Spitzentreffen zu E10-Chaos Nächste Ausfahrt: Benzin-Gipfel
Das Chaos um den E10-Sprit sorgt weiterhin für Ärger - auch im Kabinett bleibt vieles unklar. So zog Wirtschaftsminister Brüderle das Thema an sich, setzte für heute den "Benzin-Gipfel" an. Doch welche Rolle spielt eigentlich das Umweltressort? Keine, meinen SPD und Grüne. Sie werfen Umweltminister Röttgen Versagen vor.
Verunsicherte Autofahrer, irritierte Minister und gegenseitige Schuldzuweisungen - die Einführung des neuen Treibstoffs E10 ist ein Debakel. Ein Ausweg soll nun auf dem "Benzin-Gipfel" gefunden werden, der am Mittag begann.
Doch bereits vor dem Treffen stellte die Bundesregierung klar, dass sie auf jeden Fall grundsätzlich am neuen Sprit E10 festhalten will. Erneut gab dabei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle den Takt vor. Der FDP-Politiker sagte im rbb-Inforadio, die weitere Nutzung von Kraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen sei wünschenswert, auch im Sinne der Umwelt. Es könne aber sinnvoll sein, den Biosprit für eine "Atempause" auszusetzen, um in dieser Zeit die Autofahrer besser über E10 zu informieren, schränkte Brüderle im SWR ein.
Wer ist zuständig?
Brüderle war es auch, der die Mineralölwirtschaft und diverse Verbände zu dem Spitzentreffen in sein Ministerium eingeladen hatte. Der Minister räumte ein, dass die Verwirrung um die Verträglichkeit von E10 für Automotoren Vertrauen bei den Verbrauchern gekostet habe. Deshalb müsse die Kommunikation verbessert und die Akzeptanz des Biokraftstoffs erhöht werden.
Im Gegensatz zu Brüderle verpasste es Umweltminister Norbert Röttgen, bislang, sich zu dem brisanten Thema zu äußern. Der CDU-Politiker kam erst heute aus seinem Skiurlaub zurück - und nimmt gleich auch am Spitzentreffen bei Brüderle teil. Mit dabei sind auch Verbraucherministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer (beide CSU) sowie Automobilverbände, die Autoclubs ADAC und AvD, Verbände der Mineralölwirtschaft, die Bioethanol-Branche, der Bauernverband und die Verbraucherzentralen.
Röttgen versucht derweil, das Thema E10 wieder an sich zu reißen. Via "Bild"-Zeitung erhob er schwere Vorwürfe gegen die Mineralölkonzerne: "Die jetzige Aufregung hängt damit zusammen, dass die Wirtschaft nervös geworden ist, weil sie ihr eigenes Produkt zu schlecht vermarktet hat." Die Branche müsse beim Gipfel deutlich erklären, wie die Hersteller-Informationen verbessert und näher an den Kunden gebracht werden können. Grundsätzlich verteidigte der Umweltminister aber den neuen Sprit. Er sei "zuversichtlich, dass das entstandene Misstrauen beim Verbraucher wieder abgebaut werden kann".
Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, griff Röttgen scharf an. Der ehemalige Umweltminister sagte "Spiegel Online", Röttgen sei ein "Totalausfall", dieser sei "komplett abgetaucht und spielt keine Rolle". Das Problem in der aktuellen Situation aus Sicht Trittins: "Wir haben keinen Umweltminister." Dass der E10-Gipfel auf Initiative von Wirtschaftsminister Brüderle stattfinde, sei ein klares Zeichen. "Ein Minister, der sich so etwas wegnehmen lässt, hat innerlich schon abgedankt", sagte Trittin. "Offensichtlich ist Herrn Röttgen der Landesvorsitz der CDU in Nordrhein-Westfalen wichtiger als seine Amtspflichten."
Der Grünen-Politiker sagte weiter: "Dass sich Röttgen gegenüber dem Wirtschaftsminister nicht durchsetzen kann, hat man ja schon bei der Verlängerung der AKW-Laufzeiten erlebt."
Auch Röttgens Amtsvorgänger, SPD-Chef Sigmar Gabriel, betonte, keines der Argumente in der Diskussion sei neu. Auch die abzusehende Verunsicherung der Verbraucher hätte ihn 2008 bereits bewogen, die Einführung von E10 zu stoppen. Es sei klüger, "die Elektromobilität voranzutreiben, das Thema Wasserstoff weiter voranzubringen", so Gabriel bei MDR Info.
ADAC: "Den Schaden trägt der Autofahrer"
Mögliche Motorschäden durch E10 werden nach Einschätzung des ADAC an den Fahrzeughaltern hängen bleiben. "Den Schaden trägt der Autofahrer", sagte Maximilian Maurer vom ADAC dem Berliner "Tagesspiegel". Zwar könne man den Hersteller in die Haftung nehmen, wenn das Modell auf der Unbedenklichkeitsliste der Deutschen Automobil Treuhand steht. Aber der Geschädigte müsse nachweisen, dass der Schaden wirklich durch E10 angerichtet worden ist. "Man muss lückenlos nachweisen, dass man immer richtig getankt hat."
Einen sofortigen Stopp von E10 fordert der ADAC aber nicht. "Wenn wir alle gemeinsam jetzt die nötigen Schritte tun, müssen wir keinen Rückzieher machen", sagte der Leiter des ADAC-Technikzentrums, Reinhard Kolke, in der ARD. Stattdessen solle das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) allen Besitzern von Benzinern verbindlich mitteilen, ob ihr Auto den neuen Kraftstoff vertrage.
Auch der Bundesverband Verbraucherzentralen (vzbv) erklärte, die Autofahrer hätten "Anspruch auf eine absolut verlässliche und rechtssichere Auskunft". Diese müsse durch einen Brief des Kraftfahrt-Bundesamts direkt zugestellt werden. Das Bundesamt habe alle erforderlichen Daten über die Fahrzeuge.
Kraftfahrt-Bundesamt: keine Angaben zu E10-Verträglichkeit
Ein Brief aus Flensburg und alles ist klar? Daraus wird aber wohl nichts. Zur Auswirkung des Biosprits auf Automotoren könne seine Behörde keine Angaben machen, sagte der Präsident des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA), Ekhard Zink, dem "Flensburger Tageblatt". "Das neue Biobenzin gilt nicht als Prüfkraftstoff."