Hintergrund

Hintergrund Was ist der Euro-Stabilitätspakt?

Stand: 25.08.2007 08:50 Uhr

Der EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt soll die Euro-Länder davon abhalten, zu viele Schulden zu machen. Dazu gaben sich die beteiligten Staaten 1996 Regeln, die nun geändert werden sollen. Was sagt der Pakt im Einzelnen? tagesschau.de hat die wichtigsten Vorschriften zusammengestellt. 

Die wichtigsten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes:

  • Neuverschuldung:

Die jährliche Neuverschuldung darf nicht mehr als 3,0 Prozent des BIP betragen.


  • Gesamtverschuldung:

Die Gesamtverschuldung eines Staates darf nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen.


  • Ausgeglichenes Budget:

Die Euro-Staaten streben mittelfristig ausgeglichene Haushalte an und legen dazu jährlich nationale Stabilitätsprogramme vor.


  • Frühwarnsystem:

Nähert sich das Defizit in einem Euro-Land der Drei-Prozent-Marke gibt es die Möglichkeit einer Vorwarnung ("blauer Brief").


  • Defizitverfahren:

Überschreitet ein Land mit seiner Neuverschuldung die Drei-Prozent-Marke, wird das so genannte Defizitverfahren eingeleitet. An dessen Ende können Geldstrafen von 0,2 bis 0,5 % des BIP stehen.

Die Regeln im Einzelnen

Im Maastricht-Vertrag von 1992 haben die EU-Staaten die so genannten Konvergenzkriterien festgelegt. Sie schreiben vor, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Land die Gemeinschaftswährung Euro einführen darf. In Schlagworten handelt es sich dabei um gesunde Staatsfinanzen, ein solides Preisniveau, stabile Wechselkurse und niedrige Zinsen in den einzelnen Euro-Staaten.

Neuverschuldung: Berüchtigte Drei-Prozent-Hürde

Die bekannteste Vorschrift des Maastricht-Vertrages ist die zur Neuverschuldung. Demnach darf die Nettokreditaufnahme nicht mehr als 3,0 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) betragen. Das Bruttoinlandsprodukt ist vereinfacht gesagt der Wert aller innerhalb eines Jahres produzierten Güter und Dienstleistungen in einem Land.

Gesamtverschuldung: Nicht mehr als 60 Prozent

Auch die zulässige Gesamtverschuldung ist in den Konvergenzkriterien festgelegt. So darf das Gesamtdefizit eines Staates 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen.

Die ebenfalls in Maastricht festgeschriebene Preisstabilität ist wie folgt definiert: Die Inflationsrate eines Landes darf maximal 1,5 Prozentpunkte über der Teuerungsrate jener drei Euro-Staaten liegen, die die niedrigsten Preissteigerungen aufweisen.

Ähnliches gilt für die Zinsen. Hier darf der Nominalzins eines Staats höchstens 2,0 Prozentpunkte über den Inflationsraten jener drei Euro-Staaten liegen, die die niedrigsten Preissteigerungen haben.

Stabilitäts- und Wachstumspakt

Diese Kriterien zum Eintritt in die Eurozone boten nach Überzeugung des damaligen Bundesfinanzministers Theo Waigel aber zu wenig Sicherheiten, die Gemeinschaftswährung auch nach dem Beitritt zur Euro-Zone stabil zu halten. Deshalb drängte die Bundesregierung darauf, Teile der Konvergenzkriterien (das Drei-Prozent-Kriterium und die zulässige Gesamtverschuldung. s.o.) auch über den Euro-Eintritt hinaus als Verpflichtung festzuschreiben. 1996 wurde dieses Anliegen in Dublin im Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbart.

Ausgeglichenes Budget

Zusätzlich kamen die EU-Mitglieder in Dublin überein, "mittelfristig" ausgeglichene Haushalte anzustreben. Ein ausgeglichener Haushalt im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bedeutet, dass sich Ausgaben und Einnahmen aller öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen) insgesamt ausgleichen. Ein ausgeglichener Haushalt wird demnach auch dann erreicht, wenn Defiziten in einem bestimmten Bereich entsprechende Überschüsse in einem anderen Bereich gegenüberstehen.

Ursprünglich sollten bis zum Jahr 2004 "nahezu" ausgeglichene Haushalte vorgelegt werden. Das Wörtchen "nahezu" bedeutet, dass eine Neuverschuldung von bis zu 0,5 Prozent toleriert würde. Dieses Ziel wurde mittlerweile aufgeweicht.

Frühwarnsystem: Der "blaue Brief"

Wesentlicher Bestandteil des Stabilitäts- und Wachstumpakts ist das Frühwarnsystem, mit dem Brüssel über Fehlentwicklungen eines Euro-Landes informiert. Nähert sich beispielsweise das Defizit eines Landes bedrohlich der Drei-Prozent-Marke, kann dem betreffenden Land ein "blauer Brief" zugestellt werden, in dem es aufgefordert wird, seinen Haushalt den Vorgaben anzupassen. Überschreitet ein Land tatsächlich die Drei-Prozent-Marke, wird das so genannte Defizitverfahren eingeleitet. In dessen Verlauf wird darüber entschieden, ob ein Strafmechanismus ausgelöst wird.

Defizitverfahren

In einem solchen Verfahren legt als erstes die EU-Kommission einen Bericht vor, in dem auch die Umstände der Verfehlung sowie die geplanten Gegenmaßnahmen der betroffenen Regierung berücksichtigt werden. Dabei besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass dem Mitgliedsstaat außergewöhnliche Umstände zugute gehalten werden, die für das Überschreiten der Drei-Prozent-Marke verantwortlich sind. Dazu gehören unter anderem Reformen der Rentensysteme oder Kosten für Europas Vereinigung.

Sanktionsmöglichkeiten des EU-Ministerrats

Auf dieser Grundlage entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten, ob und welche Empfehlungen dem Sünder erteilt werden. Erfolgt dann noch immer keine Besserung, können je nach Schwere des Verstoßes Geldstrafen von 0,2 Prozent bis zu 0,5 Prozent des BIP des betroffenen Landes verhängt werden.

Gemäß Artikel 104 des EU-Vertrages kann der EU-Ministerrat von Haushaltssündern auch verlangen, dass sie eine unverzinsliche Einlage in "angemessener Höhe" in Brüssel hinterlegen, bis das übermäßige Defizit korrigiert ist. Auch kann ein Staat aufgefordert werden, vor der Ausgabe von Schuldverschreibungen und sonstiger Wertpapiere zusätzliche Angaben zu veröffentlichen. Zudem kann die Europäische Investitionsbank ersucht werden, ihre Darlehenspolitik gegenüber einem Land zu überprüfen.

Im März 2005 einigten sich die EU-Finanzminister nach breiter Kritik am Stabilitätspakt auf eine Überarbeitung des Vertragswerks.