Streit über erlaubten Gen-Anteil EU führt europäisches Bio-Siegel ein
Die Vielfalt an Bio-Siegeln ist für den Verbraucher oft verwirrend. Ab 2009 wird es daher ein EU-weit gültiges Siegel geben. Die in Luxemburg beschlossene Regelung stößt jedoch auch auf Kritik. Nach Ansicht von Verbänden und Agrarpolitikern lässt sie zu hohe Anteile von Gentechnik-Spuren zu.
Mit einem neuen Bio-Siegel will die EU künftig länderübergreifend die Einhaltung von Mindeststandards bei ökologisch angebauten Lebensmitteln garantieren. Die EU-Agrarminister einigten sich in Luxemburg auf eine entsprechende Neufassung der EU-Öko-Verordnung. Ab 2009 soll das Logo Bio-Waren wie Obst oder Gemüse aus ökologischem Anbau sowie Fertigprodukte wie Kekse kennzeichnen, deren Inhaltsstoffe zu mindestens 95 Prozent biologisch hergestellt wurden.
Bundesagrarminister Horst Seehofer, derzeitiger Vorsitzender des Ministerrats, lobte den Kompromiss als "Quantensprung". Das Vorhaben ist allerdings umstritten. Die Vorgaben für das neue Siegel lassen nämlich auch Spuren gentechnisch veränderter Organismen in Lebensmitteln ausdrücklich zu. Agrarpolitiker und Verbraucherschützer hatten deshalb vor einer Verwässerung der Qualitätsstandards und einer Verunsicherung der Verbraucher gewarnt. Auch Bundestag und Bundesrat hatten Bedenken geäußert.
0,9 Prozent Gen-Anteil sind erlaubt
Zwar darf mit den neuen EU-Vorschriften auch künftig etwa kein Gen-Getreide ins Biomüsli. Eine "Verunreinigung", etwa durch Pollenflug von Feldern mit genmanipulierten Pflanzen, muss aber bis zu einer Höhe von 0,9 Prozent nicht auf der Verpackung gekennzeichnet werden. Das Europaparlament konnte sich mit der Forderung nach einem niedrigeren Schwellenwert von 0,1 Prozent nicht durchsetzen. Die EU-Regierungen lehnten dies ab, weil sie erhebliche Mehrkosten für die Öko-Industrie befürchteten.
Die Befürworter des neuen Siegels argumentieren, es ändere sich nichts an der geltenden EU-Rechtslage. So müssen seit 2004 Gen-Spuren auf Lebensmitteln bis zur Schwelle von 0,9 Prozent nicht gekennzeichnet werden - das gilt für konventionelle wie für Biolebensmittel.
Durch die neue Regelung ändert sich nach Ansicht der verbraucherpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulrike Höfken, jedoch noch mehr. Die bisherigen EU-Öko-Standards verschlechterten sich deutlich, da die "klaren Verbotsvorschriften beim Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide" aufgehoben würden. Zudem gebe es auch Änderungen bei den Kontrollen von Importwaren.
Was geschieht mit den alten Siegeln?
Bislang bestehende staatliche und private Bio-Siegel können auch mit Einführung des neuen EU-Siegels 2009 weiterverwendet werden - sofern sie die Mindestvorschriften der EU-Öko-Verordnung erfüllen. Kritiker fürchten allerdings, dass beispielsweise das bekannte deutsche sechseckige Logo vom Markt verdrängt wird. Bestehende Branchenzeichen von Ökolandbau-Verbänden wie Naturland oder Demeter werden um das EU-Logo ergänzt.