Jerome Powell

Notenbanken gegen Inflation Wenn nur noch höhere Zinsen helfen

Stand: 07.04.2022 11:10 Uhr

Die US-Notenbank zieht jetzt andere Saiten auf. Die Fed will die extrem hohen Inflationsraten mit deutlichen Zinserhöhungen kontern. Das setzt auch die EZB unter Druck. Können Sparer wieder hoffen?

Von Angela Göpfert, tagesschau.de

Das gestern Abend veröffentlichte Protokoll zur jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses FOMC der US-Notenbank spricht eine deutliche Sprache: Die Federal Reserve stimmt sich und die Märkte auf aggressive Zinsschritte und eine rasche Rückführung ihrer Bilanzsumme ein. Monatlich soll die Bilanzsumme um bis zu 95 Milliarden Dollar reduziert werden.

Zudem gehen viele Mitglieder davon aus, dass auf den künftigen Fed-Sitzungen ein oder gar mehrere große Zinsschritte beschlossen werden könnten. Es ist eine geldpolitische Vollbremsung, welche die Fed vollzieht. "Die Fed meint es ernst mit der Inflationsbekämpfung. Zaudern gibt es nicht mehr", kommentiert Thomas Gitzel, Chefökonom bei der VP Bank.

Leitzins in drei Monaten bei 2,0 Prozent?

Doch wie wild entschlossen sind die Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell wirklich in punkto Zinserhöhungen? Marktteilnehmer trauen den US-Währungshütern in den kommenden Monaten jedenfalls einiges zu, wie ein Blick auf das Fed Watch Tool der CME Group verrät.

Demnach rechnet derzeit eine überwältigende Mehrheit von 79 Prozent damit, dass die Fed auf ihrer nächsten Sitzung Anfang Mai den Leitzins um einen großen Zinsschritt von 50 Basispunkten auf 0,75 bis 1,0 Prozent anheben wird. Auch für die folgenden Sitzungen im Juni und Juli werden große Zinsschritte eingepreist, sodass der Leitzins in drei Monaten bereits bei 1,75 bis 2,0 Prozent stehen könnte. Bis Jahresende könnten es dann gar 2,5 bis 2,75 Prozent sein.

Fed verfehlt Zielmarke um 300 Prozent

Dass die Notenbanker jetzt plötzlich solchen Druck machen und so scharf an den geldpolitischen Zügeln zerren, hat einen ernsten Hintergrund: die rasant gestiegenen Inflationsraten. So waren die Verbraucherpreise in den USA im Februar um 7,9 Prozent in die Höhe geschnellt. Dies war der stärkste Anstieg seit 40 Jahren. Zugleich lag die Inflationsrate damit rund 300 Prozent über der Zwei-Prozent-Zielmarke der Fed.

Die US-Notenbank hat die Kontrolle über die Geldentwertung verloren. Weltweit befeuert der Ukraine-Krieg die Energie- und Rohstoffpreise. Auch die infolge der Coronapandemie weiter gestörten Lieferketten lassen die Preise steigen.

Deutsche Bank prognostiziert Rezession

Es geht den Notenbankern also effektiv darum, die Wirtschaft zu verlangsamen und so den Inflationsdruck zu reduzieren. Die Frage ist nur: Wie weit kann die Fed gehen, ohne die US-Konjunktur komplett abzuwürgen?

Am Dienstag hatte sich die Deutsche Bank die erste große Bank hervorgewagt und für die USA einen 20-prozentigen Aktienmarktcrash sowie eine Rezession im Sommer vorhersagt. Sie begründete dies mit einem unguten Cocktail aus geopolitischen Risiken durch den Ukraine-Krieg und einer massiven Straffung der US-Geldpolitik.

Auch der Anleihemarkt hatte zuletzt negative Konjunktursignale gesandt: Die Zinsstrukturkurve invertierte. In den vergangenen Jahren war dies ein nahezu unfehlbarer Vorbote einer Rezession.

Blaupause von der Fed - was macht die EZB?

So rasant die Fed auf dem Zinserhöhungspfad voranschreitet, so sehr stellt sich die Frage: Was machen eigentlich die anderen Notenbanken, um sich den hohen Inflationsraten entgegenzustemmen? Immerhin hat die Fed gestern Abend eine Art Blaupause zur Bilanzreduktion und für Zinserhöhungen präsentiert, an der sich auch andere Notenbanken orientieren können.

Der Druck auf die Europäische Zentralbank, endlich das Zepter des Handels an sich zu reißen und etwas gegen die historisch hohen Inflationsraten zu unternehmen, war zuletzt deutlich gestiegen. So hält etwa Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann ein Ende der Nullzinspolitik der EZB bereits im Spätsommer für möglich. Auch aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel könnte die EZB womöglich schon rasch die Zinswende einleiten. Der Sparer könne sich möglicherweise bald wieder über höhere Zinsen freuen, so Nagel gegenüber dem ARD-Wirtschaftsmagazin plusminus.

Bauzinsen steigen rasant

Was Nagel nicht erwähnt: Die Zinsen dürften die hohen Inflationsraten über einen absehbar langen Zeitraum hinweg nicht kompensieren können. Der Realzins, also der Nominalzins abzüglich der Inflationsrate, dürfte auch weiterhin im negativen Terrain verharren.

Derweil haben die steigenden Zinsen das Zeug dazu, so manchen Immobilientraum platzen zu lassen. Laut der Frankfurter Finanzberatung Max Herbst (FMH) sind die Hypothekenzinsen für ein Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren von 1,0 Prozent zu Jahresbeginn auf nunmehr 2,06 Prozent emporgeschnellt. Die Zinswende, die die EZB noch faktisch vollziehen muss, ist bei den Bundesbürgern längst angekommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 07. April 2022 um 10:00 Uhr.