen. Ein Gesetzentwurf der EU-Kommission sieht deutliche Beschränkungen für Ratingagenturen vor. Zuvor hatte das Europaparlament bereits für eine Begrenzung der Spekulation auf Staatsanleihen gestimmt.
Die EU-Kommission nimmt sich die Ratingagenturen vor, die mit schlechteren Bonitätsnoten nach Auffassung der Politiker in der Schuldenkrise oftmals noch Öl ins Feuer gossen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier stellte im Parlament in Straßburg einen Entwurf zu schärferen Regeln für die Agenturen vor. Er zielt vor allem darauf ab, die Vormachtstellung der drei großen Marktführer aus den USA zu brechen. Moody's, Standard & Poor's und Fitch Ratings müssen danach auch kleineren Konkurrenten Platz machen. Für alle Agenturen sollen striktere Auflagen gelten, wenn sie ihre folgenreichen Bewertungen abgeben.
Um Ratings vergleichbar zu machen, will Brüssel der EU-Wertpapieraufsicht ESMA eine Kontrolle über die Methoden der Ratings ermöglichen. Ziel ist ein einheitlicher Kriterienkatalog für alle. Auftraggeber sollen zudem verpflichtet sein, alle drei Jahre die Ratingagentur zu wechseln, damit es keine "Gefälligkeitsratings" gibt. Für fehlerhafte Benotungen sollen Ratingagenturen erstmals haften: Investoren, die durch fehlerhafte Ratings Geld verloren haben, sollen gegen die Agenturen vor Gericht ziehen können. "Ratings haben einen direkten Einfluss auf die Märkte und die Wirtschaft und deshalb auch auf den Wohlstand europäischer Bürger", sagte Barnier. "Und Ratingagenturen haben in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht."
Die Branche läuft Sturm gegen die Pläne. Damit sie Gesetzeskraft erhalten, müssen die EU-Mitgliedsstaaten und das Europaparlament zustimmen. Dies dürfte nicht vor Ende 2012 der Fall sein.
Kein Benotungsverbot von Krisenstaaten
Nicht in den Entwurf aufgenommen wurde Barniers Idee, die Benotung von Ländern zu verbieten, die internationale Finanzhilfe erhalten, um zu verhindern, dass sich die Lage der Schuldenländer verschlimmert und Nervosität an den Märkten entsteht. "Wir brauchen mehr Zeit", sagte der Franzose. Es habe in der Kommission eine längere Debatte darüber gegeben. "Es war vielleicht ein bisschen zu innovativ", räumte er ein. Das Benotungsverbot sollte Euro-Länder schützen, die Kredite von den Europartnern oder dem Internationalen Währungsfonds erhalten und durch die Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit zusätzlich an den Finanzmärkten unter Druck geraten könnten. Derzeit wären das Griechenland, Irland oder Portugal. Der Vorschlag soll aber weiter geprüft werden.
Die drei weltweit führenden Ratingagenturen stehen seit langem in der Kritik. Seit Beginn der Euro-Schuldenkrise fordern immer mehr Politiker die Gründung einer europäischen Ratingagentur, um für mehr Wettbewerb zu sorgen und die Macht der etablierten Agenturen zu brechen. Für besonderen Ärger sorgte vergangene Woche die versehentliche Versendung einer Meldung von Standard & Poor's zur angeblichen Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs.
Parlament begrenzt Spekulation auf Staatsanleihen
Zuvor hatte das Europäische Parlament in Straßburg ein prinzipielles Verbot von schädlichen Spekulationen auf fallende Kurse von Staatsanleihen beschlossen. Die vom Parlament verabschiedete Verordnung beinhaltet auch ein Verbot ungedeckter Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Staatsanleihen. Mit den Wertpapieren konnten Anleger bisher auf ein wachsendes Pleiterisiko staatlicher Anleiheemittenten setzen, ohne die Anleihen besitzen zu müssen. Das Verbot kann von den nationalen Behörden jedoch aufgehoben werden, wenn es zu sinkender Nachfrage nach Staatsanleihen und steigenden Zinsen führen würde.
Das Europäische Parlament und Deutschland, das als erster EU-Staat im Alleingang wegen der Griechenland-Krise ungedeckte Leerverkäufe verbot, hatten für die Regelung gekämpft. Der Widerstand der anderen EU-Staaten dagegen war angesichts der immer schärferen Schuldenkrise geschwunden.
Die EU-Kommission hatte die Neuregelungen bereits im Oktober vorgestellt. Sie muss nun noch in den Ländern der Europäischen Union bestätigt werden. Beobachter rechnen aber damit, dass es dabei nicht zu Problemen kommen wird.