Finanzmarktkrise Rezepte gegen den nächsten Crash
Rettungspakete und Bürgschaften sollen die aktuelle Finanzmarktkrise lösen. Doch damit sich diese Krise nicht wiederholen kann, müssen strukturelle Veränderungen her. Vorschläge dazu setzen bei den Managergehältern oder den Regeln im Bankenwesen an. tagesschau.de gibt einen Überblick.
Regierungen weltweit sind derzeit damit beschäftigt, die Finanzmarktkrise in den Griff zu bekommen und die schlimmsten Folgen zu mindern. Doch was kann man tun, um zu verhindern, dass sich eine solche wiederholt? Politiker, Wissenschaftler und Experten haben Vorschläge auf den Tisch gelegt, so etwa Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der vor dem Treffen mit seinen G7-Kollegen neue "Verkehrsregeln" in der Finanzwirtschaft forderte. Auch Großbritanniens Premier Gordon Brown verlangte weltweit neue Richtlinien. Die Krise sei ein "globales Problem", das eine "globale Lösung" brauche, schrieb er in einem Beitrag für die "Times".
Manager in die Verantwortung
Die Managergehälter sind ein wesentlicher Faktor in den Vorschlägen: So fordert Steinbrück, dass Manager für ihre Fehlentscheidungen geradestehen und stärker persönlich haften sollen. Internationale Standards sollen dies regeln. Außerdem will er die Gehalts- und Prämiensysteme in der Finanzbranche auf den Prüfstand stellen, etwa über einen internationalen Verhaltenskodex.
Auch in der französischen Beschlussvorlage für den EU-Gipfel kommende Woche wird gefordert, dass sich die tatsächliche Leistung von Unternehmenschefs in ihren Gehältern widerspiegeln müsse. "Gleichermaßen muss darauf geachtet werden, dass der Gewinn aus Anteilsoptionen oder das Entlohnungssystem speziell im Bankensektor nicht dazu führen, dass übertriebene Risiken eingegangen oder kurzfristige Ziele extrem in den Mittelpunkt gerückt werden", zitiert die dpa aus dem Dokument.
Ähnlich äußert sich der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann von der Universität St. Gallen. Er schlägt im Interview mit tagesschau.de vor, den Anteil an variabler Vergütung zu begrenzen, etwa auf 20 Prozent. "So ist über längere Frist das Einkommen der Beschäftigten konstant, so dass sie sich auf die sachlich gute Aufgabenerfüllung konzentrieren können. Und nicht darauf, wie sie ihren Bonus steigern können." Dies müsse aber international geregelt werden, "damit die Mitarbeiter nicht einfach dorthin abwandern, wo noch hohe Boni gezahlt werden."
Neue Regeln für das Bankenwesen
Der britische Premier Brown fordert, die Transparenz der Finanzmärkte mit Hilfe von schärferen internationalen Vorschriften zu verbessern. "Erfolgreiche Marktwirtschaften beruhen auf Vertrauen in das Finanzsystem", schreibt er in seinem "Times"-Beitrag". Dazu gehörten etwa eine verstärkte Auskunftspflicht und höchste Standards bei den Verhaltensregeln.
Steinbrück schlägt konkret eine Bilanzierungspflicht für so genannte Finanzinnovationen vor, um Risiken der Banken offenzulegen. Des weiteren fordert Steinbrück ein internationales Verbot von bestimmten Leerverkäufen, also von Wetten auf fallende Kurse eines Unternehmens, bei denen Anleger von sinkenden Kursen profitieren. Außerdem sollen die Banken zu so genannten Liquiditätspuffern verpflichtet werden, um ein Mindestmaß an Zahlungsfähigkeit zu garantieren. Zudem sollen sie für ihre Kredite mehr Verantwortung übernehmen und bei einem Weiterverkauf bis zu 20 Prozent des Kredits und damit auch des Risikos behalten müssen.
Für Brown steht im Mittelpunkt, die Stabilität im Finanzwesen wieder herzustellen und die Geldmärkte wieder in Fluss zu bringen. Dazu müssten andere Länder dem Beispiel Großbritanniens folgen und zum Beispiel Garantien für neue kurz- und mittelfristige Leihgeschäfte abgeben.
Verstaatlichung
Immer mehr Experten fordern eine kurzfristige Verstaatlichung von Banken, so etwa Ex-Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper: "Der Staat übernimmt die Institute, rekapitalisiert sie und kann sie danach wieder privatisieren. Für den Staat aber kann es sich sogar lohnen: Er kauft in der Krise und verkauft, wenn es wieder besser geht", sagt er. Selbst die USA schließen eine Verstaatlichung der Banken nicht mehr aus.
Internationale Aufsicht
Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass sich die Krise nicht auf nationaler Ebene lösen lässt. So fordert Steinbrück eine engere Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden und ein besseres Frühwarnsystem unter Einbeziehung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und dem Forum für Finanzstabilität (FSF). Auch Brown sieht IWF und FSF als Teil einer grenzüberschreitenden Aufsichtsbehörde. Der Wirtschafts- und Globalisierungsexperte Harald Schumann fordert im Interview mit tagesschau.de eine Weltfinanzaufsicht unter Einbeziehung etwa Indiens, Chinas oder Südamerikas. Der IWF habe das "Riesenproblem, dass er völlig einseitig von den G7-Staaten dominiert wird."