Flughafen-Chaos Nur wenige Hilfskräfte aus der Türkei
Ende Juni sorgte ein riesiger Personalmangel an den Flughäfen für Chaos. Die Politik versprach Hilfe. Nun sind die Sommerferien in einigen Bundesländer fast vorbei. Kam die versprochene Unterstützung rechtzeitig?
Nur wenige Tage nach den Chaos-Bildern von den Flughäfen treten in Berlin gleich drei Minister vor die Kamera. Drei Minister, eine Botschaft: die Bundesregierung sorgt für schnelle Hilfe an den Flughäfen in Deutschland. Bundesinnenministerin Nancy Faser versprach, Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allem aus der Türkei, an den Flughäfen einzusetzen. "Wir wollen ganz schnell helfen!", sagte auch Verkehrsminister Volker Wissing. Und Arbeitsminister Hubertus Heil pflichtete bei: "Weil die Urlauber in Deutschland nicht unter solchen Dingen zu leiden haben."
Bislang nur ein Visum erteilt
Drei Minister, die sich unterhaken. Sie wollten vor allem türkischen Hilfskräften den Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt ebnen. Von bis zu 2000 Menschen war damals die Rede. Sie sollten kurzfristig eine Arbeitserlaubnis bekommen, die Sicherheitsüberprüfung an den Flughäfen und die Visavergabe sollten beschleunigt werden.
Der Erfolg der Aktion liegt Stand jetzt exakt bei eins. Nur ein einziger Visumsantrag ging bisher durch, lediglich 44 weiter Anträge liegen vor. Das sei natürlich keine befriedigende Situation, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit: "Natürlich möchten wir funktionierende Flughäfen haben". Aber: "Daran ist nicht die Bundesregierung schuld, sondern die flughafenbetreibenden Unternehmen, die nicht ausreichend Beschäftigte haben", so Hebestreit.
Bezahlung ohne Tarifvertrag
44 Anträge im Posteingang statt 2000 Arbeitskräfte in Deutschland: Angesichts dessen klingt es fast schon optimistisch, wenn der Arbeitgeberverband der Bodenabfertigungsdienstleister ABL bis Mitte dieses Monats noch mit rund 250 ausländischen Hilfskräften rechnet.
ABL-Chef Thomas Richter bemängelt gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio schriftlich, die Politik hätte eine längere Beschäftigung als nur bis zum Ende der Herbstferien im November ermöglichen müssen: "Für uns wäre das Jahresende wünschenswert gewesen. Die aktuelle Frist ist zu kurz bemessen." Grund dafür sei der zeitliche Aufwand, um die neuen Arbeitskräfte zu überprüfen und einzuarbeiten.
Koffer zu wuchten ist harte Arbeit - im Freien und mit Schichtdienst. Das Ganze ohne Tarifvertrag und entsprechende Bezahlung. Während der Pandemie waren dann auch noch viele Beschäftigte in Kurzarbeit, und die Unternehmen haben ihr Personal deutlich reduziert. Man habe in der Corona-Krise nicht mit einer so schnellen Rückkehr des Flugbetriebs gerechnet, räumt ABL-Chef Richter ein.
Regierung sieht die Schuld bei Unternehmen
Die Regierung macht deshalb die Branche für das Flugchaos verantwortlich. Das machte der Bundesarbeitsminister bereits Ende Juni deutlich: "Es geht nicht - das sage ich auch wegen des öffentlichen Eindrucks - dass Unternehmen Probleme schaffen und dem Staat vor die Tür kippen", so Heil damals.
Auch Pascal Kober, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, möchte das Flughafenchaos nicht vor der Tür der Ampel-Koalition liegen sehen: "Wenn sich niemand auf eine Arbeit in Deutschland bewirbt, dann liegt es nicht daran, dass die Regierung nicht die richtigen Maßnahmen getroffen hätte, sondern dass das Interesse offensichtlich fehlt."
1,7 Millionen Arbeitskräfte fehlen in Deutschland
Aus der oppositionellen CDU wird kritisiert, dass die Regierung mit ihrer Ankündigung schneller Hilfe zu viel versprochen habe. "Das ist nicht zustande gekommen. Wir halten schlichtweg fest: Die Flüge werden storniert, und das heißt im Klartext für viele Menschen: kein Urlaub und keine Erholung", so Arbeitsmarktexperte Axel Knoerig.
FDP-Mann Kober kontert in Richtung Union: Die habe es in ihrer Regierungszeit versäumt, eine gezielte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Darum kümmere sich jetzt die Ampel. Insgesamt 1,7 Millionen Arbeitskräfte - von der IT-Kraft bis zur helfenden Hand bei der Ernte - fehlen seinen Angaben zufolge in Deutschland.