Prozess vor EU-Gericht in Luxemburg Microsoft: EU missachtet Wünsche der Verbraucher
Im Konflikt um EU-Sanktionen hat der Softwaregigant Microsoft den Brüsseler Wettbewerbshütern schwere Vorwürfe gemacht. Von den Verbrauchern werde die von der EU-Kommission verordnete Version des Betriebssystems Windows, die nicht das Abspielprogramm Media Player enthalte, nicht gewünscht, so ein Microsoft-Anwalt.
Im Wettbewerbsstreit mit der Europäischen Union hat der Microsoft-Konzern die Vorwürfe der EU-Kommission zurückgewiesen. Zum Auftakt der Verhandlung vor dem zweithöchsten EU-Gericht in Luxemburg sagte Microsoft-Anwalt Jean-Francois Bellis, der Konzern habe zu keiner Zeit seine Markt beherrschende Stellung missbraucht. Die EU-Kommission habe in ihrer Bewertung "ernsthafe Fehler" begangen.
Die Auflage der EU-Wettbewerbshüter an Microsoft, das Betriebssystem Windows XP auch ohne den Media Player anzubieten, sei zum Nachteil der Verbraucher. Brüssel verurteilte den Konzern im März 2004 zu einer Rekordstrafe von 497 Millionen Euro. Neben der Anpassung von Windows muss Microsoft den Auflagen zufolge auch Informationen an seine Konkurrenten preisgeben, damit diese eigene Mediensoftware mit Windows kompatibel machen können. Gegen die Entscheidung hat der Konzern Einspruch in Luxemburg eingelegt.
Microsoft: Niemand will Windows XP ohne Media Player
Dennoch hat Microsoft das Betriebssystem Windows XPN entwickelt, das den Media Player nicht beinhaltet. Laut Bellis wurde diese Version bislang aber lediglich 1787 Mal bestellt, was nur einem Bruchteil der insgesamt verkauften 35 Millionen Versionen von Microsoft entspreche. "Das Versäumnis, ein Produkt anzubieten, das niemand will, kann kein Missbrauch sein", sagte Bellis.
Gutachter David Evans verwies vor Gericht zudem auf den Erfolg der Produkte von Microsoft-Konkurrenten und nannte iTunes von Apple und den Flash Player von Macromedia. Anwalt Brad Smith warnte zudem vor der Auflage, Informationen an Konkurrenten weiterzugeben. Innovation sei für den Erfolg eines Unternehmens von besonderer Bedeutung.
EU-Kommission: Microsoft hat Auflagen nicht erfüllt
Nach Auffassung der EU-Kommission hat der Konzern die Auflagen bislang nicht erfüllt. Deshalb hat Brüssel Microsoft mit einem zusätzlichen Bußgeld von bis zu zwei Millionen Euro pro Tag rückwirkend bis zum 15. Dezember gedroht. Eine Entscheidung in dieser Frage ist aber noch nicht gefallen. Die EU-Kommission stützt ihre Erkenntnisse auf Informationen der Microsoft-Konkurrenten IBM, Novell, Oracle und Sun Microsystems.
Gefahr für Prestige der EU-Kommission?
Bislang wurden die Entscheidungen der EU-Kommission in Wettbewerbsfällen insgesamt drei Mal von Gerichten geändert. Eine weitere Niederlage der EU-Kommission würde ihrem Ansehen als Hüterin des Wettbewerbs in Europa nach Ansicht von Experten schweren Schaden zufügen. Ein Urteil des EU-Gerichts erster Instanz wird erst in mehreren Monaten, möglicherweise auch erst im nächsten Jahr erwartet.