Trumps Wirtschaftspolitik "Ein grandioses Missverständnis"
Was kommt unter Präsident Trump auf die deutsche Wirtschaft zu? Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft rät vor allem zur Sachlichkeit. Trump versuche, eine Volkswirtschaft wie ein Unternehmen zu führen. Damit habe er etwas gründlich missverstanden.
tagesschau.de: "Make America great again" - mit diesem Versprechen hat US-Präsident Donald Trump die Wahl gewonnen. Er hat Steuersenkungen und ein Investitionsprogramm in Aussicht gestellt. Wagen wir doch mal eine Prognose, was wird er davon umsetzen können?
Stefan Kooths: Vermutlich wird er mit einer Unternehmenssteuerreform oder einem allgemeinen Steuersenkungsprogramm die wenigsten Probleme haben. Dafür braucht er die Mehrheit im Kongress, die er dafür mobilisieren könnte. Eine andere Frage ist, ob er auch seine sehr protektionistisch ausgelegten Ankündigungen so durchsetzen kann. Vermutlich kann Trump auch da erstmal einiges im Alleingang tun, aber dann werden hoffentlich auch die entsprechenden Vertreter aus seiner eigenen Partei mäßigend einwirken.
Stefan Kooths ist ein deutscher Ökonom und Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Kooths studierte und promovierte an der Universität Münster. Wissenschaftliche Gastaufenthalte führten ihn unter anderem an die California State Polytechnic University, Pomona und an die Université Panthéon-Assas. 2005 trat er in die Konjunkturabteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ein. 2010 wechselte er zum Institut für Weltwirtschaft. Kooths gilt als Experte auf dem Gebiet der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.
tagesschau.de: Unter der Regierung Obama war der Freihandel ein großes Thema. Unter Trump geht es um das, was Experten Protektionismus nennen - also den Schutz der inländischen Wirtschaft gegen ausländische Konkurrenz. Wird das Thema Freihandel nun für mindestens vier Jahre zu den Akten gelegt?
Kooths: Das wäre ein Desaster für die Weltwirtschaft. Denn dieser gesamte Politikansatz von Herrn Trump beruht auf einem grandiosen Missverständnis, dass man glaubt, eine Volkswirtschaft mit einem Unternehmen vergleichen zu können. Dann kommt sehr schnell der Trugschluss, als seien die Exporte die Erlösseite dieser Volkswirtschaft und die Importe so etwas wie die Kosten.
Das ist natürlich Unfug. Denn sowohl von den Exporten wie den Importen profitieren immer beide Seiten. Aber solange man in den USA nur auf den Außenhandelsseiten schaut, läuft man Gefahr, die Wertschöpfungsketten in der Weltwirtschaft, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben, wieder einzureißen. Und darunter werden alle leiden - auch die Vereinigten Staaten.
"US-Konsumenten werden am meisten leiden"
tagesschau.de: Einen Staat wie eine Firma führen, geht also nicht. Wer zahlt am Ende für einen solchen Wirtschaftskurs?
Kooths: Am Ende werden die amerikanischen Konsumenten am meisten darunter leiden. Und das ist zugleich das politökonomische Problem: Denn man kann sehr einfach vermeintlich gerettete Arbeitsplätze medienwirksam präsentieren. Das schleichende Gift, das man damit jedoch über die gesamte Volkswirtschaft verteilt, sind jedoch unnötig hohe Konsumentenpreise. Dieses Gift ist ist nicht so gut sichtbar, da es sich auf die große Masse verteilt. Zusammengenommen überwiegt es aber die vermeintlichen Vorteile. Von daher wäre es eine grundfalsche Politik für die Vereinigten Staaten. Insbesondere für diejenigen, die an der unteren Einkommensskala rangieren. Denn Untersuchungen zeigen, dass genau diese Konsumenten besonders vom weltweiten Freihandel profitieren.
tagesschau.de: Die USA sind der drittgrößte Wirtschaftspartner für deutsche Unternehmen. Wird sich dieser Platz halten lassen?
Kooths: Das wird sich zeigen. Die USA sollten jetzt vor allem die Wertschöpfungsketten im Blick behalten. Die lassen sich nicht an präventiven bilateralen Außenhandelsseiten festmachen. Das ist ein komplizierteres Geflecht. Ich denke, dass die deutsche Wirtschaft gut beraten ist, diese Fakten immer wieder in den Vordergrund zu rücken. Dann wird das auch den Einfluss auf die amerikanische Politik nicht verfehlen.
tagesschau.de: Was würden die deutschen Unternehmen also konkret raten? Fakten nach vorne stellen?
Kooths: So ist es. Insbesondere ist es nicht ratsam, sich jetzt anzubiedern und bei diesem protektionistischen Kurs mitzumachen, indem man sich gewissermaßen mit dieser Politik gemein macht und medienwirksam ankündigt, wie viele Arbeitsplätze man nun doch auf Weisung von Herrn Trump in die Vereinigten Staaten verlegt hat. Das ist viel zu kurz gegriffen und ist nicht im Interesse der deutschen Industrie - auch nicht im Sinne der amerikanischen Industrie. Von daher sollte man eine gewisse Distanz wahren und sich nicht vereinnahmen lassen, durch eine neo-protektionistische Politik.
Das Interview führte Jan Malte Andresen, tagesschau 24