Merkel verteidigt Vereinbarung mit Frankreich "Der Stabilitätspakt erhält deutlich mehr Biss"
Sechs Monate Gnadenfrist statt sofortiger Sanktionen für Defizitsünder, Stimmrechtsentzug bei Dauerverstößen: Bundeskanzlerin Merkel hat die in Europa, aber auch innerhalb der Koalition umstrittene Einigung mit Frankreich verteidigt. Doch vor dem EU-Gipfel kündigte Luxemburg bereits Widerstand an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Bundestag die Vereinbarung mit Frankreich zum EU-Stabilitätspakt verteidigt. "Es ist wahr: Eine deutsch-französische Einigung ist noch nicht alles in Europa", sagte sie in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel. Aber ohne eine deutsch-französische Einigung werde "vieles nichts". Die EU-Währungsunion müsse langfristig auf ein stabiles Fundament gestellt werden. Klar sei schon jetzt: Der Stabilitätspakt erhalte "deutlich mehr Biss". Der EU-Gipfel findet in dieser Woche in Brüssel statt.
Nach der von Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy präsentierten Einigung erhalten Länder, welche gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU verstoßen, eine sechsmonatige Gnadenfrist zur Korrektur ihres Defizits, bevor Sanktionen greifen. Deutschland und die EU-Kommission wollten Strafen ursprünglich von Anfang an. Hartnäckigen Defizitsündern soll künftig zudem das Stimmrecht im Ministerrat entzogen werden. Dazu müsste der EU-Vertrag allerdings geändert werden.
Die Kanzlerin betonte, dass sie mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP) einig sei, die Verträge zu ändern. Westerwelle hatte die Vereinbarung zunächst kritisch beurteilt. Ausgelöst wurde der koalitionsinterne Streit durch den Verzicht der Bundesregierung auf ihre bisherige Forderung nach automatischen Sanktionen gegen Staaten, die die Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten.
Luxemburg lehnt Stimmrechtsentzug für Defizitsünder ab
Luxemburg kündigte unterdessen an, auf dem EU-Gipfel seine Zustimmung für einen Stimmrechtsentzug für hartnäckige EU-Defizitsünder verweigern. "Um es klar zu sagen: Stimmrechtsentzug für Haushaltssünder ist kein gangbarer Weg und ich schließe in dieser Frage jede Änderung des EU-Vertrages aus", sagte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker der Zeitung "Die Welt". Da für eine Vertragsänderung ein einstimmiger Beschluss der 27 EU-Staaten nötig ist, droht die Bundesregierung mit ihrer Forderung zu scheitern, den Vertrag an dieser Stelle zu ändern.
Deutschland bestehe auf einer Vertragsänderung zur Bestrafung dauerhafter Defizitsünder in der EU, betonte Merkel nun erneut. Ohne diese Vertragsänderung werde Deutschland nicht dem Bericht der Arbeitsgruppe von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zustimmen. Der EU-Gipfel müsse den Ratspräsidenten ein klares Mandat geben, bis März 2011 Vorschläge für eine Vertragsänderung zu erarbeiten. "Ich sage für die Bundesregierung unmissverständlich: Für mich ist die Zustimmung zu dem Van-Rompuy-Bericht und ein präziser Auftrag an den Ratspräsidenten nicht voneinander zu trennen. Sie sind ein Paket", sagte Merkel.
Die Vorschläge der Task Force sähen drei Verbesserungen vor. Zum einen könnten Sanktionen schneller greifen. "Eine Sanktion kommt, wenn der Europäische Rat nicht mehr mit qualifizierter Mehrheit widerspricht." Das versteht auch die EU-Kommission unter automatischen Sanktionen. Zudem könnten künftig auch Staaten mit hohen Gesamtdefiziten belangt werden. Und drittens werde der Europäische Rat nicht mehr zuschauen, wenn EU-Staaten ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechterten. "Hier wird es künftig Sanktionen geben. Das ist ein völlig neuer Ansatz."