Interview mit Energieexperte Peters "Der Verbraucher profitiert davon überhaupt nicht"
Die Abmahnung des Kartellamts gegen den Stromkonzern RWE ist zwar begrüßenswert, geht aber nicht weit genug. Das sagt der Energieexperte Aribert Peters gegenüber tagesschau.de. Denn nicht die Industrie-, sondern viel mehr die Privatkunden würden von den Stromerzeugern geschröpft.
Wegen zu hoher Strompreise für Industriekunden hat das Kartellamt RWE abgemahnt. Denn die Einbeziehung der kostenlos erhaltenen Emissionszertifikate in den Strompreis sei missbräuchlich. Der Experte Aribert Peters fordert gegenüber tagesschau.de auch Konsequenzen für Privatkunden. Peters ist Gründer und Vorsitzender des "Bunds der Energieverbraucher".
tagesschau.de: Wie bewerten Sie die Abmahnung des Bundeskartellamts gegen RWE?
Aribert Peters: Wir sind sehr erfreut darüber. Wir hätten allerdings auch gerne, dass das nicht nur bezüglich der Industriepreise Konsequenzen hat, sondern auch für die Strompreise privater Haushalte. Denn die sind ebenfalls von der Einrechnung der Emissionszertifikate betroffen. Außerdem sind Privatkunden sowieso schon stark benachteiligt gegenüber den Industriekunden, da sie höhere Preise zahlen müssen – auch im europäischen Vergleich. Und weiterhin ist auch die Steuerlast wesentlich höher als die von Industriekunden.
tagesschau.de: Könnten auch Privatkunden Schadensersatzklagen gegen die Erzeuger einreichen?
Peters: Die Strompreise für Privatkunden sind überhöht. Wenn das Kartellamt nun feststellt, dass die Einpreisung der Emissionszertifikate für welche Zwecke auch immer unrechtmäßig ist, dann ergibt sich daraus auch ein ziviler Rückforderungsanspruch für private Verbraucher.
tagesschau.de: Wieso können die Stromerzeuger die Emissionszertifikate in den Strompreis mit einbeziehen?
Peters: Die Stromwirtschaft hat die Emissionszertifikate umsonst bekommen. Und jetzt sagen sie, man könnte diese Zertifikate verkaufen und dafür Geld bekommen. Oder man nutzt diese Zertifikate, um Strom herzustellen. Wenn man dies aber tut, entfallen die Einnahmen aus dem Verkauf, so die Argumentation. Daher muss den Wert dieser Zertifikate - die es wie gesagt umsonst gab – in den Strompreis Eingang finden.
"15 Milliarden Euro extra für die Erzeuger"
tagesschau.de: Um wie viel ist der Strompreis denn zu hoch durch die Einberechnung der Emissionszertifikate?
Peters: Durch die Einpreisung der Zertifikate sind das etwa zwei bis drei Prozent pro Kilowattstunde. Das hat jüngst eine Studie der Universität Erlangen empirisch bestätigt.
tagesschau.de: Wie viel bringt das den Stromerzeugern an zusätzlichen Einnahmen?
Peters: Das lässt sich leicht errechnen aus der verkauften Strommenge: Das sind 500 Milliarden Kilowattstunden. Daraus ergeben sich etwa 15 Milliarden Euro extra pro Jahr für die Stromerzeuger.
"Bürger subventionieren Strom für die Industrie"
tagesschau.de: Wieso ist der Strom für Industriekunden schon jetzt so viel billiger?
Peters: Die Energieversorger meinen, dass die Industriekunden günstigen Strom brauchen – das ist auch unsere Meinung. Allerdings meinen wir, dass die Industrie den Strom teilweise unter Kosten bezieht – und dies ist natürlich nicht in Ordnung. Und auch sehen wir überhaupt keinen Grund, warum der Staat bei den privaten Kunden eine Steuer erhebt, die er bei der Industrie nicht erhebt. Das bedeutet ja, dass die Industrie indirekt über die Steuer subventioniert wird.
tagesschau.de: Könnten die Verbraucher denn auch indirekt davon profitieren, dass der Strompreis für energieintensive Industriebranchen möglicherweise sinkt?
Peters: Nein, davon profitiert der Verbraucher in keiner Weise.
Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de