Finanzminister wollen Verfahren verschärfen EU stellt Deutschland ein Ultimatum beim Defizit
Die Finanzminister der Eurozone haben sich am Vorabend auf einer Sitzung des EU-Finanzministerrats für eine Verschärfung des Defizitverfahrens gegen Deutschland ausgesprochen. Mit einer Zustimmung im Rat wird allgemein gerechnet.
Von Christopher Plass, hr-Hörfunkkorrespondent, Brüssel
Beim letzten Mal, als über eine Verschärfung des Defizitverfahrens gegen Deutschland im Finanzministerrat abgestimmt wurde, gab es einen Riesen-Krach. Das war im November 2003. Der damalige Finanzminister Hans Eichel verhinderte im Schulterschluss mit den Franzosen, dass Deutschland an den Pranger gestellt wurde. Das Defizitverfahren wurde auf Eis gelegt, obwohl Deutschland wiederholt gegen das Drei-Prozent-Neuverschuldungskriterium des Maastricht-Vertrages verstoßen hatte. Die EU-Kommission, die das Verfahren verschärfen wollte, wurde kaltgestellt und war sauer.
Steinbrück und Almunia offenbar einig
Von diesen Zerwürfnissen, die bis vor den Europäischen Gerichtshof führten, ist heute keine Rede mehr. Der jetzige EU-Währungskommissar Joaquin Almunia und der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück haben zu einem Deal gefunden, den die anderen EU-Finanzminister einmütig billigen werden. Formal ist das eine Verschärfung, formal wird Deutschland nach Artikel 104,9 EU-Vertrag "unter Verzug" gesetzt. Aber der deutsche Finanzminister empfindet dies keinesfalls als Strafmaßnahme: "Im Gegenteil. Wir haben diese Lösung pro-aktiv mitgestaltet, die mich sehr befriedigt."
Deutschland wird zwar 2006 vermutlich zum fünften Mal in Folge bei der Neuverschuldung über drei Prozent liegen, aber dies wird gebilligt. Vorausgesetzt: die Bundesregierung kann in vier Monaten, Mitte Juli, glaubhaft nachweisen, dass dies das letzte Mal ist, so Währungskommissar Almunia: "Deutschland muss versichern, dass sein Budgetdefizit spätestens Ende 2007 unter drei Prozent liegt – und dieser Abbau muss auch nachhaltig sein."
2007 nur 2,5 % Neuverschuldung vorgesehen
Mit dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2007, der Mitte Juli vorgelegt werden muss, soll dieser Beweis angetreten werden. Steinbrück ist sich sicher, dass bereits eingeleitete wie auch noch geplante Maßnahmen die Einnahme- und Ausgabenseite des Haushalts so verändern werden, dass die Neuverschuldung unter drei Prozent bleiben kann. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Abbau von Subventionen sollen dafür sorgen, ebenso wie die Anhebung des Rentenbeitrages auf 19,9 Prozent: "Wir werden eher bei 2,5 Prozent landen als bei einem schlechteren Wert. Das ist alles unter Segel. Und wir haben einen Beitrag zur Glaubwürdigkeit des Stabilitäts-und Wachstumspaktes geliefert und Auseinandersetzungen verhindert", so der deutsche Finanzminister.
Finanzielle Sanktionen eher unwahrscheinlich
Die EU-Kommission wird sich diese Zahlen genau anschauen, ist aber optimistisch, dass die große Koalition in Berlin die Bedingungen erfüllen kann – und würde dies, so Kommissar Almunia, ihr auch sehr schnell bescheinigen. Wenn die deutschen Argumente im Sommer plausibel seien: "Dann haben wir in diesem Fall nach unseren Regularien die Möglichkeit, das Verfahren gleich wieder ruhen zu lassen."
Berlin müsste dann zwar regelmäßig berichten, wie die Haushaltskonsolidierung verläuft. Aber die ganz scharfen Brüsseler Waffen blieben im Schrank. Von regelrechten finanziellen Sanktionen gegen Deutschland spricht derzeit niemand. Die allerdings wären kaum zu vermeiden, wenn Deutschland allen Versprechen zum Trotz auch 2007 die Maastricht-Latte wieder reißen würde.