Wirtschaftsreformen in Frankreich Mit 106 Artikeln raus aus der Krise
Frankreichs sozialistische Regierung versucht den Befreiungsschlag gegen die Wirtschaftskrise: Gelingen soll der mit etlichen Reformen. Auf besonders heftigen Widerstand stößt der Plan, die Sonntagsarbeit auszuweiten.
Das war keine Pressekonferenz, das war eine Machtdemonstration. Umringt vom halben Kabinett, hat Premierminister Manuel Valls seine Entschlossenheit demonstriert, Frankreich grundlegend zu reformieren. "Das ist ein Gesetz für Fortschritt und Freiheit. Damit übernehme ich die Worte, die der Staatspräsident vor wenigen Minuten verwendet hat. Ein Gesetz für Freiheit und Fortschritt."
Es gehe nicht darum, irgendjemandem etwas wegzunehmen, sondern darum, Blockaden zu beseitigen, Investitionen zu erleichtern und Zugänge zum Arbeitsmarkt zu eröffnen, vor allem für junge Menschen.
Keine Rücksicht auf Einzelinteressen
Ein "Weiter so" wie bisher komme nicht Frage, sagte der Regierungschef - unter Hinweis darauf, dass seit sechs Jahren die Arbeitslosenzahlen steigen: "Alle müssen akzeptieren, das zu ändern, was nicht gut funktioniert und Beschäftigung und Arbeit bestraft, auch wenn das einen Bruch bedeutet mit Gewohnheiten, Einzelinteressen oder Rechten von Berufsgruppen."
Sage und schreibe 106 Artikel umfasst das Gesetz. Die Liste der Reformen ist lang, die bereits Mitte nächsten Jahres umgesetzt sein und im Alltag der Franzosen wirken sollen: Die Regierung erlaubt die bisher verbotenen Fernbuslinien, verstärkt die Kontrolle der Gesellschaften, die die Autobahnmaut kassieren, senkt die Gebühren bei Notaren und Gerichtsvollziehern und beschleunigt die Verfahren vor Arbeitsgerichten.
Zwölf statt fünf offene Sonntage
Zudem verschärft sie die Konkurrenz für Supermärkte, damit die Verbraucherpreise sinken und erweitert die Möglichkeit, sonntags Geschäfte zu öffnen. Letzteres ist ein Vorhaben, das in den eigenen Reihen extrem umstritten ist. Die ehemalige Parteichefin Martine Aubry kündigte an, das Gesetz mit allen Mittel zu bekämpfen, doch Valls verteidigt es: Zwölf statt fünf offene Sonntage - für die Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis und anders als bisher mit garantierten Zuschlägen beim Lohn - das sei eine Verbesserung.
Zugleich signalisiert der Premierminister, dass er auf Kritiker zugehen will: "Bei diesem Gesetz geht es nicht nur um die Sonntagsarbeit. Ich werde daraus zusammen mit allen Ministern alles machen - nur keine große Konfrontation und schon gar nicht mit den eigenen Abgeordneten."
Ab Januar berät das Parlament
Die Parlamentarier werden Mitte Januar über das Gesetz beraten, wahrscheinlich unter dem Druck der Straße. Bereits heute demonstrierten Tausende Notare und Gerichtsvollzieher vor dem Parlament.