Hohe Erzeugerpreise Inflationssorgen dämpfen die Wall Street
US-Anleger sind derzeit im Wechselbad der Gefühle. Nach Zinshoffnungen am Vortag drehte die Stimmung heute nach überraschend hohen Erzeugerpreisen. Der DAX erreichte ein weiteres Rekordhoch.
Inflationssorgen haben die Stimmung an den US-Börsen zum Wochenschluss getrübt. Die großen US-Indizes unterbrachen ihren jüngsten Rekordlauf und schlossen leichter.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte hielt sich am besten mit einem nur moderaten Abschlag von 0,37 Prozent auf 38.627 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 ging am bei 5.005 Punkten um 0,48 Prozent schwächer aus dem Handel. Der Index der Technologiebörse Nasdaq stand am Ende deutlicher um 0,82 Prozent im Minus bei 15.775 Stellen. Der Auswahlindex Nasdaq 100 verlor 0,9 Prozent auf 17.685 Zähler.
Thema des Tages waren neue Preisdaten. Die Erzeugerpreise, ein Vorbote der Verbraucherpreise, waren im Januar im Vergleich zum Vormonat um 0,3 Prozent gestiegen, während befragte Analysten lediglich 0,1 Prozent erwartet hatten. Am Dienstag hatten bereits die Verbraucherpreise gezeigt, dass der Preisdruck hoch bleibt. Die Anleger, die gestern noch nach schwachen Einzelhandelsdaten Zinshoffnungen aufgebaut hatten, reagierten heute verunsichert. Denn der geldpolitische Kurs der Notenbank Federal Reserve (Fed) wird nach den zuletzt wechselhaften Preisdaten nicht einfacher zu antizipieren.
"Wir glauben weiterhin, dass sich die Inflation abschwächt. Die Daten bewegen sich nicht geradlinig, es wird Stolpersteine auf dem Weg geben", sagte Brian Klimke, Chef-Marktstratege bei Cetera Investment Management. Sollten die Preise jedoch weiterhin hoch bleiben, könnten sich erste Zinssenkungen der US-Notenbank länger als gedacht hinziehen.
"Derzeit wird der Juni immer wahrscheinlicher", sagte Klimke. Händler am Geldmarkt sehen die Wahrscheinlichkeit für eine Lockerung bereits im Mai derzeit bei nur noch rund 34 Prozent. Zu Jahresanfang hatten die Investoren noch fest mit ersten Zinssenkungen im März gerechnet. Der Markt erwartet zunehmend erst in der zweiten Jahreshälfte erste Lockerungsschritte der Fed.
Die US-Anleger stehen übrigens vor einem langen Wochenende: Am Montag wird in den Vereinigten Staaten nicht gehandelt wegen des Feiertags "Washington's Birthday", auch "Presidents' Day" genannt.
Der DAX ist zum Wochenschluss auf Rekordjagd geblieben. Die erst gestern bei 17.089 Punkten aufgestellte Bestmarke ist längst schon wieder Geschichte. Heute ging es in der Spitze um 0,9 Prozent bis auf 17.198 Punkte bergauf, ehe sich die Anleger wieder etwas zurückzogen. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 17.117 Punkten um 0,42 Prozent höher, ein Wochengewinn von gut einem Prozent. Der MDAX der mittelgroßen Werte stieg ebenfalls um 0,35 Prozent auf 26.148 Stellen.
Der DAX scheint sich damit über der lange Zeit umkämpften Marke von 17.000 Punkten zu behaupten, was vor allem charttechnische Analysten positiv interpretieren. Denn ein frisches Rekordhoch gilt als eines der besten Kaufsignale, das die Technische Analyse zu bieten hat. Aus dieser Perspektive hat der DAX also gute Chancen auf weitere Kursgewinne. HSBC-Experte Jörg Scherer beziffert das Kursziel für die deutschen Standardwerte auf 17.450 Zähler.
Erst im Verlauf der neuen Handelswoche dürfte sich allerdings zeigen, wie nachhaltig die heutigen starken Kursgewinne im DAX sind, da heute ein Verfalltag an der Terminbörse Eurex ist.
Haupthoffnungsträger der Börse ist weiterhin die Aussicht auf sinkende Zinsen, auch wenn erst zuletzt EZB-Chefin Christine Lagarde die Erwartungen bremste. Aus Sicht der Notenbank(en) ist die Zeit noch nicht reif für eine Lockerung, ähnlich äußerten sich auch immer wieder führende US-Zentralbanker. Die Börse aber blickt nach vorne, und jede Konjunkturzahl wird im Hinblick auf ihr Potenzial für Entscheidungen der Notenbanker genauestens geprüft.
Hinzu kommt, dass die Unternehmensbilanzen trotz schwacher Konjunkturprognosen bisher keine flächendeckend größeren Schwächen aufweisen. "Die Berichtssaison ist fast vorüber und die Zahlen zum vierten Quartal haben gezeigt, dass die Unternehmen mit höheren Zinsen für längere Zeit zurechtkommen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.
Der Euro tendierte zum Ende des europäischen Handels nach einer Berg- und Talfahrt kaum verändert. Zuletzt wurden im US-Handel aber wieder 1,0775 Dollar bezahlt. Der Euro war am Nachmittag zeitweise unter Druck geraten, nachdem der Dollar zu allen wichtigen Währungen zugelegt hatte. Die Gemeinschaftswährung sank kurzzeitig bis auf 1,0732 Dollar, sie erholte sich aber rasch wieder. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0768 (Donnerstag: 1,0743) Dollar fest.
Widersprüchliche Aussagen zur künftigen Geldpolitik kamen derweil aus der EZB. Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau warnte davor, dass man die Zinsen auch zu spät senken könnte. Dabei ist seiner Einschätzung nach das Risiko, zu spät zu handeln, "mindestens" so groß wie verfrüht zu handeln. Vor einer zu frühen Lockerung warnte hingegen EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Die Ausrichtung der Notenbank müsse straff bleiben, bis man zuversichtlich sein könne, dass die Inflation nachhaltig auf das Ziel von zwei Prozent falle.
Zunehmende Spannungen im Nahen Osten trieben die Ölpreise wieder nach oben. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich um 0,7 Prozent auf 83,36 Dollar je Fass. US-Leichtöl WTI stieg um ein Prozent auf 78,31 Dollar. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat wiederholt eine Militäroffensive im Süden des Gazastreifens angekündigt, was die Sorgen vor einer Ausweitung des Konfliktes mit der radikal-islamischen Hamas verstärkt. Spekulationen auf eine rückläufige Ölnachfrage hatten die Preise zuvor ins Minus gedrückt.
Der Volkswagen-Konzern ist mit einem deutlichen Absatzplus ins neue Jahr gestartet. Im Januar lieferte der Konzern weltweit 698.200 Fahrzeuge aller Konzernmarken aus - 13,3 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Zu verdanken war das vor allem einem Basiseffekt: Im Vorjahresmonat wurden in China wegen der damaligen Corona-Beschränkungen und des im Januar stattfindenden Neujahrsfests deutlich weniger Fahrzeuge verkauft. VW-Aktien stiegen mit dem Markt.
Bei der Lufthansa-Tochter Discover Airlines steht der nächste Pilotenstreik ins Haus. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hat ihre Mitglieder zu einem dreitägigen Streik aufgerufen, der am Samstag beginnen soll. Das Ende des Ausstands ist für den Montag um 23.59 Uhr geplant. Ziel sei weiter ein zeitnaher und fairer Abschluss zu Vergütung und Manteltarif, teilte die VC gestern mit.
Die Gespräche zwischen Thyssenkrupp und dem Energiekonzern EPH des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky über ein Stahl-Joint-Venture werden Insidern zufolge zur Hängepartie. Für eine Einigung müsse der neue Geschäftsplan für die Stahlsparte vorliegen, den Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez gerade erstellen lasse, sagten heute mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die dafür relevanten Preisverhandlungen mit der Automobilbranche seien aber noch nicht beendet.
Der mit viel Elan im Juni vergangenen Jahres gestartete neue Vorstandschef Lopez verhandelt seit Monaten mit Kretinskys EPH über die Bildung eines Joint Ventures mit der Stahlsparte von Thyssenkrupp. Seit dem Beginn der Verhandlungen im vergangenen Jahr hat sich die Lage der Stahlindustrie mit ihrem deutschen Branchenführer Thyssenkrupp verschlechtert. Thyssenkrupp Steel Europe kämpft mit der schwachen Konjunktur, gesunkenen Stahlpreisen, hohen Energie- und steigenden Rohstoffkosten sowie der starken Konkurrenz von Produzenten außerhalb Europas.
Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re hat im vergangenen Jahr auch dank merklich geringeren Aufwendungen für Naturkatastrophen einen Gewinnsprung hingelegt. Die Dividende des MüRü-Konkurrenten soll daher auf 6,80 Dollar je Aktie angehoben werden von 6,40 Dollar im Vorjahr. Der Nettogewinn schnellte auf 3,21 Milliarden Dollar hoch, nachdem es 2022 belastet von hohen Schadenzahlungen lediglich 472 Millionen gewesen waren.
Applied Materials übertrifft mit seiner Prognose für das zweite Quartal die Markterwartungen. Der amerikanische Chip-Zulieferer geht dabei von einem Umsatz von 6,50 Milliarden Dollar (plus oder minus 400 Millionen Dollar) aus, wie das Unternehmen gestern nach US-Börsenschluss mitteilte. Analysten erwarteten bislang 5,92 Milliarden Dollar. Applied Materials verwies auf eine Erholung des PC-Marktes und eine steigende Nachfrage nach Anwendungen für Künstliche Intelligenz. Die Aktie legte in New York deutlich zu.
Die Macher des Chatbots ChatGPT schließen eine Lücke in ihrem Angebot mit einer Software, die Videos aus Text-Vorgaben erzeugen kann. Das KI-Modell mit dem Namen Sora werde zunächst ausgewählten Kreativen zur Verfügung gestellt, schrieb OpenAI-Chef Sam Altman auf der Online-Plattform X. Auch sollen Experten etwaige Sicherheitsrisiken ausloten, bevor das Programm breit genutzt werden kann.
Im Wettlauf bei Software mit Künstlicher Intelligenz legt Google mit einer Verbesserung seiner Gemini-Technologie nach. Der Internet-Konzern stellte gestern die Weiterentwicklung Gemini 1.5 Pro vor, die unter anderem längere Videos und Texte auswerten kann. Gemini 1.5 Pro könne bis zu einer Stunde Video, bis zu elf Stunden lange Audioaufnahmen, Texte mit einer Länge bis zu 700.000 Wörtern sowie bis zu 30.000 Zeilen Software-Code erfassen und analysieren, erläuterte Google.
Der Berliner Mittelstandsinvestor SMG bringt die Hotelgruppe Sircle an die Frankfurter Börse. Sircle soll auf das seit Mai 2022 börsennotierte Übernahmevehikel (SPAC) SMG European Recovery verschmolzen werden, die danach in Sircle SE umbenannt werde, teilte SMG gestern Abend mit. Zu dem für das zweite Quartal geplanten Börsendebüt im General Standard soll der Betreiber von 37 Boutique-Hotels unter Dachmarken wie "Sir" und "Max Brown" auf einen Marktwert von 250 Millionen Euro kommen.