Dritter Rückgang in Folge Auftragspolster der deutschen Industrie schrumpft
Angeführt von der Autobranche hat die deutsche Industrie ihren Auftragsbestand zum dritten Mal in Folge reduziert. Trotz einer besseren Materialversorgung bleibt die Lage aber heikel.
Die Auftragspolster der deutschen Industrie ist im Mai den dritten Monat in Folge geschmolzen. Der Auftragsbestand im Verarbeitenden Gewerbe sank um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Während die offenen Aufträge aus dem Inland gegen den Trend um 0,3 Prozent zulegten, sanken die aus dem Ausland um 1,0 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat nahm das Polster um 3,3 Prozent ab.
"Der Speckgürtel wird erneut enger", kommentierte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "Die Gefahr nimmt zu, dass weitere Produktion heruntergefahren wird." Neben der schwachen Weltwirtschaft und steigenden Zinsen belasteten auch Wettbewerbsnachteile durch hohe Energiekosten.
Bestellungen in der Autobranche schneller abgearbeitet
Für den Rückgang sorgte im Mai insbesondere die Entwicklung in der Autobranche: Bei den Herstellern von Kraftwagen und Kraftwagenteilen sanken die Auftragsbestände um 2,6 Prozent zum Vormonat. Die Branche kämpfte lange Zeit mit Materialengpässen, etwa bei Halbleitern. Mit der besseren Versorgung können die Bestellungen nun schneller abgearbeitet werden, sie stauen sich dadurch nicht mehr so stark.
Auch im Maschinenbau gab es einen Rückgang, der mit 0,5 Prozent aber schwächer ausfiel, während es bei den Herstellern von Metallerzeugnissen ein Plus von 2,1 Prozent gab.
Abgenommen hat im Mai auch die Reichweite des Auftragsbestands: Sie liegt nun bei 7,2 Monaten, nach 7,3 im April. Die Reichweite gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Bestellungen theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Bestellungen abzuarbeiten. Bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen sank die Reichweite von 10,3 auf 10,1 Monate. Bei den Produzenten von Vorleistungsgütern - und Konsumgütern blieb sie mit 3,8 und 3,5 Monaten jeweils unverändert.
Lage in der Industrie weiter angespannt
Die Klagen der Industriebetriebe über Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten haben in den vergangenen Monaten deutlich abgenommen. Im Juni berichteten noch 31,9 Prozent über Engpässe, nach 35,3 Prozent im Mai, wie das ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. Das ist der niedrigste Wert seit mehr als zwei Jahren, auch wenn weiter knapp ein Drittel der Firmen über Materialknappheit klagt.
"Die Entspannung kann dem Stimmungsabschwung in der Industrie leider kaum etwas entgegensetzen", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, zur Entwicklung. "Aufträge können zwar schneller abgearbeitet werden, dennoch kommen im Moment zu wenige neu herein." Im Mai verzeichnete die Industrie zwar das größte Auftragsplus seit fast drei Jahren. Jedoch verdeutlicht der weniger schwankende Dreimonatsvergleich die weiterhin herausfordernde Lage: Von März bis Mai fielen die Aufträge um 6,1 Prozent niedriger aus als in den drei Monaten zuvor.
Die exportabhängige Industrie hat mit den weltweiten Zinsanstiegen zu kämpfen, mit denen Notenbanken die Inflation in den Griff bekommen wollen. Das verteuert Kredite für deutsche Exportschlager wie Fahrzeuge und Maschinen, was wiederum auf die Nachfrage drückt.