Konsumklima auf Tiefststand Deutsche verlieren ihre Kauflaune
Die Nürnberger GfK-Marktforscher erheben die Verbraucherstimmung in Gesamtdeutschland seit 1991 - seitdem wurde kein schlechterer Wert gemessen. Unter den Verbrauchern steigt die Angst vor einer Rezession.
Die Sorgen um unterbrochenene Lieferketten, den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation haben die Verbraucherstimmung in Deutschland auf einen Tiefststand geschickt. Das Barometer der Nürnberger GfK-Marktforscher misst jeden Monat das Konsumklima im Land, und dieses signalisiert für den August einen Rückgang um 2,9 Zähler auf minus 30,6 Punkte. Seit dem Beginn der Erhebung in Gesamtdeutschland wurde kein schlechterer Wert gemessen.
Zu den bereits bestehenden Sorgen kämen nun Befürchtungen um eine ausreichende Gasversorgung von Wirtschaft und privaten Haushalten im nächsten Winter, erläuterte GfK-Fachmann Rolf Bürkl: "Dies drückt derzeit die Stimmung der Verbraucher in den Keller." Ein knappes Angebot von Erdgas dürfe den Druck auf die Energiepreise und damit auch die Inflation noch erhöhen.
Euroschwäche und hohe Inflation
Dier derzeitigen Inflationsraten von sieben bis acht Prozent beeinträchtigten die Kaufkraft der privaten Haushalte, heißt es von den Nürnberger Forschern. Die aktuelle Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar sorge dafür, dass sich die deutschen Importe aus dem Dollarraum zusätzlich verteuerten: "Dies dürfte den Druck auf die Preise weiter verstärken und drückt schwer auf die Einkommensstimmung der Deutschen." Der GfK-Indikator für die Einkommensstimmung sank im Juli um 12,2 Punkte auf minus 45,7 Punkte - ebenfalls ein Allzeit-Tief.
Die Bereitschaft für größere Einkäufe ließ ebenfalls nach. Das Barometer dafür verlor 0,8 Punkte auf minus 14,5 Zähler. Zuletzt wurde zu Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise im Oktober 2008 ein geringerer Wert gemessen: "Wenn für Energie und Lebensmittel deutlich mehr Geld ausgegeben werden muss, fehlen diese Mittel für andere Anschaffungen", so Experte Bürkl.
Steigende Lebenshaltungskosten bereiten Sorge
Die Befragung, die die GfK-Forscher jeden Monat unter 2000 Verbrauchern im Auftrag der EU-Kommission durchführen, deckt sich auch mit den Ergebnissen einer heute veröffentlichen Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens EY zum Konsumklima. Alle drei Monate befragt das Unternehmen weltweit rund 18.000 Menschen zur Verbraucherstimmung, in Deutschland 1000.
Mehr als 97 Prozent aller Befragten in Deutschland drückten Sorge bezüglich internationaler Konflikte und Kriege oder steigenden Lebenshaltungskosten aus. 61 Prozent der Teilnehmer waren aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten eigenen Aussagen zufolge sogar äußerst besorgt. Auch im weltweiten Schnitt wurden die steigenden Lebenshaltungskosten als größte Sorge genannt.
Auf Eigenmarken umschwenken
Zwei Drittel der von EY befragten Teilnehmer in Deutschland rechnet damit, dass die steigenden Kosten für Strom, Gas und Wasser ihr Leben innerhalb des nächsten Jahres sehr stark beeinflussen werden. Das hat auch Auswirkungen auf das Konsumverhalten. So zeigten 74 Prozent große Bereitschaft, günstigere Produkte auszuprobieren und auf Eigenmarken umzuschwenken.
"Vor allem bei Lebensmitteln haben Käufer den Wunsch nach günstigen Alternativen zu den herkömmlichen Markenprodukten. Ein Effekt, der durch die aktuelle Inflationswelle noch verstärkt wird", heißt es dazu von Michael Renz, EY-Leiter des Bereichs Konsumgüter und Handel in Deutschland. "Viele Kunden müssen sich inzwischen ganz genau überlegen, was sie sich beim Einkauf noch leisten können."
Konsumklima wirkt sich auf Prognosen aus
Unternehmen, deren Geschäft von der Konsumlaune ihrer Kunden abhängt, stellen sich bereits auf sinkende Absatzzahlen ein. Der Sportartikelhersteller Adidas aus dem bayerischen Herzogenaurach erwartet für das laufende Jahr ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich. Zuvor hatte Adidas noch ein Plus zwischen elf und 13 Prozent ausgegeben.
Auch das Geschäft in China und Unklarheiten, wie es mit den Lockdowns in dem Land weitergeht, belasten den Ausblick des DAX-Konzerns. Adidas war bislang eigenen Angaben zufolge davon ausgegangen, dass sich das Geschäft in China ab dem dritten Quartal erholen würde, sollte es zu keinen weiteren Lockdowns kommen. Nun rechnet das Management damit, dass der währungsbereinigte Umsatz dort während des restlichen Jahres im zweistelligen Prozentbereich sinken wird.
Verhaltene Ausgabefreude
Gegen den Trend erhöhte der Adidas-Konkurrent Puma heute dagegen seine Umsatzprognose für das laufende Jahr. Zuletzt hatte der Sportartikelhersteller mit einem Umsatzwachstum von zehn Prozent gerechnet, diese Zahl wurde nun auf 15 Prozent angehoben. Im zweiten Quartal dieses Jahres hatte der drittgrößte Sportartikelhersteller seinen Umsatz um 18 Prozent steigern können.
Union-Investment-Chefvolkswirt Jörg Zeuner verweist darauf, dass die verhaltene Ausgabefreude aktuell immerhin noch von Ersparnissen der Konsumenten aus der Pandemie gestützt werde: "Doch wenn der Pessimismus weiter wächst, dürfte auch das nicht mehr lange tragen."
Unter den Verbrauchern steigt nach Angaben der GfK auch die Angst vor einer drohenden Rezession. Das Teilbarometer für die Konjunkturerwartungen gab im Juli gegenüber dem Vormonat 6,5 Punkte ab und sank auf minus 18,2 Punkte. Dies ist der niedrigste Wert seit April 2020, als Deutschland in den Corona-Lockdown geschickt wurde.