Versorgung in Großbritannien Jetzt gibt's wohl bald auch keine Äpfel mehr
Tomaten oder Paprika sind bereits knapp in britischen Supermärkten. Nun drohen auch die Äpfel rar zu werden - ein Obst, das im britischen Klima eigentlich prima gedeiht. Die Ursachen dafür sind komplex.
Nach Gemüse könnten in Großbritannien nach Einschätzung von Landwirten auch Äpfel und Birnen rar werden. Die Knappheit einiger Obst- und Gemüsesorten sei nur die "Spitze des Eisbergs", sagte der stellvertretende Präsident des Agrarverbandes NFU, Tom Bradshaw.
Äpfel und Birnen gedeihen im britischen Klima eigentlich prächtig. Doch für die heimischen Produzenten lohnt sich der Anbau nicht mehr. Viele machen unter anderem den Preisdruck der Supermärkte dafür verantwortlich, die ihrerseits versuchen, trotz der hohen Inflation in Großbritannien die Preise für ihre Kunden nicht zu sehr ansteigen zu lassen. "Einzelhändler tun alles, um die Kosten während dieser Krise der Lebenshaltungskosten gering zu halten", sagt Bradshaw. Landwirte und Züchter könnten es sich aber nicht mehr leisten, in die künftige Lebensmittelproduktion zu investieren.
330.000 Bäume statt einer Million
Die Zeitung "Guardian" hatte am Freitag berichtet, dass britische Landwirte nur ein Drittel der Apfel- und Birnbäume gepflanzt hätten, die nötig wären, um so viel Obst wie bisher zu produzieren. Demnach seien pro Jahr rund eine Million neuer Bäume nötig, um die derzeitige Produktionsfläche zu erhalten. Für dieses Jahr seien aber nur 330.000 Bäume bestellt worden.
Auch Ali Capper vom Handelsverband "British Apples & Pears" macht in erster Linie die großen Supermarktketten dafür verantwortlich. Die Kosten der Obstbauern seien um 23 Prozent gestiegen - unter anderem durch höhere Energiepreise. Dem stehe eine höhere Rendite von gerade mal einem Prozent gegenüber. "Die meisten Erzeuger verlieren Geld", sagte Capper dem "Guardian".
Laut Cappers Angaben legen viele Obstbauern Flächen still oder geben sie ganz auf. Einige weichen auch auf Weinanbau aus, womit sich bessere Preise erzielen lassen, berichtet der "Guardian".
Zu wenig für die Landwirte getan?
Einige Gemüsesorten wie Tomaten, Gurken und Paprika sind in Großbritannien bereits Mangelware, Supermärkte haben sie zum Teil rationiert. Die britische Regierung macht dafür die ungewöhnlich schlechten Wetterbedingungen in Anbauländern wie Spanien oder Marokko verantwortlich, erwartet aber, dass sich die Lage in einigen Wochen bessern wird.
Gemüse- und Obstproduzenten kommen zu einer deutlich pessimistischeren Prognose: "Tomaten, Paprika und Auberginen werden erst im Mai in großen Mengen erhältlich sein, also wird es länger als ein paar Wochen dauern", sagte Lee Stiles vom Erzeugerverband Lea Valley Growers Association (LVGA) der BBC zufolge. Es sei zu spät für britische Produzenten, um den Mangel auszugleichen. Dafür hätten sie früher anpflanzen müssen, sagte Stiles.
Tatsächlich sind die Ernten in Südeuropa und Nordafrika schlecht ausgefallen. Experten sehen aber auch eine deutliche Mitverantwortung der britischen Regierung. Justin King, Manager beim Einzelhändler Marks & Spencers, warf ihr vor, den britischen Gemüsebauern nicht bei den hohen Energiekosten geholfen zu haben, worauf diese besonders auf Importe gesetzt hätten.
Brexit - und der Frost in Marokko
King verwies zudem auf den EU-Austritt, der zu dem Problem beitrage. Auch andere Experten hatten wiederholt darauf hingewiesen. So fehlen dem Land etwa Erntehelfer, die vor dem Brexit aus anderen EU-Staaten gekommen waren. Zudem müsse sich Großbritannien wegen der gestiegen Kosten und der Bürokratie bei Importen nun "hinter der EU anstellen", bemerkten laut "Guardian" Importeure.
Brexit-Befürworter weisen dies jedoch zurück. "Wenn man mir bloß vor meinem Votum für den Brexit gesagt hätte, dass dadurch Frost in Marokko ausgelöst wird, dann hätte ich mich anders entscheiden können", spottete etwa der konservative Abgeordnete Desmond Swayne.
Ministerin empfiehlt: Rüben essen
Die für Lebensmittel zuständige Ministerin Therese Coffey empfahl den Briten angesichts des Importproblems die heimischen Spezialitäten wertzuschätzen. "Viele Leute würden jetzt Rüben essen und nicht notwendigerweise über Salat und Tomaten nachdenken", sagte sie. Eine Äußerung für die sie wiederum viel Spott erntete.
In Deutschland drohen nach Einschätzung der Regierung übrigens keine Engpässe wie in Großbritannien. Zwar gebe es Preissteigerungen, sagte eine Ministeriumssprecherin der "Rheinischen Post". Aber: "Die Versorgungslage in Deutschland mit frischen Obst und Gemüse ist gesichert."