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EU-Länder im Vergleich Warum Deutschland beim Wachstum hinterherhinkt

Stand: 26.05.2023 14:39 Uhr

Während Deutschland in die Rezession gerutscht ist, läuft die Konjunktur anderswo in Europa besser. Manche EU-Staaten sind im ersten Quartal sogar gewachsen. Was sind die Gründe?

Von Bianca von der Au

Dass Deutschland im Winterhalbjahr in die Rezession gerutscht ist, hat es noch einmal besonders deutlich gemacht: Bei der wirtschaftliche Entwicklung hinkt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich hinterher. In den anderen großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union legte die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2023 zu.

In Spanien und Italien stieg das preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit einem Plus von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal am stärksten. In Frankreich nahm es mit 0,2 Prozent zumindest leicht zu, ebenso das BIP in der Europäischen Union insgesamt.

Tiefer Absturz, stärkere Erholung

Aus Sicht des Volkswirts Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung darf man solche Schwankungen über einzelne Quartale jedoch nicht überbewerten. Das seien Momentaufnahmen. Man dürfe auch nicht übersehen, wo die einzelnen Länder herkämen. Die Corona-Krise habe die Länder unterschiedlich tief in eine Rezession gestürzt, so Heinemann.

In Spanien beispielsweise brach das Wachstum 2020 um mehr als 11 Prozent ein, in Italien um fast neun Prozent. Dagegen ist Deutschland im ersten Corona-Jahr mit einem Minus von 3,7 Prozent noch vergleichsweise glimpflich davongekommen. "Länder, die tief abgestürzt sind, können sich in den Folgejahren auch stärker wieder erholen", sagte der ZEW-Experte gegenüber tagesschau.de.

Anfällig durch starke Industrie

Dennoch dürfe man die vom statistischen Bundesamt gestern revidierten Zahlen zum deutschen Wirtschaftswachstum auch nicht schönreden. Heinemann sieht das Minuszeichen, das nun vor dem ersten Quartal steht, auch als Warnsignal, das Schwächen der deutschen Wirtschaft offenbare. "Als stark industrielles Land, was lange Zeit eine Stärke war, hat Deutschland jetzt große Herausforderungen. Insbesondere mit Blick auf die Energie-Transformation", urteilt Heinemann. Anders als etwa Spanien, das nicht auf russisches Gas angewiesen war und stärker vom Tourismus-Sektor abhängig sei.

Ähnlich sieht es Stefan Kooths, Konjunkturchef beim Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Auch wenn für ihn die Zahlen fürs erste Quartal "bei näherer Betrachtung" nicht ganz so schlimm aussehen, hinke Deutschland bei der Überwindung der Krisen der vergangenen Jahre deutlich hinterher. Das liege auch daran, dass Deutschland einen deutlich größeren Industriesektor habe als andere EU-Länder und die monatelang gestörten Lieferketten noch immer sehr sensibel seien.

Standort-Schwächen als Belastung?

ZEW-Volkswirt Heinemann sieht zudem Schwächen des Standorts Deutschland, die das Wachstum bremsen. Etwa die zu hohe Steuerbelastung und die im internationalen Vergleich geringe Arbeits-Stundenzahl deutscher Arbeitnehmer. Beides müsse die Politik ernstnehmen und sehen, "dass Deutschland vielleicht andere Bedingungen bräuchte". Das Wachstum werde immer mehr dadurch geschwächt, dass die Unternehmen nicht genug Arbeitskräfte finden.

Konjunktur-Experte Timo Wollmershäuser vom ifo-Institut in München geht davon aus, dass die arbeitsfähige Bevölkerung in Deutschland ab 2025 sogar noch weiter abnimmt. Schon jetzt sei es so, dass Deutschland beim Produktionsfortschritt abfalle, so der ifo-Experte. Das hänge mit der Stagnation der Arbeitskräfte zusammen, aber auch damit, dass führende Technologien zunehmend in anderen Ländern entwickelt werden.

"Wir verbauen Technik, die in anderen Ländern hergestellt wird und müssen schauen, dass wir den Anschluss nicht verlieren," so der ifo-Konjunkturchef. Besonders die deutsche Schlüsselindustrie - die Autobranche - stehe unter Druck durch die Konkurrenz aus China und den USA. Auch mit Blick auf die Digitalisierung oder die jüngste Aufregung um das Geschäft mit Künstlicher Intelligenz stellt Wollmershäuser fest: "Das deutsche Modell steht massiv unter Druck."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Mai 2023 um 10:04 Uhr.