Spitzentreffen zu E10-Chaos Nächste Ausfahrt: Benzin-Gipfel
Heute also der Benzin-Gipfel: Nach der verzapften Einführung des Treibstoffs E10 suchen Politik und Vertreter der Auto- und Benzinbranche nach einem Ausweg aus dem Debakel. Die Forderungen reichen von "Weiter so" bis zum sofortigen Stopp. Die Erwartungen an das Spitzentreffen sind hoch.
Verunsicherte Autofahrer, irritierte Minister, ein verärgerter Koalitionspartner und gegenseitige Schuldzuweisungen - die verzapfte Einführung des neuen Treibstoffs E10 kann getrost als Debakel bezeichnet werden. Ein Ausweg soll nun auf dem so genannten Benzin-Gipfel gefunden werden, zu dem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle eilig eingeladen hatte. Das ist insofern pikant, als dass der FDP-Minister gar nicht zuständig ist. Doch Norbert Röttgen, Umweltminister, verpasste es offenbar, die Brisanz des Themas rechtzeitig zu erkennen.
CDU-Politiker Röttgen kommt erst heute aus seinem Skiurlaub zurück - und nimmt dann natürlich auch am Spitzentreffen bei Kabinettskollege Brüderle teil. Mit dabei sind auch Verbraucherministerin Ilse Aigner und Verkehrsminister Peter Ramsauer (beide CSU) sowie Automobilverbände wie ADAC und AvD, Verbände der Mineralölwirtschaft, die Bioethanol-Branche, der Bauernverband und die Verbraucherzentralen.
Röttgen gegen Verkaufsstopp
Im Vorfeld des Benzin-Gipfels machten die Beteiligten ihre Positionen klar. So kommt für Umweltminister Röttgen eigenen Angaben zufolge ein Verkaufsstopp nicht infrage. Der Benzin-Gipfel diene dazu, das Vertrauen der Verbraucher in die Einführung von E10 zu stärken, sagte Röttgens Sprecherin. Jetzt schon von Rücknahme oder Scheitern zu sprechen, sei verfrüht.
Stimmen aus FDP, CDU und CSU für Verkaufsstopp
"Wir werden der Verunsicherung bei den Verbrauchern sicher nicht dadurch beikommen, indem wir einfach das Kommando 'weiter so' ausgeben", sagte dagegen FDP-Fraktionsvize Patrick Döring. Er forderte einen Stopp von E10. Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner verlangte in der "Rheinischen Post", den Verkauf auszusetzen. Damit geht der Koalitionspartner deutlich auf Distanz zu Röttgen.
Der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs sowie der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europa-Parlament, Markus Ferber, forderten ebenfalls einen - mindestens vorläufigen - Stopp. Die EU verlange erst ab dem Jahr 2020 einer höhere Beimischung von Bioethanol. Öl- und Autoindustrie hätten neun Jahre Zeit, einen Sprit zu entwickeln, den jeder Motor vertrage.
Gabriel: Besser auf Wasserstoff setzen
Röttgens Amtsvorgänger, SPD-Chef Sigmar Gabriel, sagte dem Nachrichtenradio MDR Info, keines der Argumente in der Diskussion sei neu. Auch die abzusehende Verunsicherung der Verbraucher hätte ihn 2008 bereits bewogen, die Einführung von E10 zu stoppen. Es sei klüger, "die Elektromobilität voranzutreiben, das Thema Wasserstoff weiter voranzubringen", so Gabriel weiter.
ADAC: "Den Schaden trägt der Autofahrer"
Mögliche Motorschäden durch E10 werden nach Einschätzung des ADAC an den Fahrzeughaltern hängen bleiben. "Den Schaden trägt der Autofahrer", sagte Maximilian Maurer vom ADAC dem Berliner "Tagesspiegel". Zwar könne man den Hersteller in die Haftung nehmen, wenn das Modell auf der Unbedenklichkeitsliste der Deutschen Automobil Treuhand steht. Aber der Geschädigte müsse nachweisen, dass der Schaden wirklich durch E10 angerichtet worden ist. "Man muss lückenlos nachweisen, dass man immer richtig getankt hat."
Einen sofortigen Stopp von E10 fordert der ADAC aber nicht. "Wenn wir alle gemeinsam jetzt die nötigen Schritte tun, müssen wir keinen Rückzieher machen", sagte der Leiter des ADAC-Technikzentrums, Reinhard Kolke, in der ARD. Stattdessen solle das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) allen Besitzern von Benzinern verbindlich mitteilen, ob ihr Auto den neuen Kraftstoff vertrage.
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte, die Autofahrer hätten "Anspruch auf eine absolut verlässliche und rechtssichere Auskunft". Diese müsse durch einen Brief des Kraftfahrt-Bundesamt direkt zugestellt werden. Das Bundesamt habe alle erforderlichen Daten über die Fahrzeuge.
Kraftfahrt-Bundesamt: keine Angaben zu E10-Verträglichkeit
Ein Brief aus Flensburg und alles ist klar? Daraus wird aber wohl nichts. Zur Auswirkung des Biosprits auf Automotoren könne seine Behörde keine Angaben machen, sagte der Präsident des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA), Ekhard Zink, dem "Flensburger Tageblatt". "Das neue Biobenzin gilt nicht als Prüfkraftstoff." Die EU schreibe die Inhalte für die sogenannten Typgenehmigungsverfahren des KBA vor. Da E10 bisher aber bei allen Benzin-Fahrzeugtypen auf dieser Liste fehlt, habe das Kraftfahrt-Bundeamt auch keine Kenntnisse über die Verträglichkeit des Kraftstoffs.
Große Verwirrung über Risiken
Die Autofahrer sind erheblich verunsichert. Für zusätzliche Verwirrung sorgte am Wochenende ein Bericht der "Welt am Sonntag" über die Unbedenklichkeit des neuen Kraftstoffs E10. Angeblich soll E10 auch modernen Autos Probleme bereiten. Der BMW-Konzern hatte allerdings erst vor kurzem erklärt, dass E10 für alle BMW-Pkw unbedenklich sei. Lediglich einige ältere Modelle benötigten unabhängig vom Ethanolgehalt aufgrund der höheren Oktanzahl Super Plus.
E10 wird seit Beginn des Jahres in Deutschland angeboten. Damit soll der Ausstoß des Klimagases CO2 reduziert werden - trotz der Mahnung von Umweltverbänden, die glauben, dass die Klimabilanz von E10 sogar negativ ist. Viele verunsicherte Autofahrer tanken nun Super Plus, obwohl dieser Kraftstoff teurer ist. Wirtschaftsminister Brüderle betonte, E10 werde nur ein Erfolg, wenn die Verbraucher davon überzeugt seien, dass dies für ihr Fahrzeug der richtige Treibstoff sei.