Mehrere Windräder im Nebel.
FAQ

Energie-Gewinnung Woran der Windkraft-Ausbau scheitert

Stand: 05.09.2019 18:27 Uhr

In Deutschland werden kaum noch neue Windkraftanlagen gebaut. Die Ziele zur Energiewende sind in weiter Ferne. Woran liegt das? Und was hat das Spitzentreffen bei Wirtschaftsminister Altmaier gebracht?

Warum stockt der Ausbau der Windenergie an Land?

Im ersten Halbjahr 2019 wurden an Land 86 Windenergieanlagen (WEA) errichtet. Das entspricht einem Brutto-Zubau von 287 Megawatt, so wenig wie noch nie seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000. Verglichen mit den ersten sechs Monaten des Vorjahres ist der Zubau um 82 Prozent gesunken. Zudem wurden 51 ältere und kleinere Windräder stillgelegt, so dass sich ein Netto-Zubau von 231 Megawatt ergab.

Wenn das zweite halbe Jahr sehr gut laufen sollte, können es im Gesamtjahr noch maximal 1500 Megawatt werden. Das sind sehr viel weniger als die angestrebten 4500 Megawatt, die von 2014 bis 2017 erreicht wurden. Zum Vergleich: Für die Versorgung einer Stadt wie Hamburg benötigt man eine Erzeugung von ungefähr 1600 bis 1700 Megawatt.

Hauptgründe für den Einbruch sind nach übereinstimmender Analyse von Verbänden und Experten fehlende Flächen und Klagen gegen weitere Windräder. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie stecken rund 11.000 Megawatt in Genehmigungsverfahren fest, die mittlerweile auch an Land drei bis fünf Jahre dauern und mehrere 100.000 Euro kosten können. Weitere 4000 Megawatt sind blockiert durch vorgeschriebene Abstände zu den Drehfunkfeuern der Flugsicherung und gegen 800 Megawatt bereits erteilter Genehmigungen laufen Klagen.

Warum wird geklagt?

Kläger gegen Windkrafträder sind oft Naturschützer, die sich für Artenschutz und bedrohte Vogel- und Fledermausarten einsetzen, oder betroffene Anwohner. Den Windrädern fallen jedes Jahr Tausende von Vögeln zum Opfer, darunter auch seltenere Arten wie Störche, Greifvögel oder Eulen. Zu einem Symbolvogel ist der bedrohte Rotmilan geworden, dessen Schutz von Klägern oft gegen den geplanten Bau eines Windparks als Argument ins Feld geführt wird. Nach dem Naturschutzgesetz ist es verboten, seltene oder geschützte Tiere zu töten oder zu stören.

Die Windkraft-Branche vertritt die These, dass Klimaschutz auch den Tier- und Pflanzenarten zugute kommt und daher im Zweifel die Windkraftwerke Vorrang haben sollten. Anwohner klagen zudem wegen zu geringer Abstände zur Wohnbebauung über Lärmbelästigung oder Schattenwurf.

Wie ist die Lage auf See?

Der Ausbau der Windkraft auf See liegt im Plan. Im ersten Halbjahr gingen 42 Kraftwerke mit einer Leistung von 252 Megawatt in der Nordsee neu ans Netz, in der Ostsee keine. Insgesamt sind mehr als 1300 Anlagen mit einer Leistung von 6,7 Gigawatt in Betrieb. Damit ist das Ausbauziel von 6,5 Gigawatt für 2020 erreicht. Auch die für 2020 festgelegte Obergrenze von 7,7 Gigawatt ist bereits in Sicht. Danach ist bislang keine weitere Forcierung beim Ausbau geplant. So gilt ein Deckel von 15 Gigawatt bis zum Jahr 2030.

Die norddeutschen Bundesländer fordern ebenso wie Industrie und Gewerkschaften bereits seit Jahren eine Anhebung dieses Deckels auf 20 Gigawatt sowie einen Sonderbeitrag von zwei Gigawatt sofort, um die Klimaziele für 2030 einzuhalten. Die Netzanbindungen dafür wären vorhanden. Ein Zusatzbeitrag der Offshore-Windenergie ist auch im Koalitionsvertrag vorgesehen, wurde aber bislang nicht umgesetzt.

Was hat das Spitzentreffen gebracht?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat mit der Branche, Ländern und Bürgerinitiativen beraten. Konkrete Beschlüsse gab es dabei nicht. Das war zwei Wochen vor den Beratungen des Klimakabinetts allerdings auch nicht zu erwarten - denn dann will die Bundesregierung ein Gesamtpaket beschließen, damit Klimaziele erreicht werden. Und dieses Paket ist innerhalb der Koalition noch strittig.

Von dem Treffen sollte aber das Signal ausgehen, dass Bund- Länder und Industrie das Problem nun gemeinsam angehen. Altmaier kündigte an, man wollen zusammen in den nächsten Woche und Monaten einen Maßnahmenkatalog erarbeiten. Zentrale Fragen sind, wie mehr Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können.

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies sagte, bei der nächsten Konferenz der Energieminister von Bund und Ländern im Dezember müssten konkrete Punkte vorgelegt werden.