Experten kontrollieren erneut griechischen Haushalt "Erst im Herbst werden die Leute die Realität erkennen"
Griechenland unter Dauerbeobachtung: Erneut kontrollieren internationale Experten, ob sich das Land an die Auflagen zur Haushaltssanierung hält. Doch die Kritik am Sparzwang reißt nicht ab - und noch hätten die meisten Griechen gar nicht begriffen, was ihnen bevorsteht, meinen Gewerkschafter.
Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Wenn in Griechenland über die Kontrolleure der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds IWF gesprochen wird, ist meistens nur von der Troika die Rede. Experten dieser Dreiergruppe prüfen ab heute wieder die Statistiken der griechischen Regierung. Sie sind nicht besonders beliebt bei den Griechen. Viele sind der Meinung, sie seien der Troika weitgehend ausgeliefert, die Dreiergruppe zwinge Ministerpräsident Papandreou die harte Sparpolitik auf.
Aus Sicht des griechischen Gewerkschaftsdachverbands des Privatsektors GSEE interessiert sich die Troika ausschließlich für die Staatsfinanzen, aber nicht für die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung. GSEE-Präsident Giannis Panagopoulos: "Der IWF hat zwar das technische Wissen, wie man Löhne beschneidet. Was er uns aber nicht verrät, ist, wie man die Preise drückt! Verglichen mit den anderen Euroländern liegt das Preisniveau in Griechenland bei 93 Prozent, das Lohnniveau aber nur bei 63 Prozent."
Gute Noten für die Haushaltssanierung
Tatsächlich konzentrieren sich die Prüfer in den kommenden Tagen ausschließlich auf die Frage: Wie kommen Griechenlands Regierung und Verwaltung mit den Sparanstrengungen voran? Wie es heißt, werden sich die Prüfer vor allem mit den Reformen im griechischen Energiesektor und dem Gesundheitssystem des Landes befassen. Letzteres hat der IWF vor einigen Tagen als Schwachstelle bezeichnet - in Griechenland kommt es immer noch vor, dass Patienten Ärzte bestechen müssen, um schneller einen Termin zu bekommen.
Grundsätzlich komme das verschuldete Griechenland bei der Haushaltssanierung aber gut voran, so der IWF in einem vor kurzem vorgestellten Zwischenbericht. Der Haken an der Sache: Die Wirtschaftsleistung in Griechenland wird im Zuge der Sparprogramme weiter abnehmen. Im Herbst dürfte sich der Abschwung sogar noch beschleunigen, die Arbeitslosigkeit weiter steigen.
Hoffen auf die Schattenwirtschaft
Der Generalsekretär des Verbandes der Staatsbediensteten ADEDY, Ilias Iliopoulos warnt: "Die Sparmaßnahmen werden sich im Herbst bemerkbar machen. Anders gesagt: Der Durchschnittsarbeitnehmer hat jetzt noch gar nicht begriffen, was auf ihn zukommt. Im September, im Oktober werden die Leute hier die harte Realität erkennen - dass sie zum Beispiel die Miete nicht bezahlen können. Oder die Raten fürs Haus, das ihnen die Bank dann wegnehmen wird."
Beide großen Gewerkschaftsdachverbände lassen nicht locker. Sie haben für Herbst neue, umfassende Streik- und Protestaktionen gegen die von der Troika geforderten Sparmaßnahmen angekündigt. GSEE-Präsident Panagopoulos fordert die Regierung gleichzeitig auf, noch härter gegen Steuerbetrüger vorzugehen. Dann könne es der Staat schaffen, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bekommen, ohne die Bevölkerung zusätzlich zu belasten.
"Ich hoffe, dass uns am Ende die sogenannte Schattenwirtschaft retten wird. Griechenland ist das Land in der Eurozone mit der größtem Schattenwirtschaft", sagt Panagopoulos. "Hoffen wir mal, dass irgendwann das ganze Schwarzgeld in der echten Wirtschaft auftaucht. Das wahre Bruttoinlandsprodukt Griechenlands ist nämlich viel höher als das statistisch erfasste: um bis zu 42 Prozent."