Zahl der Geringverdiener gestiegen "Niedriglohn heute heißt niedrige Rente morgen"
Taxifahrer, Frisöre und Gastro-Angestellte: Ihr Verdienst liegt meist unter der Niedriglohngrenze, sie bekommen weniger als 10,36 Euro brutto pro Stunde. 2010 stieg laut Statistischem Bundesamt abermals der Anteil der Geringverdiener.
Von Lothar Lenz, WDR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet für einen Niedriglohn. Diesen Begriff verwenden die Statistiker, wenn ein Arbeitnehmer weniger als zwei Drittel dessen verdient, was im Durchschnitt an Arbeitseinkommen erzielt wird. 2010 lag diese Grenze zum Niedriglohn bei genau 10,36 Euro brutto pro Stunde.
Fast 90 Prozent der Taxifahrer sind Geringverdiener
Besonders groß ist der Anteil der Niedriglöhne im Taxigewerbe. Fast 90 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer zählen hier zu den Geringverdienern. Auch in der Frisör- und Kosmetikbranche, bei Gebäudereinigern und in der Gastronomie arbeiten die Beschäftigten überwiegend für Niedriglöhne
In Kinos, im Lebensmittelhandel und in Callcentern sind es noch mehr als zwei Drittel, die unterhalb der Niedriglohn-Grenze liegen. Je schlechter der Stundenlohn ist, desto unsicherer ist - statistisch gesehen - auch das Arbeitsverhältnis selbst. Bei den befristet Beschäftigten und bei Zeitarbeitern sind Niedriglöhne überdurchschnittlich stark verbreitet. Bei geringfügig Beschäftigten, wie Mini-Jobbern, sind sie praktisch die Regel.
Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes, nennt die Zahlen: "Teilzeitbeschäftigte verdienten im Schnitt 14,45 Euro, befristet Beschäftigte 12,06 Euro. Deutlich geringer waren die Stundenverdienste von Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern. Sie bekamen im Mittel einen Brutto-Stundenverdienst von gerade 8,91 Euro."
Schere zwischen schlecht und gut bezahlten Jobs geht auseinander
Der normale Arbeitnehmer in einem unbefristeten Vollzeit-Arbeitsverhältnis lag demgegenüber bei einem Brutto-Stundenlohn von im Schnitt 17,09 Euro. Die Statistiker stellten auch fest, dass die Schere zwischen Geringverdienern und gut bezahlten Berufen in Deutschland weiter auseinandergeht. An der Spitze der Einkommensskala liegen die Stundenlöhne inzwischen fast dreieinhalb Mal so hoch wie am unteren Ende.
Natürlich war es reiner Zufall, dass das Statistische Bundesamt diese Zahlen mitten in der Diskussion über Zuschussrente und die Perspektiven von Niedrigverdienern vorstellte. Auch würde sich der Präsident der Behörde nie zu einer öffentlichen politischen Stellungnahme oder Forderung hinreißen lassen. Trotzdem kann man die statistischen Erkenntnisse von Roderich Egeler so verstehen: "Niedriglohn heute bedeutet niedrige Rente morgen. Der staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge kommt deshalb auch für unterdurchschnittlich verdienende Beschäftigte eine besondere Bedeutung zu."
Branche | Niedriglohn- bezieher |
Beschäftigungsart normal |
atypisch |
---|---|---|---|
Taxi | 87,0 | 45,1 | 41,9 |
Frisör und Kosmetik | 85,6 | 59,7 | 25,9 |
Gebäude-/Straßenreinigung | 81,5 | 21,6 | 59,9 |
Gastronomie | 77,3 | 30,1 | 47,2 |
Wäscherei | 73,6 | 52,1 | 21,5 |
Kino | 73,5 | 14,2 | 59,3 |
Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln |
68,9 | 38,7 | 30,2 |
Callcenter | 68,1 | 36,7 | 31,5 |
Die Prozentangaben geben den Anteil der jeweiligen Beschäftigtengruppe an allen Beschäftigten im jeweiligen Wirtschaftszweig wieder. Bei den ausgewählten Branchen handelt es sich um die acht mit den höchsten Anteilen von Niedriglohnbeziehern (Quelle: Statistisches Bundesamt).
Nur klassische Arbeitnehmer berücksichtigt
Für ihre Untersuchungen zum Lohngefüge in Deutschland berücksichtigten die Statistiker nur klassische Arbeitnehmer. Rentner, die sich etwas hinzuverdienen, blieben bei der Auswertung ebenso außen vor wie Studenten, die neben dem BAföG noch einen Job als Einnahmequelle haben. Und weil Kleinunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten von Meldepflichten befreit sind, ebenso wie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, sind die hier gezahlten Stundenlöhne in der statistischen Auswertung gar nicht enthalten.
Die Fachleute des Statistischen Bundesamtes räumen ein, dass die Zahl der Niedriglöhner in Deutschland sonst noch etwas höher ausgefallen wäre.