Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Krieg gegen die Ukraine Wall Street im Abwärtssog

Stand: 07.03.2022 23:36 Uhr

Der Ukraine-Krieg sowie die drastisch steigenden Energiepreise sind nun auch an der Wall Street angekommen. Bisher hatten sich die US-Märkte noch besser gehalten als Europa, damit war am Montag Schluss.

Angesichts des fortdauernden Krieges in der Ukraine und weiter steigender Energiepreise sind die Aktienkurse in den USA zu Wochenbeginn erneut unter Druck geraten. Die führenden US-Aktienindizes schnitten dabei erstmals seit langem genau so schlecht ab wie die europäischen Märkte.

Der Leitindex Dow Jones fiel um 2,37 Prozent auf 32.817 Punkte, der marktbreite S&P-500-Index um 2,95 Prozent auf 4201 Zähler. Die Technologiebörse Nasdaq schloss ebenfalls sehr schwach 3,62 Prozent schwächer bei 12.830 Zählern. Auch die Hoffnung auf neuerliche Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine konnte die Märkte letztlich nicht stützen. Die Gespräche brachten kaum greifbare Ergebnisse, sollen aber am Dienstag fortgesetzt werden.

Verschärft wurde die Gesamtlage am Abend. Denn Russland hat nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine erstmals offen mit einem Gas-Lieferstopp durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 gedroht. "Wir haben das volle Recht, eine 'spiegelgerechte' Entscheidung zu treffen und ein Embargo zu erlassen auf die Durchleitung des Gases durch die Pipeline Nord Stream 1, die heute maximal mit 100 Prozent ausgelastet ist", sagte Vize- Regierungschef Alexander Nowak am Montagabend im Staatsfernsehen.

Unter Druck gerieten am MMontag vor allem Aktien aus der Finanzbranche. So büßten American Express 7,9 und Visa 4,8 Prozent ein. Angesichts der stark steigenden Energiepreise könnten Verbraucher die Konsumausgaben reduzieren, hieß es im Handel. Das würde die großen Kreditkartenbetreiber belasten.

Auch die Papiere von Banken wie Wells Fargo und Bank of America gerieten unter Druck. Die Aussicht auf klammere Konsumenten in Folge der anziehenden Öl- und Gaspreise bekamen auch die Aktien der Reisebranche zu spüren.

Zum Wochenstart machte der DAX da weiter, wo er am Freitag aufgehört hat. Bei wilden Schwankungen von fast 700 Punkten zwischen 12.438 und 13.150 Punkten kam der Markt nicht zur Ruhe, im Gegenteil.

Es war am Montag ein besonders wilder Ritt, nachdem der deutsche Leitindex bereits in der Vorwoche rund zehn Prozent an Wert verloren hatte. Die Achterbahnfahrt drückte den deutschen Leitindex im Tagestief zunächst um fünf Prozent ins Minus, ehe diese Verluste dann fast komplett wieder aufgeholt wurden.

Die Nachricht, dass sich die Außenminister der Ukraine und Russlands in der Türkei treffen wollen, schürte zwischenzeitlich Hoffnungen, so dass der DAX kurzzeitig sogar wieder über die Marke von 13.100 Punkten stieg, die er aber am Ende nicht halten konnte. Der Schlussstand lag bei 12.834 Punkten, ein deutlicher Tagesverlust von immer noch 1,98 Prozent.

Angesichts explodierender Preise für Öl und Gas hat die Verkaufswelle im DAX jedenfalls am Montag einen neuen Höhepunkt erreicht. Hintergrund ist ein mögliches Importverbot für russisches Öl. US-Außenminister Antony Blinken und die Vorsitzende des Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, hatten eine derartige Strafmaßnahme gegen Russland ins Spiel gebracht.

"Wenn der Westen den Großteil der russischen Energie-Exporte abschneidet, wäre das ein großer Schock für die Weltmärkte", sagte Ethan Harris, Chef-Ökonom der Bank of America (BofA). Dies könnte zu einem Anstieg des Ölpreises auf bis zu 200 Dollar pro Barrel führen und das Wirtschaftswachstum weltweit drücken.

"Es wächst die Furcht, dass der Konflikt die Weltwirtschaft, die sich bereits jetzt mit der Überwindung der Pandemie-Folgen schwer tut, belastet", sagte Kunal Sawhney, Chef des Research-Hauses Kalkine. Die Hoffnung auf eine kräftige Konjunkturerholung schwänden.

Am Vormittag wurden schon bis zu 140 Dollar für die Nordseesorte Brent bezahlt, aktuell sind es gut 122 Dollar. Ähnlich dramatisch sind die Schwankungen beim Gas, aber auch bei Industriemetallen wie Palladium, das vor allem von der Autoindustrie gebraucht wird und bei dem Russland einer der größten Exporteure weltweit ist.

"Russland steht für 38 Prozent der weltweiten Palladiumproduktion", betont Commerzbank-Experte Daniel Briesemann. Lieferausfälle könnten nicht anderweitig aufgefangen werden, so dass dem Markt ein großes Angebotsdefizit droht.

Eng verbunden mit den Folgen des Krieges in der Ukraine, der weiterhin mit großer Erbitterung und Härte geführt wird, ist bei den Anlegern weiterhin die Angst vor einer Stagflation - also einem Wachstumsstopp bei gleichzeitig steigenden Preisen. Dies sorgt für eine extrem große Verunsicherung, die sich derzeit in den hohen Schwankungen am Markt niederschlägt. Nicht nur Aktien sind betroffen, auch am Renten- und Devisenmarkt geht es derzeit nicht immer rational zu.

Besonders der US-Dollar, aber auch der Schweizer Franken sind gefragt, was traditionell in Krisenzeiten nicht ungewöhnlich ist. Der Euro schwankte gegen den Greenback am Montag ebenfalls stark und fiel bis 1,0807 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0895 (Freitag: 1,0929) Dollar fest, im US-Handel kostet der Euro 1,0866 Dollar.

Zu Wochenbeginn kletterte derweil der Wechselkurs des Schweizer Franken zum Euro auf den höchsten Stand seit mehr als sieben Jahren: Erstmals seit Abkehr der Schweizerischen Notenbank (SNB) von der Euro-Anbindung kostete die Schweizer Hauptexportwährung weniger als einen Franken. Im Verlauf wurden für einen Euro 1,0030 Franken bezahlt. Die Währungshüter unterstrichen ihre Bereitschaft, mit Fremdwährungskäufen die erstarkte Schweizer Devise zu schwächen.

Neben Franken und Dollar greifen die Anleger auch zum gelben Edelmetall Gold als ultimativem "sicheren Hafen". Der Goldpreis lag heute im Tageshoch schon über 2000 Dollar, aktuell kommt der Preis aber auf 1980 Dollar zurück.

Die Zuspitzung der Ukraine-Krise und die Rohstoffhausse wird auch den der New Yorker Börse mit Besorgnis gesehen. Alle großen Indizes stehen im Minus, zeigen sich allerdings erneut nicht so volatil wie die europäischen Märkte. Der Leitindex Dow Jones gibt derzeit 1,7 Prozent ab, in dieser Größenordnung geht es auch an mit anderen Indizes bergab.

Ein Phänomen, das sich bereits in den letzten Handelstagen immer wieder gezeigt hat. Während der DAX seinen Höchststand von vor der Corona-Pandemie bereits unterschritten hat, liegt der S&P 500 derzeit noch über 25 Prozent über seinem Vor-Covid-Hoch, wie die Experten des Vermögensverwalters DWS unterstreichen. "Grundsätzlich gilt: je weiter ein Unternehmen geographisch von der Ukraine entfernt ist, desto besser", unterstreicht DWS-Fondsmanager Marcus Poppe.

In der Hoffnung auf einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien steigen Anleger bei Aktien der Branche ein. Die Titel der Windkraftanlagen-Bauer Nordex, Vestas und Siemens Gamesa steigen deutlich. Die Papiere der Solarfirma SMA Solar gewannen mehr als 16 Prozent. Befeuert wird die Rally von der Diskussion um ein Embargo russischer Öl- und Gaslieferungen nach Europa.

Der weiter eskalierende Krieg blieb hingegen eine Kursstütze für Rüstungsaktien. Der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall sowie der Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt zählten zu den wenigen Profiteuren der Krise in Deutschland. Seit Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine vor anderthalb Wochen summieren sich die Kursgewinne für die beiden Aktien auf gut 57 Prozent beziehungsweise rund 73 Prozent.

Der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern Merck könnte sich einem Zeitungsbericht zufolge von seinem Geschäft mit Pigmenten trennen. Merck bereite den Bereich auf einen Verkauf vor, berichtete das "Handelsblatt" am Montag unter Berufung auf Finanzkreise. Das Geschäft mit den Färbestoffen könnte dem Blatt zufolge mit knapp einer Milliarde Euro bewertet werden.

Die Zahl der Unternehmen, die ihre Geschäfte in Russland stoppen oder signifikant einschränken, wird immer größer. Der Streaming-Dienst Netflix stellt seinen Betrieb in Russland ein. Smartphone-Marktführer Samsung stoppt Lieferungen nach Russland. Nach Mastercard und Visa stellt auch American Express sein Geschäft mit Kreditkarten in Russland ein. Der Lebensmittelhersteller Danone setzt alle Investitionen in Russland aus.

Facebook sperrt sein Werbesystem für Anzeigen aus Russland. Der Bezahldienst PayPal stoppt seine verbliebenen Dienste in Russland; davon betroffen sind unter anderem internationale Überweisungen. Die spanische Zara-Mutter Inditex sowie der deutsche Sportartikelhersteller Puma schließen alle Läden in Russland.

Der russische TUI-Großaktionär Alexej Mordaschow hat seine Anteile an dem Reisekonzern noch kurz vor Verhängung der EU-Sanktionen neu geordnet. Von seiner bisher 34-prozentigen Beteiligung, die er über die Firma Unifirm in Zypern gehalten hatte, übertrug er einen Anteil von 4,1 Prozent zu seiner russischen Holding Severgroup. Seine Anteile an Unifirm verkaufte er an eine Firma namens Ondero Limited auf den britischen Jungferninseln.

"Uns ist nicht bekannt, wer hinter Ondero steht und ob Herr Mordaschow zu den Gesellschaftern gehört", sagte ein TUI-Sprecher am Montag. Die Jungferninseln gelten als Steueroase, in der viele Briefkastengesellschaften ihren Sitz haben.

Der Aufsichtsrat von Volkswagen hat endgültig den Bau eines neuen Werks für das künftig zentrale Elektromodell Trinity in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stammwerk in Wolfsburg auf den Weg gebracht. Gut zwei Milliarden Euro lässt sich der Konzern die Fabrik kosten, Beginn der Arbeiten soll im Frühjahr 2023 sein.

Der teilstaatliche österreichische Ölkonzern OMV hat angekündigt, in Russland zukünftig keine Investitionen mehr zu verfolgen. "Russland wird nicht mehr als eine der strategischen Kernregionen im Exploration & Production Portfolio der OMV betrachtet", heißt es in einer Pflichtmitteilung. Zudem werde eine strategische Überprüfung der wirtschaftlichen Beteiligung von knapp einem Viertel am Juschno-Russkoje-Erdgasfeld eingeleitet.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat das vergangene Jahr mit einem Gewinn von 26,3 Milliarden Franken abgeschlossen. Dahinter standen vor allem Bewertungsgewinne auf Devisen- und Goldbeständen, wie die SNB unter Verweis auf endgültige Zahlen mitteilte. Die Aktionäre sollen eine Dividende von 15 Franken je Anteilsschein erhalten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 07. März 2022 um 09:00 Uhr und um 18:00 Uhr.