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Marktbericht

Wall Street ohne Schwung Anleger agieren abwartend

Stand: 11.04.2023 22:17 Uhr

Vor neuen Inflationsdaten haben sich die US-Anleger nicht mehr weit vorgewagt. Die großen Aktienindizes fanden keine klare Richtung, zudem waren die Schwankungen überschaubar.

Vor neuen Inflationsdaten, die morgen auf der Agenda stehen, haben die großen Wall-Street-Indizes keine klare Richtung gefunden. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte hielt sich am besten und gewann am Ende 0,3 Prozent auf 33.684 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 schloss nahezu unverändert bei 4108 Punkten.

Weniger gefragt waren heute Technologieaktien. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor 0,43 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 ging um 0,67 Prozent leichter bei 12.964 Stellen aus dem Handel.

Aber neue Wirtschaftsdaten kündigen sich nach den Jobdaten vom Freitag bereits an, die dann für mehr Bewegung sorgen könnten. Die Anleger schauen unter anderem auf Inflationszahlen, aber auch den Beginn der US-Berichtssaison mit den ersten Zahlen der großen Banken am Freitag.

Die US-Verbraucherpreise werden schon morgen für den März erwartet, ebenso wie die Sitzungsprotokolle der jüngsten Fed-Zinssitzung. Marktteilnehmer erhoffen sich insbesondere weitere Hinweise auf die nächsten geldpolitischen Schritte der Fed. Von der Entwicklung der Verbraucherpreise hängt ab, ob es sich die Notenbank leisten kann, ihren Zinserhöhungszyklus demnächst wie geplant zu beenden. Mehrheitlich wird im Mai eine weitere Erhöhung um 25 Basispunkte erwartet.

"Es ist gut möglich, dass die Währungshüter nach guten Nachrichten über die Entwicklung der Inflation eine Pause bei den Zinserhöhungen einlegen", sagte Ökonom Peter Cardillo vom Finanzdienstleister Spartan Capital Securities. Ein Übergang zu Zinssenkungen sei allerdings sehr unwahrscheinlich, sagte Tim Ghriskey, Investmentstratege beim Brokerhaus Inverness Counsel in New York. "Die Fed ist fest entschlossen, die Inflation bis zum Ende zu bekämpfen."

Notenbanker Austan Goolsbee hat sich für ein vorsichtiges Vorgehen bezüglich weiterer Zinserhöhungen ausgesprochen. "In Zeiten wie diesen, in denen die Finanzmärkte unter Druck stehen, erfordert der richtige geldpolitische Ansatz Umsicht und Geduld", sagte heute der Chef des Notenbank-Bezirks Chicago.

Dies sei notwendig, "um die potenziellen Auswirkungen der finanziellen Belastungen auf die Realwirtschaft abzuschätzen", erklärte er weiter. Gleichzeitig erteilte Goolsbee Zinssenkungen eine Absage. Es waren Goolsbees ersten umfangreichen Bemerkungen zur Zinspolitik seit seinem Amtsantritt im Januar.

Unter den Einzelwerten legten Aktien des Flugzeugbauers Boeing 0,7 Prozent zu. Das Unternehmen lieferte im ersten Quartal mehr Passagier- und Frachtjets als sein europäischer Rivale Airbus aus. Insgesamt fanden 130 Boeing-Jets den Weg zu ihren Kunden. Auch für den Monat März lag Boeing knapp vor Airbus. Bei den Neubestellungen haben die Europäer im bisherigen Jahresverlauf aber weiterhin die Nase vorn.

Am deutschen Aktienmarkt herrschte heute bei meist ruhigem Handel vorsichtiger Optimismus. Mit soliden US-Vorgaben im Rücken schloss der DAX bei 15.655 Punkten um 0,37 Prozent moderat höher. Der deutsche Leitindex pendelte dabei in einer überschaubaren Spanne zwischen 15.625 und 15.726 Zählern auf hohem Niveau. Wenige Tage vor Ostern hatte der DAX bei knapp unter 15.737 Punkten den höchsten Stand seit Januar 2022 erreicht. Auch das Rekordhoch bei 16.290 Zählern ist immer noch in Sichtweite.

"Die Marktteilnehmer bleiben vorerst weiter verhalten optimistisch", kommentierte Börsenexperte Andreas Lipkow. Die Stimmung habe sich zwar etwas aufgehellt, aber insgesamt gingen die Investoren unverändert sehr selektiv bei der Aktienauswahl vor, und auch mit Blick auf US-Aktien sei "eine sehr verhaltene, vorsichtige Gangart zu erkennen".

"Gemacht" werden die Kurse derzeit an der Wall Street, wo die Anleger zwischen Rezessions- und Zinsängsten hin- und hergerissen sind. Ungeachtet des Bankenbebens und der Entlassungswelle im Silicon Valley kühlt der US-Arbeitsmarkt nämlich nur langsam ab. Im März kamen 236.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, nach 326.000 im Februar und 472.000 im Januar, wie die Regierung am Freitag in Washington mitgeteilt hatte. Ökonomen hatten 239.000 neue Stellen vorhergesagt.

Die Daten dürften zwar eine Pause im Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) weiter nach hinten schieben, sagte Stratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Allerdings hätten die Zahlen die jüngsten Rezessionsängste nach einer Reihe enttäuschender Wirtschaftszahlen lindern können. "Aus Zinsangst wurde Konjunkturoptimismus."

Nicht nur die soliden US-Vorgaben nach gelassen aufgenommenen US-Jobdaten stützen aktuell den DAX, auch charttechnisch hat der Index Rückenwind. HSBC-Analyst Jörg Scherer zufolge besteht kurzfristig die Option, die Aufwärtsbewegung Richtung 16.000er-Marke fortzusetzen. Christoph Geyer, ebenfalls Chart-Analyst und Börsenexperte, äußert sich ähnlich, schränkt aber auch ein: "Die Saisonalität deutet auf einen weiteren Anstieg hin, die Stimmung scheint eher verhalten zu sein."

Der Kurs des Euro legt heute zu. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung im US-Handel bei 1,0913 Dollar gehandelt und damit deutlich höher als am Vorabend. Der Euro kann so seine Vortagsverluste wieder wettmachen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0905 (Donnerstag: 1,0915) Dollar fest. Der Euro wird durch die freundliche Stimmung an den Aktienmärkten gestützt. Der als sicher geltende Dollar ist im Gegenzug weniger gefragt.

Neue Prognosen des IWF lassen den Devisenmarkt bisher kalt. Die Weltwirtschaft erholt sich angesichts des andauernden Kriegs in der Ukraine und der hohen Inflation nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) nur sehr langsam. In Deutschland soll die Wirtschaft in diesem Jahr sogar leicht schrumpfen, wie aus der am Nachmittag vorgestellten Konjunkturprognose des IWF hervorgeht.

Das globale Wachstum werde sich im Vergleich zu 2022 (3,4 Prozent) in diesem Jahr auf 2,8 Prozent verlangsamen. "Wir treten in eine riskante Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum im historischen Vergleich niedrig bleibt und die finanziellen Risiken zugenommen haben, ohne dass die Inflation bereits eine entscheidende Wende genommen hat", so IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas.

Auch frische Konjunkturdaten aus der Eurozone standen heute auf der Agenda. Die Einzelhandelsumsätze in der Eurozone sind im Februar gesunken. Im Monatsvergleich gaben sie, wie am Markt erwartet, um 0,8 Prozent nach. Allerdings war der Anstieg im Januar mit revidierten 0,8 Prozent stärker als zunächst ermittelt. Zuvor war lediglich ein Zuwachs von 0,3 Prozent gemeldet worden.

Die Kryptowährungen konnten von der freundlichen Stimmung an den Finanzmärkten profitieren. Die nach Marktwert größte Digitalwährung Bitcoin kletterte erstmals seit Juni vergangenen Jahres über die Marke von 30.000 Dollar. Seit dem Zwischentief im Herbst 2022 summiert sich das Kursplus inzwischen auf mehr als 90 Prozent.

Die Ölpreise drehten nach zunächst schwächerem Handel ins Plus und profitierten dabei von einem nachgebenden Dollar. Eine schwächere US-Devise macht in Dollar gehandelte Rohstoffe für Anleger in anderen Währungsräumen billiger und erhöht dadurch die Nachfrage.

Damit knüpften die Preise an ihre jüngste Erholungsrally nach dem Entscheid der OPEC+ an, die Förderung zu begrenzen. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent stieg knapp 0,7 Prozent, die US-Leichtölsorte WTI gewann rund 1,2 Prozent. Am Ölmarkt richtet sich das Interesse der Anleger zunehmend auf neue Prognosen zur Entwicklung der Ölnachfrage von der Internationalen Energieagentur (IEA) und der OPEC, die im Verlauf der Woche auf dem Programm stehen.

Der Autobauer BMW hat im ersten Quartal etwas weniger Fahrzeuge abgesetzt als im Vorjahrszeitraum: Von Januar bis März lieferte die BMW Group mit 588.138 Einheiten 1,5 Prozent weniger aus als im ersten Quartal 2022. Für das Gesamtjahr rechnet der Autokonzern aber mit einem leichten Wachstum.

Brüchige Lieferketten bremsen Airbus auch im neuen Jahr. Der europäische Flugzeugbauer lieferte im ersten Quartal 127 Maschinen an die Kunden aus, das sind elf Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Dabei wollte Airbus eigentlich die Schlagzahl bei den Auslieferungen auf bis zu 140 erhöhen, um die steigende Nachfrage zu bewältigen.

Die VW-Tochter Audi baut ihr Netz mit Hochgeschwindigkeits-Ladestationen in Deutschland aus. Mit der Eröffnung einer Station mit vier Ladepunkten im Berliner Bezirk Friedrichshain hat der Hersteller aus Ingolstadt am Freitag den Regelbetrieb in Deutschland aufgenommen.

Der ehemalige Netflix-Marketing-Chef Kelly Bennett soll neuer Vorsitzender des Aufsichtsrats beim Online-Modehändler Zalando werden. Der 51-Jährige soll dort nach der Hauptversammlung am 24. Mai Cristina Stenbeck ablösen, die ihr Amt nach vier Jahren niederlegt, wie das DAX-Unternehmen heute in der Einladung zu dem Aktionärstreffen mitteilte. Bennett ist seit 2019 Aufsichtsratsmitglied von Zalando und derzeit Stenbecks Stellvertreter. Er berät Unternehmen wie Microsoft und Spotify.

Stenbeck ist Großaktionärin des schwedischen Investors Kinnevik, der seit 2010 - und damit lange vor dem Börsengang - an Zalando beteiligt war, das Aktienpaket aber vor gut zwei Jahren an seine Aktionäre weitergereicht hatte. Neu in den Zalando-Aufsichtsrat einziehen soll Susanne Schröter-Crossan, die bis vor kurzem Finanzchefin beim Immobilienkonzern LEG war.

Im MDAX legte die ThyssenKrupp-Aktie wegen erneut aufkommender Fantasie rund um die Marinesparte deutlich zu. Ein Händler wertete Medienberichte über eine baldige Entscheidung zur Zukunft der Sparte als leicht positiv. Der Bieterprozess für die Sparte könne möglicherweise noch in dieser Woche beginnen.

Die im MDAX notierte Aktie des US-Telekomausrüsters Adtran brach heute um knapp ein Viertel ein. Die Mutter des deutschen Telekomausrüsters Adva Optival hat im ersten Quartal die eigenen Ziele und Erwartungen der Analysten sowohl beim Umsatz als auch Gewinn deutlich verfehlt. Der Konzern machte einen operativen Verlust von bis zu rund acht Millionen Dollar.

Die US-Technologiebörse Nasdaq will Virgin Orbit aus dem Handel nehmen und schickt die Aktien des Raumfahrtunternehmens damit auf Talfahrt. Die Titel fallen um rund 30 Prozent. Die Aktien und Optionsscheine sollen laut der Nasdaq ab dem 13. April vom Handel ausgesetzt werden. Grund ist unter anderem das Ausbleiben der Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr. Anfang April hatte das Unternehmen Insolvenz angemeldet.

Die insolvente Kinokette Cineworld hat beim Insolvenzgericht im US-Bundesstaat Texas einen Restrukturierungsplan eingereicht. Dieser sehe keine Rückzahlung an seine Aktionäre vor, teilte die weltweite Nummer zwei hinter der US-amerikanischen AMC Entertainment mit. Das globale Geschäft und die Kinos werde ohne Unterbrechung fortgeführt.

Die USA nehmen die Geschäftsbeziehungen des Elektroautobauers Tesla mit China genauer unter die Lupe. "Tesla scheint völlig abhängig zu sein von der Großzügigkeit der US-Regierung in Form von Steuererleichterungen und vom Zugang zum chinesischen Markt", sagte Mike Gallagher, der republikanische Vorsitzende des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses für die Kommunistische Partei Chinas. Die Anleger zeigten sich unbeeindruckt, die Aktie lag in New York 1,2 Prozent im Plus.

Der Frischhaltedosen-Hersteller Tupperware ist wegen Liquiditätssorgen heftig unter Druck geraten. Nachdem die Firma vor akuten Geldnöten warnte, stürzte die Aktie gestern an der Wall Street um 49 Prozent auf 1,20 Dollar ab. Der Kurs fiel auf den niedrigsten Stand seit dem Rekordtief zu Beginn der Corona-Krise vor rund drei Jahren. Heute legte das Papier in New York zwar wieder etwas zu, bleibt aber auf sehr niedrigem Niveau.

Ein negatives Studienergebnis setzte die Aktie von Biontech-Konkurrent Moderna unter Druck. Die Papiere des US-Biotechfirma verloren 3,06 Prozent auf 155,25 Dollar. Ein experimenteller Grippeimpfstoff des in Massachusetts ansässigen Unternehmen habe die Erfolgskriterien bei einer spätklinischen Studie nicht erfüllt, teilte Moderna mit.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. April 2023 um 09:05 Uhr.