Einigung vor EU-Gipfel naht Gläubiger feilschen um Schuldenerlass für Athen
Wie viele Schulden erlassen die privaten Gläubiger den Griechen? Das zähe Ringen um Prozentsätze soll vor dem EU-Gipfel am Montag abgeschlossen sein. Doch die Banken drängen auf die Beteiligung aller Gläubiger. Die Euro-Staaten und die EZB geraten unter Druck, ebenfalls auf Geld zu verzichten.
Griechenland steuert in den Verhandlungen mit seinen privaten Gläubigern noch vor dem EU-Gipfel am Montag auf eine Vereinbarung über einen Schuldenschnitt zu. "Wir sind einer Einigung sehr nahe", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Vielleicht nicht heute, aber dann vielleicht übers Wochenende", fügte er hinzu. Am Abend kam der Geschäftsführer des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, in Athen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos und Finanzminister Evangelos Venizelos zu einer weiteren Verhandlungsrunde zusammen.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zeigte sich zuversichtlich, "dass wir eine Lösung finden". Er ist Chef des IIF, der im Namen der Branche in Athen verhandelt. "Wir haben sehr viel getan. Das sind immerhin fast 70 Prozent Verlust, die wir in Kauf nehmen", sagte Ackermann dem Fernsehsender n-tv mit Blick auf den von Griechenland angestrebten Schuldenerlass.
Er verlangte zugleich eine Beteiligung aller Gläubiger. Der IIF vertritt nur rund 60 Prozent der privaten Gläubiger, bei denen Griechenland mit rund 200 Milliarden Euro verschuldet ist. Ein wichtiger Teil der Anleihen des Landes liegt in den Händen von Hedgefonds. Ob diese die Vereinbarung zu einem freiwilligen Schuldenerlass mittragen, ist ungewiss. Ackermanns zielte mit seiner Forderung allerdings vor allem auch auf die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Staaten der Eurozone ab.
EZB lehnt Beteiligung am Schuldenschnitt ab
Die EZB ist durch den Kauf von griechischen Anleihen im Wert von geschätzten 40 bis 45 Milliarden Euro inzwischen vermutlich der größte Einzelgläubiger. Sie wehrt sich aber bislang entschieden, sich an dem Schuldenschnitt der privaten Gläubiger zu beteiligen. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen betonte, dass die beim Euro-Gipfel im Herbst vereinbarte Abkürzung PSI für die Privatsektor-Beteiligung an einer Griechenland-Sanierung für "private sector involvement" stehe. "Die EZB und das Euro-System sind klar nicht privat", betonte er.
Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker machte unterdessen deutlich, dass er einen größeren Beitrag der Euro-Länder beim Schuldenerlass für Griechenland für notwendig hält. "Wenn die griechische Schuldentragfähigkeit unter Beweis gestellt wird und es ein Gesamtverständnis mit dem privaten Sektor gibt, wird sich auch der öffentliche Sektor fragen müssen, ob er nicht die Hilfestellung leistet", sagte er der österreichischen Zeitung "Der Standard". Ob die EZB sich beteilige, sei aber allein Sache der unabhängigen Notenbank.
Druck auf Regierung in Athen wächst
Auch über die Aufstockung des noch nicht ausgehandelten zweiten Rettungspakets von IWF- und Europäern für Griechenland wird weiter diskutiert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnte es ab, den Fonds mit mehr als den bislang geplanten 130 Milliarden Euro auszustatten. "Ich kann keinen Sinn darin erkennen, dass jede Woche mehr Geld ins Schaufenster gelegt wird", sagte er.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verlangte, Griechenland dürfe nicht nur versprechen, sondern müsse auch "liefern". Das Land habe nicht alle Zusagen eingehalten. Auch Juncker machte Druck auf die Regierung in Athen. "Das Haushaltsdefizit ist 2011 höher als geplant", sagte er dem "Handelsblatt". "Die neue Regierung strengt sich zwar an, doch die Strukturreformen kommen zu langsam voran."
Sondergipfel der Euro-Staaten im Gespräch
Möglicherweise wird am Montag im Anschluss an den EU-Gipfel noch ein Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten anberaumt, um gesondert über die Situation Griechenlands zu beraten. Bislang gilt die Vereinbarung, dass die privaten Gläubiger den Griechen 100 Milliarden Euro Schulden erlassen. Im Gegenzug wollten die Euro-Staaten und der IWF ein zweites Hilfspaket mit 130 Milliarden Euro bereitstellen. Auf diese Weise soll der griechische Schuldenberg so weit reduziert werden, dass er bis 2020 nur noch 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Derzeit sind es 160 Prozent.
Doch die aktuellen Haushaltszahlen aus Athen und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes deuten darauf hin, dass diese Rechnung nicht mehr aufgeht. Die Euro-Staaten müssen vor diesem Hintergrund über die weitere Beteiligung des IWF an den Hilfszahlungen bangen. Denn der IWF beharrt auf dem 120-Prozent-Ziel als Voraussetzung für weitere Überweisungen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das erreichen", sagte Schäuble. Juncker erklärte dagegen, das 120-Prozent-Ziel sei wohl "nicht ganz zu erreichen".