Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Dow & Co. im Minus Ende der Wall-Street-Rally

Stand: 21.03.2022 21:59 Uhr

Ernüchterung in Sachen Ukraine, aber auch neue Zinsängste lasteten auf der Wall Street. Die Zinssorgen gingen vor allem auf das Konto von Notenbankchef Jerome Powell, der Klartext sprach.

Die festgefahrenen Verhandlungen im Ukraine-Krieg sowie die anhaltenden Kämpfe sorgten zum Wochenstart für Zurückhaltung bei den US-Anlegern. Alle großen Aktienindizes gaben nach, wobei sich der marktbreite S&P-500-Index mit nur einem moderaten Minus von 0,04 Prozent auf 4461 Punkte am besten hielt.

Der Leitindex Dow Jones verlor 0,58 Prozent auf 34.552 Zähler und auch die Technologiebörse Nasdaq sackte in etwa der gleichen Größenordnung ab. Der Composite-Index verlor 0,4 Prozent auf 13.838 Zähler, der Auswahlindex Nasdaq 100 0,31 Prozent auf 14.376 Punkte.

Die Märkte konnten damit heute nicht an ihren jüngsten Lauf anknüpfen. In der vergangenen Woche hatte der S&P 500 satte 6,2 Prozent hinzugewonnen und damit das größte Wochenplus seit November 2020 eingefahren. Auch der Leitindex Dow Jones legte fast sechs Prozent zu.

Die fortgesetzten Kampfhandlungen in der Ukraine werden am Markt zunehmend mit großer Besorgnis verfolgt. Denn die damit verbundenen diversen Embargo-Diskussionen für russisches Öl schieben die Preise und damit die Inflation immer wieder an. Nach etwas Entspannung am Wochenende ging es heute mit den Notierungen für das schwarze Gold wieder kräftig bergauf.

"Der Optimismus über Fortschritte bei den Gesprächen über einen Waffenstillstand in der Ukraine schwindet, und das hat den Ölpreis in die Höhe getrieben", sagte Susannah Streeter, Marktanalystin beim britischen Vermögensverwalter Hargreaves Lansdown.

Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich in der Spitze um mehr als 7,5 Prozent auf 116,03 Dollar je Barrel (159 Liter). Der Preis für US-Rohöl WTI kletterte ebenfalls um sieben Prozent auf über 112 Dollar pro Barrel.

Am Nachmittag machte Fed-Chef Jerome Powell vor diesem Hintergrund die Entschlossenheit der Bank klar, den inflationären Tendenzen energisch entgegen zu treten. Die US-Notenbank müsse "zügig" handeln, um die zu hohe Inflation einzudämmen, so Powell. Bei Bedarf könnten die Zinssätze stärker als üblich angehoben werden, um dies zu erreichen.

Damit heizte Powell Spekulationen auf aggressivere Zinserhöhungen an und setzte die Kurse weiter unter Druck. Vergangene Woche hatte die US-Notenbank wie erwartet die Zinswende eingeleitet und den Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation um einen Viertel Punkt auf die neue Zielspanne von 0,25 bis 0,50 Prozent angehoben. Das behutsame Vorgehen war gut angekommen bei den Investoren, was aber nach diesen deutlichen Worten nicht so bleiben muss.

"Ich bin etwas überrascht, weil die Pressekonferenz der Fed erst ein paar Börsensitzungen zurückliegt. Es scheint, als sei er ein wenig aggressiver geworden", sagte Kevin Flanagan, Experte für festverzinsliche Wertpapiere bei WisdomTree mit Blick auf Powells Äußerungen. "Die Fed versucht, den Markt darauf vorzubereiten, dass alles möglich ist und dass es bei jeder anstehenden Sitzung 25 oder 50 Basispunkte sein könnten."

Unter den Einzelwerten in den USA gaben die Aktien von Boeing nach und gehörten zu den größten Verlierern im Dow Jones. Dies, nachdem eine Boeing 737 der chinesischen Fluggesellschaft China Eastern Airlines verunglückte. Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, stürzte die Maschine mit 133 Insassen aus großer Höhe in der Nähe von Wuzhou in der südchinesischen Region Guangxi ab.

Aktien der Facebook-Mutter Meta tendierten ebenfalls leichter, nachdem Facebook und Instagram heute in Russland verboten worden sind. Gefragt waren hingegen im Gefolge der steigenden Rohölnotierungen mal wieder die Ölaktien. Chevron standen an der Dow-Spitze, auch Exxon-Papiere legen zu.

Unterdessen steuerte die Investmentfirma Berkshire Hathaway von Warren Buffett mit einem Kursplus von bis zu 2,6 Prozent ein Rekordhoch an, konnte das Niveau am Ende aber nicht ganz halten. Für Rückenwind sorgten Buffetts Pläne, die US-Versicherungsholding Alleghany für 11,6 Milliarden Dollar zu übernehmen. Berkshire bietet den Aktionären 848,02 Dollar je Aktie und damit einen Aufschlag von mehr als 25 Prozent auf den Schlusskurs vom Freitag.

Alleghany wurde 1929 gegründet und ist an Immobilien- und Unfall-Versicherern und -Rückversicherern beteiligt. Berkshire Hathaway vergrößert mit der Übernahme sein eigenes Branchen-Portfolio, zu dem der Autoversicherer Geico und der Rückversicherer General Re gehören.

Nach Börsenschluss legte Adidas-Rivale Nike noch Geschäftszahlen vor, die positiv aufgenommen wurden. In den drei Monaten bis Ende Februar erzielte Nike einen Umsatz von fast 10,9 Milliarden US-Dollar (rund 9,9 Mrd Euro) und damit fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Unter dem Strich machte Nike knapp 1,4 Milliarden Dollar Gewinn, das waren vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Analysten hatten im Schnitt mit weniger gerechnet. Die Aktie stieg nachbörslich um fünf Prozent.

Nach einem kraft- und ideenlosen Handelsverlauf hat der DAX zum Wochenstart leichter geschlossen. Am Ende eines Tages, an dem der deutsche Leitindex gleich mehrfach das Vorzeichen wechselte, stand ein Abschlag von 0,6 Prozent auf 14.326 Punkte.

Der DAX bewegte sich dabei in deutlich geringeren Schwankungsbreiten als zuletzt zwischen 14.306 und 14.457 Punkten. Zuletzt hatte sich der deutsche Leitindex von dem im Zuge des Ukraine-Krieges erreichten Zwischentief wieder um bis zu 17 Prozent erholt. Damit hatte er mehr als die Hälfte seines Rückschlags vom Rekordhoch bei 16.290 Punkten aufgeholt, nun suchen die Anleger ihre weitere Richtung.

Getragen wurde der jüngste Aufschwung maßgeblich von der Hoffnung auf eine Verhandlungslösung zwischen Russland und der Ukraine. Diese Gespräche scheinen derzeit aber festgefahren, was die Zuversicht der Anleger merklich dämpfte.

Nach den jüngsten Kursgewinnen machte sich auch an den europäischen Aktienmärkten Ernüchterung über die fehlenden Verhandlungs-Fortschritte breit. Ohne diese seien weitere Kursgewinne kaum vorstellbar, sagte Thomas Altmann, Portfolio-Manager vom Vermögensverwalter QC Partners. "Die Angst, mit neu gekauften Aktien sofort unter Wasser zu sein, ist im Moment einfach zu groß."

Wie wichtig eine Einigung für Deutschland wäre, macht der heutige Monatsbericht der Bundesbank deutlich. Nach Einschätzung der Bank wird die deutsche Wirtschaft vorübergehend deutlich durch die Folgen des Kriegs getroffen. "Die Auswirkungen des Angriffs Russlands auf die Ukraine dürften die wirtschaftliche Aktivität in Deutschland ab März spürbar belasten. Die für das zweite Vierteljahr angelegte starke Erholung dürfte aus heutiger Sicht (...) deutlich schwächer ausfallen."

Update Wirtschaft vom 21.03.2022

Dorothee Holz, HR, tagesschau24

Für neue Sorgenfalten haben bei den Anlegern aber auch die heimischen Erzeugerpreise gesorgt. Denn der hohe Preisauftrieb in Deutschland hat sich im Februar, noch vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs, weiter deutlich verstärkt. Die Produzentenpreise stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 25,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Das ist ein Rekordanstieg, der die Inflationssorgen am Markt weiter befeuert. Schließlich gelten die Erzeugerpreise als wichtiger Frühindikator für die Verbraucherpreise.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel plädiert angesichts des Aufwärtstrends bei der Inflation für ein weiteres Zurückdrehen der ultralockeren Geldpolitik. "Für mich ist ganz klar: Wenn es der Preisausblick erfordert, müssen wir die Geldpolitik weiter normalisieren und auch beginnen, unsere Leitzinsen anzuheben", sagte Nagel heute bei einer Veranstaltung der Deutschen Bundesbank in Hannover laut einem vorab verbreiteten Redetext. "Sofern die Nettokäufe wie derzeit vorgesehen im dritten Quartal enden, eröffnet das die Möglichkeit, bei Bedarf die Leitzinsen noch in diesem Jahr anzuheben."

Bisher hat die EZB, anders als die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nur sehr zögerlich auf die deutlichen Preisschübe reagiert. Zudem ist sie im Zinszyklus weit hinter der Fed zurück.

Unter den Einzelwerten im DAX profitierten Hannover Rück von der Aufnahme der Aktien in den DAX und setzten sich im Leitindex mit einem Kursplus von vier Prozent an die Spitze. Die ebenfalls neu im DAX befindlichen Papiere des vom ehemaligen Daimler-Konzern abgespaltenen Lkw-Herstellers Daimler Truck gaben leicht nach. Für die beiden Werte mussten die Aktien von Beiersdorf und Siemens Energy weichen.

Auf der Verliererseite stehen Delivery Hero, die deutlicher nachgeben. Auch die Papiere des Wohnungskonzerns Vonovia sind im Nachgang der Quartalszahlen vom Freitag nicht gefragt.

In den MDAX steigen der Medienkonzern RTL, der Autovermieter Sixt und der Wafer-Hersteller Siltronic auf. Ihren Platz räumen müssen dafür der Spezialsoftware-Anbieter Compugroup, die zum Autozulieferer Faurecia gehörende Hella und der Autohändler Auto1. Neu in der DAX-Familie ist der IT-Dienstleister Adesso, der in den SDAX einzieht und damit den Online-Modehändler Global Fashion Group verdrängt.

Der Euro tendiert im US-Handel wieder etwas leichter als am Nachmittag und wird bei 1,1015 Dollar gehandelt. Er hält sich damit aber trotz leichter Verluste über der Marke von 1,10 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1038 (Freitag: 1,1008) Dollar fest. Konjunkturdaten standen zu Wochenbeginn nur wenige an. Sie sind zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs in den Hintergrund gerückt.

Unterdessen gingen die Spekulationen über einen Zahlungsausfall Russlands in eine neue Runde. Bis zum Monatsende muss Russland Kuponzahlungen im Gesamtvolumen von 615 Millionen Dollar leisten. Am 4. April folgt dann die Rückzahlung einer ausgelaufenen Anleihe im Volumen von zwei Milliarden Dollar.

Eine Bedienung dieser Verbindlichkeiten in der gleichen Weise wie in der vergangenen Woche sei nicht sicher, warnte Analyst Jonny Goulden von der US-Bank JPMorgan. Einige dieser Zahlungen liefen über den russischen Abwicklungsmechanismus NSD. Bei anderen könnten die Zahlungen in Rubel statt Dollar geleistet werden. Rating-Agenturen haben bereits angekündigt, dass sie dies als Zahlungsausfall werten würden.

Der scheidende Konzernchef Reinhard Ploss fürchtet wegen des Krieges eine neuerliche Knappheit bei Halbleitern. Grund sei, dass das für die Chipproduktion nötige Edelgas Neon ausgehen könnte, sagte er dem "Handelsblatt". Infineon achte zwar darauf, Rohstoffe aus unterschiedlichen Quellen zu beziehen, zum Teil gebe es aber starke Abhängigkeiten. Die Ukraine ist ein wichtiger Lieferant des Edelgases.

Der Dialysekonzern Fresenius Medical Care (FMC) will mit einer Fusion in den USA sein Geschäftsmodell rund um die Versorgung von Nierenkranken ausbauen. Die nordamerikanische Tochtergesellschaft Fresenius Health Partners solle mit dem Nierenärzte-Netzwerk InterWell Health und Cricket Health, einem US-Anbieter von Nierentherapien, und seiner Plattform für Patientendaten zusammengehen, teilte FMC am Nachmittag in Bad Homburg mit.

Der DAX-Konzern soll demnach Mehrheitseigentümer an dem neuen Unternehmen werden, das mit 2,4 Milliarden US-Dollar (rund 2,17 Milliarden Euro) bewertet werde. Die Firma soll unter der Marke InterWell Health auftreten und bis 2025 mehr als 270.000 nierenkranke Menschen versorgen. Indem man in einem früheren Krankheitsstadium der Patienten ansetze, solle sich der potenzielle Markt für FMC erheblich vergrößern, hieß es.

Die Analysten heben die Kursziele für Rheinmetall immer weiter an - und die im MDAX enthaltenen Aktien reagieren mit Rekorden. Heute erreichten die Papiere des Rüstungskonzerns und Autozulieferers mit 187,00 Euro einen weiteren Höchststand. Zuvor hatte Analyst Benjamin Heelan von der Bank of America (BofA) das Kursziel für Rheinmetall auf 220 Euro in die Höhe geschraubt. Der Schlusskurs lag bei knapp 185 Euro, ein dickes Plus von über neun Prozent.

Volkswagen muss den Produktionsstopp wegen des Corona-Lockdowns in drei Werken in der nordostchinesischen Metropole Changchun bis Dienstag verlängern. Ein VW-Werk, ein Audi-Werk sowie ein Komponentenwerk sind betroffen. Alle drei werden gemeinsam mit dem chinesischen Partner FAW betrieben.

Aufwärts ging es heute mit der Holding-Aktie des Baumarktkonzerns Hornbach im SDAX. Die Anleger griffen zu, nachdem das Unternehmen erste Eckdaten für das vergangene Geschäftsjahr veröffentlichte.

Basierend auf vorläufigen Zahlen stieg der Erlös verglichen mit dem Vorjahr um 7,7 Prozent auf fast 5,9 Milliarden Euro. Das ist etwas mehr als die bis zu sieben Prozent, die der Vorstand für das bis Ende Februar laufende Geschäftsjahr in Aussicht gestellt hatte. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) wuchs um rund elf Prozent auf rund 364 Millionen Euro und lag damit im Rahmen der konzerneigenen Prognose. Das Unternehmen sprach von einer ungebrochen hohen Nachfrage nach Heimwerkerprodukten, aber auch von Inflationseffekten.

An diesem Dienstag (22. März) will die für ihre gleichnamige Baumarktkette bekannte Holding weitere Details bekannt geben. Endgültige Zahlen sollen am 17. Mai folgen.

Der Stahlkonzern Salzgitter warnt angesichts des Kriegs in der Ukraine vor Folgen für die Geschäftsentwicklung. Der Angriff Russlands auf das Nachbarland und seine Folgen könnten dazu führen, dass die wirtschaftliche Erholung abrupt abgebremst werde. Damit gehe die Gefahr eines weiteren Anstiegs der bereits sehr hohen Energiekosten einher. "Somit bestehen aktuell kaum quantifizierbare Prognoserisiken," erklärte der Vorstand.

Die Anleger griffen aber in Anbetracht der guten Geschäftszahlen trotzdem kräftig zu, die Aktie legte im SDAX über neun Prozent zu. Der Konzern schreibt wieder schwarze Zahlen und zahlt auch wieder eine Dividende von 0,75 Euro. Das kam gut an bei den Anlegern.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. März 2022 um 09:00 Uhr.