Wall Street im Minus Enttäuschung überwiegt
Nach dem Zinsentscheid der US-Notenbank Fed suchten die Aktienmärkte lange nach einer Richtung. Am Ende aber überwog die Enttäuschung.
Wie geht man als Investor damit um, dass die amerikanische Notenbank zwar eine Zinspause andeutet, aber weitere Zinserhöhungen nicht ausschließen will? Dieses Problem ließ die Kurse an der Wall Street nach dem Zinsentscheid der Federal Reserve (Fed) heftig schwanken. Am Ende überwogen die Verluste, zumal Notenbankchef Jerome Powell erneut seine Entschlossenheit zur Bekämpfung der Inflation bekräftigt hatte. Optimistische Anleger wurden zudem in ihrer Erwartung enttäuscht, dass die Fed gar mögliche Zinssenkungen andeuten könnte. Der Dow Jones beendete den Tag 0,8 Prozent tiefer.
Wie erwartet hatten die Währungshüter den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf nun 5,0 bis 5,25 Prozent erhöht. Sie strichen zudem eine Passage, die zwingende weitere Zinserhöhungen erwarten lässt. Viele Beobachter sprachen nun davon, dass in den USA der Zinsgipfel möglicherweise bereits erreicht sein könnte.
An der Technologiebörse Nasdaq fielen die Verluste etwas milder aus. Der Nasdaq 100 büßte 0,64 Prozent ein.
Die Konjunkturdaten des Tages sendeten eher robuste Signale. So hat die Privatwirtschaft der USA im April mit 296.000 Stellen deutlich mehr neue Arbeitsplätze geschaffen als erwartet. Analysten hatten im Schnitt lediglich mit 150.000 neuen Stellen gerechnet. Der monatliche Arbeitsmarktbericht der Regierung wird an diesem Freitag veröffentlicht.
Zudem hat sich die Stimmung im US-Dienstleistungssektor im April aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex des Instituts for Supply Management (ISM) stieg zum Vormonat um 0,7 Punkte auf 51,9 Punkte. Volkswirte hatten mit einem leicht geringeren Anstieg gerechnet. Der Stimmungsindikator bleibt über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Er signalisiert damit einen Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität im Dienstleistungssektor.
Am deutschen Aktienmarkt herrschte im Vorfeld des Zinsentscheids recht gute Stimmung. Zwar konnte der deutsche Aktienindex seine gestrigen Verluste nicht aufholen, mit einem Plus von 0,6 Prozent präsentierte sich der DAX aber dennoch recht robust. Morgen folgt der Zinsentscheid der EZB, bei dem ebenfalls eine Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte erwartet wird.
Auch nach der US-Zinsentscheidung kann sich der Euro gegenüber dem Dollar klar über der Marke von 1,10 halten. Die europäische Gemeinschaftswährung profitiert von der Aussicht auf eine Zinspause in den USA, während in Europa noch mehrere weitere Zinsschritte erwartet werden.
Die Ölpreise rutschen weiter ab. Bis zum Abend hat sich ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent auf 72,52 Dollar verbilligt. Dabei sind die Ölreserven in den USA in der vergangenen Woche stärker gefallen als von Experten prognostiziert. Die Lagerbestände an Rohöl sanken im Vergleich zur Vorwoche um 1,3 Millionen auf 459,6 Millionen Barrel. Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Rückgang um 0,5 Millionen Barrel pro Tag gerechnet. Die tägliche Ölproduktion stieg um 0,1 Millionen auf 12,3 Millionen Barrel.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat ihre Prognose für das Exportwachstum in diesem Jahr mehr als halbiert. Die deutschen Ausfuhren dürften inflationsbereinigt (real) lediglich um ein Prozent zulegen, so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier heute in Berlin. Bislang war ein Plus von 2,5 Prozent erwartet worden. Grundlage für die gesenkte Prognose ist eine Umfrage unter 5100 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK).
Kraft Heinz hat nach einem Gewinn- und Umsatzsprung im ersten Quartal seine Jahresprognose angehoben. Im Zuge von Preiserhöhungen und einer großen Nachfrage stieg der bereinigte Gewinn um 13,3 Prozent auf 68 Cent je Aktie, wie der Ketchup-Hersteller mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit 60 Cent je Aktie gerechnet. Der Umsatz legte um 7,4 Prozent auf 6,49 Milliarden Dollar zu. Der ermutigende Jahresauftakt veranlasste den US-Lebensmittelkonzern, sein Gewinnziel für 2023 anzuheben. Kraft Heinz rechnet nun mit einem bereinigten Gewinn je Aktie von 2,83 bis 2,91 Dollar anstatt wie bislang mit 2,67 bis 2,75 Dollar.
Im Abendhandel geriet die Airbus-Aktie leicht unter Druck. Lieferprobleme haben Spuren in der Bilanz des Flugzeugbauers hinterlassen. Der Gewinn ging im ersten Quartal um 39 Prozent auf 773 Millionen Euro zurück. Der Rückgang war allerdings geringer als erwartet. Der Umsatz schrumpfte leicht auf 11,8 Milliarden Euro. An seinen Zielen für das laufende Jahr hält der weltweit führende Flugzeugbauer fest. Allerdings verschiebe sich die Einführung einer Frachtversion des A350 etwas, die Maschinen kämen nun 2026 auf den Markt.
Dank einer höheren Nachfrage nach ertragsstarken Angeboten und eines Rekord-Kundenwachstums bei Waipu.tv hat Freenet den Gewinn überdurchschnittlich gesteigert. Das operative Ergebnis (Ebitda) verbesserte sich im ersten Quartal um 8,5 Prozent auf 128,1 Millionen Euro, teilte das MDAX-Unternehmen mit. Der Konzernumsatz habe um 3,1 Prozent auf 637,8 Millionen Euro zugelegt. Auf dieser Basis bekräftigte Freenet das Ziel eines operativen Konzernergebnisses im Gesamtjahr von 480 bis 500 Millionen Euro.
Der Sportwagenbauer Porsche AG hat im ersten Quartal von steigenden Verkaufszahlen und weiter hohen Preisen profitiert. Der Umsatz wuchs gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 25,5 Prozent auf 10,1 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis der VW-Tochter stieg um 25,4 Prozent auf 1,84 Milliarden Euro.
Trotz eher schwacher Zahlen hielt sich die "Aktie Gelb" der Deutschen Post im Plus. Wegen der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs und der lahmenden Weltkonjunktur musste der Logistikriese im ersten Quartal Rückgänge bei Umsatz und Gewinn hinnehmen. Die Erlöse sanken von Januar bis März auf 20,9 (Vorjahr: 22,6) Milliarden Euro, das operative Ergebnis (EBIT) schrumpfte um 24,1 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Seine Gewinnziele für 2023 bekräftigte der Konzern.
Im MDAX büßte die Lufthansa-Aktie 1,3 Prozent ein. Die Erlöse lagen im ersten Quartal zwar mit sieben Milliarden Euro um 40 Prozent über dem Vorjahr, Analysten hatten aber mehr erwartet. Die wachsende Nachfrage nach Reisen hat der Lufthansa zum Jahresstart deutlich weniger Verlust beschert. Im ersten Quartal lag das saisontypische operative Minus (bereinigtes EBIT) bei 273 Millionen Euro und damit knapp halb so hoch wie im Vorjahreszeitraum. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sieht den Konzern auf Kurs, das operative Ergebnis von 1,5 Milliarden Euro von 2022 im laufenden Jahr wie geplant deutlich zu übertreffen.
Der Softwareanbieter Teamviewer ist im ersten Quartal gewachsen und hat von weniger stark steigenden Kosten profitiert. Der Umsatz des Fernwartungsspezialisten zog um 13 Prozent auf 151,3 Millionen Euro an, so das MDAX-Unternehmen. Die Ergebnisse wurden auch durch eine geringere Anzahl von Forderungsausfällen positiv beeinflusst. Der Nettogewinn lag bei 23,1 Millionen Euro, rund 58 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Wegen eines eher verhaltenen Ausblicks büßte die Aktie allerdings über zehn Prozent ein.
KWS Saat legt die Latte für das laufende Geschäftsjahr abermals höher. Der Saatguthersteller aus dem SDAX erwartet für 2022/23 (per Ende Juni) nun ein Wachstum von rund 15 Prozent bei einer operativen Umsatzrendite (Ebit-Marge) von elf bis zwölf Prozent. Bisher hatte KWS Saat mit einer Marge von zehn bis elf Prozent gerechnet, bei einem Umsatzplus von 13 bis 15 Prozent. Nach neun Monaten liegt der Umsatz mit 1,51 Milliarden Euro bereits ein Viertel über dem Vorjahreswert, das Ebit hat sich sogar um gut 40 Prozent auf 261,2 Millionen Euro verbessert. Das entspricht einer Marge von gut 17 Prozent. Der Umsatzzuwachs sei vor allem auf das Geschäft mit Mais- und Zuckerrüben-Saaten zurückzuführen, erklärte das Unternehmen.
Weniger gut kamen am Abend die Zahlen von Basler an. Schlechte Geschäfte in Amerika und Asien haben den Bildverarbeitungsspezialisten im ersten Quartal Verluste beschert. Nach Steuern verzeichnete das SDAX-Unternehmen einen Verlust von 2,2 Millionen Euro nach einem Gewinn von 6,8 Millionen Euro im Vorjahr. Der Umsatz knickte um 15 Prozent auf 56,3 Millionen Euro ein. An seinen Jahreszielen will der Vorstand aber festhalten.
Wegen einer schwierigen Marktlage rechnet die Xing-Mutter New Work im laufenden Jahr mit einem geringeren operativen Ergebnis. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) dürfte bei 92 bis 100 Millionen Euro und damit unter dem Vorjahreswert von 104 Millionen Euro liegen, teilte das SDAX-Unternehmen am Abend mit. Es sei eine deutliche Abkühlung am Arbeitsmarkt zu spüren, sagte Konzernchefin Petra von Strombeck. Im ersten Quartal stieg der Umsatz um zwei Prozent auf 75,9 Millionen Euro. Das operative Ergebnis (Ebitda) fiel dagegen um 30 Prozent auf 17,9 Millionen Euro.
Der Stahlhändler Klöckner & Co aus dem SDAX verzeichnete im ersten Quartal einen Verlust von acht Millionen Euro. Dabei belasteten Investitionen in ein neues Drehkreuz in Frankreich, aber auch niedrigere Stahlpreise. Im Vorjahr hatte der Stahlhändler noch einen Gewinn von 172 Millionen Euro erzielt. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fiel von 201 Millionen auf 69 Millionen Euro. Der Umsatz sank wegen der niedrigeren Preise von 2,4 Milliarden auf 2,1 Milliarden Euro.
Ein Plus von über elf Prozent verbuchte dagegen die Aktie von Auto1, die im SDAX notiert. Der Online-Gebrauchtwagenhändler hat im ersten Quartal seinen Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 47,6 auf 25,1 Millionen Euro reduziert. Der Umsatz schrumpfte in den ersten drei Monaten im Jahresvergleich um acht Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Insgesamt verkaufte die Gruppe in dem Zeitraum 157.106 Fahrzeuge.
Im ersten Quartal hat die UniCredit gut zwei Milliarden Euro verdient und damit noch etwas mehr als im schon starken Schlussquartal des vergangenen Jahres. Im ersten Quartal 2022 hatte die italienische Großbank wegen hoher Belastungen aus dem Russland-Geschäft infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine lediglich 274 Millionen Euro verdient. Hatte die Bank damals noch fast 1,3 Milliarden Euro für drohende Kreditausfälle zur Seite gelegt, waren es diesmal nur 93 Millionen Euro.