Preisdaten wirken nach Mehr Vorsicht an der Wall Street
An der Wall Street hat sich nach dem Preisschock vom Vortag die Unsicherheit verstärkt. Vor der Zinssitzung der Notenbank in der kommenden Woche zogen sich die Investoren zurück.
Die großen US-Indizes haben sich zum Wochenschluss im Zuge zunehmender Zinssorgen abgeschwächt. Der Leitindex Dow Jones verlor am Ende 0,49 Prozent auf 38.714 Punkte. Stärker bergab ging es für den S&P-500-Index mit minus 0,65 Prozent und der Technologiebörse Nasdaq mit minus 0,96 Prozent. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 gab 1,15 Prozent nach.
Anders als hierzulande verarbeiteten die US-Märkte sehr intensiv die schwächeren Konjunkturdaten vom Vortag. Denn nach einem überraschenden Anstieg der US-Verbraucherpreise waren im Februar auch die Erzeugerpreise stärker gestiegen als erwartet. Diese gelten als ein früher Indikator der Entwicklung der Inflation, die die Fed mit hohen Zinsen bekämpft.
Dabei reagieren die Anlegerinnen und Anleger nervös, weil die Daten "der letzte wichtige Wirtschaftsbericht vor der Fed-Sitzung nächste Woche" seien, erklärte Neil Wilson, Chefanalyst des Brokers Finalto.
Die Fed hält am kommenden Dienstag und Mittwoch ihre Zinssitzung ab. Zinssenkungen werden zwar nicht erwartet, die Märkte gehen allerdings weiterhin fest von einer Zinswende im Juli aus. An den Terminmärkten wird die Wahrscheinlichkeit dafür auf knapp 80 Prozent geschätzt. Fallende Zinsen bei den weiteren Fed-Sitzungen gelten als mehr oder weniger ausgemacht.
"Die frühestmögliche Zinssenkung könnte im Juni erfolgen, obwohl wir nicht schockiert wären, wenn sich die Zinssenkung auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr verschiebt, wenn die Daten weiterhin so stark sind, wie in letzter Zeit", sagte Investmentexpertin Carol Schleif, von BMO Family Office.
Zinssenkungshoffnungen wurden durch die im Februar überraschend um 0,1 Prozent gestiegene US-Industrieproduktion gedämpft. Experten hatten eine Stagnation erwartet. Betrachtet man die Fertigung im US-Industriesektor allein, kam im Februar ein überraschend kräftiges Produktionsplus von 0,8 Prozent zustande. Expertinnnen und Experten hatten für den Sektor nur mit einem Zuwachs von 0,3 Prozent gerechnet. Allerdings wurde der Vormonatswert auf minus 1,1 Prozent deutlich nach unten revidiert.
Im Gegenzug sank der Empire State Index, ein Stimmungsindikator der Industrie für den Großraum New York, deutlich stärker als erwartet. Auch das Konsumklima der Uni Michigan für März lag mit 76,5 Punkten etwas unter den Erwartungen von 77,1 Punkten.
Bei den Unternehmen trübte eine enttäuschende Prognosen von Adobe die Stimmung. Deren Aktien brachen um fast 14 Prozent ein. Der Photoshop-Anbieter rechnet angesichts einer schwachen Nachfrage nach seinen Fotoprogrammen mit KI-Funktionen mit weniger Umsatz im Quartal als erhofft.
Optimistisch blickten die Anleger hingegen der Bilanz von Micron in der kommenden Woche entgegen. Die Aktien des US-Chipherstellers gewannen rund zwei Prozent. "Angesichts der aktuell sehr hohen Preise für Speicherchips erwarten wir, dass Micron die durchschnittliche Analystenprognose übertrifft und seine Prognose für das dritte Quartal anhebt", sagte Citigroup-Analyst Christopher Danely.
Der DAX ist zum Wochenschluss nahezu unverändert aus dem Handel gegangen, nachdem er zuvor ein weiteres Rekordhoch im Verlauf nur knapp verpasste. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 17.936 Punkten mit einem Mini-Minus von 0,03 Prozent nahezu unverändert. Das Tageshoch hatte bei 18.038 Punkten nur einen Punkt unter der bisherigen Bestmarke gelegen.
Gegen Ende der Sitzung bröckelten die Gewinne allerdings im Sog einer schwächeren Wall Street - was aber nicht ungewöhnlich ist vor dem Wochenende, wenn Positionen oftmals noch glatt gestellt werden.
Das Tagestief lag zum Handelsstart bei 17.926 Punkten leicht über dem Schlusskurs vom Vortag bei 17.922 Punkten. Auf Wochensicht ergab sich ein moderater Zuwachs von knapp 0,7 Prozent. Der MDAX der mittelgroßen Werte verlor deutlicher 0,78 Prozent auf 26.055 Punkte
Überraschend höhere Erzeugerpreise in den USA vom Vortag haben die Anlegerinnen und Anleger zunächst nur kurzzeitig verunsichert, ehe sie wieder zur Tagesordnung übergingen. Diese heißt schon seit geraumer Zeit ausschließlich, "Warten auf die Zinswende".
Sowohl in den USA als auch in Europa scharren die Märkte vor jeder Konjunkturzahl immer ungestümer mit den Füßen in der Hoffnung, die mächtigen Notenbanker könnten nun endlich die Zinswende auslösen - und niemand will den fahrenden Zug verpassen, weshalb Rücksetzer immer wieder als Einstiegsgelegenheit genutzt werden. So auch heute. Die heimischen Anlegerinnen und Anleger zeigten sich damit sehr viel optimistischer als ihre Pendants an der Wall Street, gerade nach den hohen US-Preisdaten vom Vortag.
Effektiv passiert ist bisher in Sachen Zinsen allerdings noch nichts, außer das die Erwartungen und Kurse massiv ins Kraut geschossen sind. Selbst die antizipierte Verschiebung des Zinssenkungszykluss vom März in den Juni oder das derzeitige Rätselraten um die Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat bisher überhaupt keine Auswirkungen auf die Stimmung an der Börse gehabt. Ebenso die nicht unbedeutende Tatsache, dass die großen Notenbanken bisher ihr Inflationsziel von 2,00 Prozent noch keinesfalls erreicht haben.
Vor allem die US-Wirtschaft hat sich anscheinend mit den höheren Zinsen arrangiert und bleibt, ganz im Gegensatz zur deutschen Volkswirtschaft, weiter auf einem robusten Wachstumspfad. Davon profitieren in erster Linie die DAX-Werte, die ihre Gewinne meist im Ausland erzielen und deshalb auch überwiegend robuste Quartalsergebnisse ausgewiesen haben.
"Auch wenn in der abgelaufenen Handelswoche die US-Inflationszahlen die Sorgen schürten, dass die Fed zur Eindämmung der Teuerung die Zinsen langsamer senken wird als vom Markt eingepreist, bleibt die Stimmung an den Aktienmärkten konstruktiv", schrieb Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die Preisdaten für Januar und Februar seien zwar auch insgesamt unerwünscht hoch gewesen. Doch die US-Notenbank Fed dürfte bei ihrem Zinsentscheid am Mittwoch kaum eine Meinungsänderung erkennen lassen. Damit sollten die Erwartungen auf eine Zinssenkung im Juni bestehen bleiben.
Zur Vorsicht mahnte wie stets der heutige Hexensabbat; an der Terminbörse Eurex wurden heute Futures und Optionen auf Indizes sowie Optionen auf Einzelaktien fällig. Am großen Verfallstermin sei mit "sehr volatilen Kursen zu rechnen", warnte Christian Zoller, Charttechnik-Experte der Direktbank ING.
Der große Verfallstag findet viermal im Jahr statt, und zwar immer am dritten Freitag in den Monaten März, Juni, September und Dezember. In der Vergangenheit war er schon oftmals die Basis für eine Trendwende an den Börsen gewesen.
Der Kurs des Euro hat sich zum Wochenschluss wenig verändert. Am späten Nachmittag wurde die Gemeinschaftswährung im europäischen Handel bei 1,0884 Dollar gehandelt. Am Morgen hatte sie noch etwas niedriger notiert. Im US-Handel wurden zuletzt 1,0888 Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0892 (Donnerstag: 1,0925) Dollar fest.
Der Dollar verteidigte so seine Kursgewinne vom Vortag. Die Preisentwicklung in den USA hatte den Dollar gestützt. Die Erzeugerpreise waren im Februar unerwartet stark gestiegen. Spekulationen auf eine baldige Zinssenkung der US-Notenbank Fed wurden gebremst. Der Euro gab damit im Vergleich zum Wochenstart zum Dollar nach. Die am Freitag veröffentlichten Konjunkturdaten aus den USA bewegten den Markt kaum. Der Goldpreis fällt leicht zurück auf 2.157 Dollar je Feinunze.
Vorsichtig zeigten sich die Anleger am Kryptowährungsmarkt, wo der Bitcoin seine Rally vorerst beendete. Die umsatzstärkste Kryptowährung verlor zwischenzeitlich über vier Prozent und rutschte klar unter die Marke von 70.000 Dollar, erholte sich danach aber wieder etwas. "Auf der einen Seite locken zwar weitere Rekordstände, andererseits bleibt der Griff an den Kassenhebel verlockend", sagte Timo Emden vom Analysehaus Emden Research.
Von einem Rückgrat der deutschen Wirtschaft kamen derweil eher verhaltene Signale, wie zuletzt schon von anderen heimischen Wirtschaftsverbänden. Die deutsche Chemieindustrie blickt nach einem deutlichen Rückgang bei Umsatz und Produktion im vergangenen Jahr mit Sorge auf 2024. Die Lage sei nach wie vor "extrem schwierig" und eine konjunkturelle Trendwende nicht erkennbar, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VCI, Wolfgang Große Entrup. "Eine Erholung erwarten wir frühestens für die zweite Jahreshälfte."
Die Ölpreise haben sich von anfänglichen Verlusten erholt und lagen zuletzt leicht höher im Handel. Sie können aber nicht an die deutlichen Kursgewinne der vergangenen Handelstage anknüpfen. Am Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent bei 85,25 Dollar rund 0,2 Prozent mehr als am Vorabend.
Es ist vor allem die Dollar-Stärke, die zunächst auf den Ölpreisen lastete, macht der anziehende Dollar-Kurs doch den Rohstoff in Ländern außerhalb des Dollarraums teurer und bremst so die Nachfrage. Zuvor hatte die Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) eines Angebotsdefizits am Rohölmarkt in diesem Jahr den Ölpreisen noch deutlichen Auftrieb verliehen. Der Brent-Preis hatte daraufhin erstmals seit November wieder die Marke von 85 Dollar je Barrel überschritten.
Die Furcht vor einer sinkenden Nachfrage aus China hat zum Wochenschluss Aktien aus der Chipbranche teils deutlich belastet. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet, dass die chinesische Regierung heimische Elektroautobauer wie BYD und Geely dazu bewege, deutlich mehr Elektronikchips von chinesischen Anbietern zu kaufen. Damit solle Chinas Halbleiterindustrie gestärkt und die Abhängigkeit von westlichen Lieferungen verringert werden.
Hierzulande brachen die Aktien von Infineon um sechs Prozent auf 31,91 Euro ein und rutschten so auf das Niveau von Anfang Februar. Damit zählten sie zu den schwächsten Werten im DAX. Als Schlusslicht im Pariser Leitindex Cac 40 büßten die Aktien von STMicroelectronics 3,4 Prozent ein. In Amsterdam ging es für den Anlagenbauer ASM International um 1,3 Prozent nach unten.
Im DAX kam die Vonovia-Aktie mit einem Minus von 10,55 Prozent schwer unter die Räder und war der mit Abstand größte Kursverlierer. Die Krise auf dem Immobilien-Markt hat den Branchenprimus tief in die roten Zahlen gerissen. Der Bochumer Konzern verbuchte nach massiven Abwertungen seiner Immobilien im vergangenen Jahr einen Rekord-Verlust von rund 6,7 Milliarden Euro.
Das chinesische Neujahrsfest hat Volkswagen im Februar ein Absatzminus eingebrockt. Insgesamt wurden 605.500 Fahrzeuge an die Kundinnen und Kunden ausgeliefert, das sind 1,1 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Während die Märkte in Europa und Amerika Wachstum verzeichneten, ging es in Asien abwärts: In China sank der Absatz um 16,7 Prozent, im Rest der Region um 18,2 Prozent.
Von einem Umsatz- und Gewinnanstieg ermuntert schüttet der IT-Dienstleister Bechtle erneut mehr Geld an seine Aktionäre aus. Die Dividende für 2023 soll um 7,7 Prozent auf 0,70 Euro je Aktie steigen - es ist die vierzehnte Anhebung in Folge. Firmenchef Thomas Olemotz rechnet für 2024 mit weiteren deutlichen Steigerungen bei Umsatz und Gewinn und einer kaum veränderten Vorsteuer-Marge beim Unternehmen, das sowohl im MDAX als auch im TecDAX gelistet ist.
Im Tarifstreit der Lufthansa mit der Gewerkschaft ver.di über mehr Geld für das Bodenpersonal streben nach Angaben der Lufthansa die Tarifparteien eine Schlichtung an. Auch die jüngste Verhandlungsrunde sei ohne Ergebnis geblieben, teilte die Lufthansa gestern mit. "Beide Seiten wollen ein Schlichtungsverfahren vereinbaren." Lufthansa-Papiere legten im MDAX rund 1,3 Prozent zu.
Der Bausoftwarespezialist Nemetschek will seinen Aktionären für das vergangene Jahr mehr Dividende zahlen. So sollen 0,48 Euro je Aktie ausgeschüttet werden, nach 0,45 Euro im Vorjahr, wie das Unternehmen heute in München mitteilte. Die Ausschüttung bewegt sich damit auf dem von Analysten im Durchschnitt erwarteten Niveau. Nemetschek hatte Anfang Februar bereits vorläufige Geschäftszahlen für 2023 vorgelegt.
Der Agrarkonzern BayWa hat überraschend die Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr ausgesetzt und schickte damit seine Aktien auf Talfahrt. Im SDAX verlor die Aktie über zehn Prozent und stand damit klar am Indexende. Das Unternehmen begründete den Schritt mit einer hohen Zinsbelastung und Steuerquote, die das Konzernergebnis trotz eines operativ zufriedenstellenden Geschäftsverlaufs deutlich belastet hätten.
Der zweitgrößte deutsche Stahlkonzern Salzgitter erwartet nach Einbußen 2023 im neuen Geschäftsjahr zum Teil bessere Ergebnisse. 2023 sei der Vorsteuergewinn insbesondere wegen gesunkener Stahlpreise auf rund 238 Millionen Euro von zuvor 1,2 Milliarden Euro gefallen. Der Konzern sehe derzeit leichte Belebungsimpulse und die Chance eines besseren Marktumfelds in der zweiten Jahreshälfte.