Satelliten-Navigationsprojekt Steuergelder sollen Galileo retten
Verkehrsminister Tiefensee hat vor einem Scheitern des Satelliten-Navigationsprojekts Galileo gewarnt. Nach einem Beschluss der EU-Verkehrsminister soll das ehrgeizige Vorhaben jetzt mit Steuergeldern gerettet werden. Wo die mindestens benötigten 2,4 Milliarden Euro herkommen sollen, ist allerdings noch unklar.
Galileo um jeden Preis: Mit Steuergeldern in Milliardenhöhe will die Europäische Union ihr angeschlagenes Prestigeprojekt retten. Gut einen Monat nach den gescheiterten Verhandlungen mit der Industrie gaben die 27 Fachminister in Luxemburg einem entsprechenden Vorschlag von Verkehrskommissar Jacques Barrot grünes Licht. Die Runde habe einstimmig beschlossen, Galileo in öffentlicher Regie zu bauen, sagte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, derzeit Vorsitzender des Ministerrats. "Wir brauchen die Expertise in dieser Technologie und wir brauchen die Arbeitsplätze, die in der Industrie entstehen können."
Kosten von zunächst 2,4 Milliarden Euro
Jetzt kommen auf den Steuerzahler Kosten von zunächst mindestens 2,4 Milliarden Euro zu. Galileo soll von 2012 an mit gut 30 Satelliten Autofahrern, Landwirten oder Rettungsdiensten eine metergenaue Ortung bieten und so dem US-System GPS Konkurrenz machen. Europas größtes Industrieprojekt stand vor dem Aus, nachdem ein Konsortium um den deutsch-französischen Raumfahrtkonzern EADS und indirekt die Deutsche Telekom aus Sorge vor unkalkulierbaren Risiken die Verhandlungen hatte platzen lassen. Ursprünglicher Starttermin war 2008, bis jetzt ist aber lediglich ein einziger Satellit im All. Wegen Streits unter den acht Firmen aus fünf Ländern sowie den Regierungen um den Sitz von Kontrollzentren gab es immer wieder Verzögerungen.
Allein die Satelliten zu bauen und ins All zu transportieren, soll gut vier Milliarden Euro kosten. Davon sind etwa 1,3 Milliarden Euro bereits im Haushalt eingestellt. Den Rest muss jetzt kurzfristig die öffentliche Hand aufbringen. Inklusive der ersten Betriebsphase bis 2030 dürften die Kosten bei gut zehn Milliarden Euro liegen, schätzen Experten.
Basissignal soll für Autofahrer kostenlos sein
Prognosen für die Rentabilität von Galileo gelten als unsicher. Experten warnen vor der Konkurrenz des künftig verbesserten GPS-Systems, das zahlreiche Dienste kostenlos anbieten werde, sowie vor den von den Russen und Chinesen geplanten Satelliten-Systemen. Erst kürzlich hat eine repräsentative Umfrage der EU-Kommission ergeben, dass nur 20 Prozent der Europäer ein solches System benutzen und nur 15 Prozent seine Anschaffung planen. Befürworter weisen darauf hin, dass Galileo ein ziviles System ist und Europa unabhängig vom GPS- System machen soll, das die USA aus Sicherheitsgründen jederzeit abschalten können. Tiefensee betonte, das Galileo-Basissignal für Autofahrer werde ebenfalls kostenlos sein.
Barrot kündigte an, die Kommission werde im Herbst konkrete Vorschläge zur Finanzierung machen. Tiefensee sagte, es seien alle Optionen offen. Denkbar seien der Weg über die Europäische Raumfahrtagentur Esa, Umschichtungen im EU-Haushalt oder direkte Zahlungen der Mitgliedstaaten. Auch eine Beteiligung der europäischen Industrie oder eine Kombination aus allem seien nicht ausgeschlossen. "Selbstverständlich haben die Mitgliedstaaten unterschiedliche Präferenzen", sagte er. "Wir sind im Einigungsprozess und es ist nicht ausgeschlossen, dass das Projekt noch scheitert."
Der Europaabgeordnete Markus Ferber warnte vor einer Mischfinanzierung oder direkten Zahlungen der EU-Staaten. "Wenn jetzt erst zusätzliches Geld eingesammelt werden muss, führt das nur zu Verteilungskämpfen und Mauscheleien nicht zuletzt bei den Auftragsrückflüssen", sagte der CSU-Politiker. "Solche Hahnenkämpfe würden nur weitere Verzögerungen nach sich ziehen." Auch dürfe das Europaparlament nicht übergangen werden, das bei Fragen des EU-Haushalts, nicht aber beispielsweise der Esa, mit entscheidet.